XXXXVII.

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Ich will raus / Ich will schlafen
Ich will Freunde sehen / Ich will schlafen
Ich will glücklich sein / Ich will schlafen
Ich will leben / Ich will schlafen

Rhythmen.

,,Rewi?"
Ich richtete meinen Blick auf.
,,Kommst du mit? Wir wollten zum Gemeinschaftsraum."
Es dauerte ein paar Sekunden bis ich mich in der Realität eingefunden hatte.
,,Nein, ich muss gleich zur Therapie."
,,Okay, dann bis später",sagte Palle.
Ich nickte und ging die Treppen zu unserer Station hoch.
Ich hatte erst in zwei Stunden Therapie, aber alles was mich von ihm fern halten kann muss nicht zwanghaft wahr sein.
Ich hatte ihn nicht einmal angesehen. Allein seine Stimme wieder zuhören war schwer, obwohl ich sie all die Zeit im Kopf hatte.
Ich setzte mich auf das Bett und ließ mich in das Kissen sinken.
Wieso hatte ich nicht gewusst das Ardy tot ist?
Vielleicht war ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Ich weiß es nicht mehr. Ich erinnere mich an Plastik.
An nichts als Plastik. Keine Zeit die vergangen ist, keine Sekunde habe ich gespürt. Nichts habe ich gefühlt.
Leben ist so hart, sterben dagegen ist einfach.
Ich hätte längst tot sein können.
Ich wäre tot und müsste nicht mehr denken, müsste nicht mehr fühlen, müsste nicht, nichts fühlen. Keine Liebe, kein Hass. Keine Liebe.
Kein er. Gibt es etwas schöneres als tot?
Unbeschwert lebt niemand. Irgendwann ist der tot die Erlösung.
Erlösung von Schmerzen. Unendliche Schmerzen. Erlösung von Leere.
Wenn man tot ist muss man keine Einsamkeit mehr spüren, man muss die Leere nicht mehr mit sich tragen.
Wie kann es sein das ein ausgehüllter Körper, ohne Seele, ohne Gefühl und ohne Leben, schwerer ist?
Ich würde mir gerne ein Messer in Herz stechen, so tief und fest das mein Herz damit ausgefüllt ist.
Ich möchte etwas anderes als Leere spüren. Möchte nicht allein sein. Möchte keine Gedanken haben die meine ehrliche Meinung überbieten.
Ich will nicht in einem Rhythmus gefangen sein.

Wo ist das Leben hin? Wie konnte es entfliehen?
Wieso möchte ich sterben?

Es wird immer gesagt das man in seinem Leben eine Aufgabe hat; man ist geboren um zu leben; das Leben ist ein Geschenk Gottes; Love is Love;

Leichter gesagt als getan.

Ich verstehe es nicht. Ich verstehe keinen dieser Sätze.
Ich habe mich nicht gegen das Leben entschieden, es hat sich gegen mich entschieden.
Ich will leben, aber ich kann nicht. Ich will atmen, aber ich ertrinke. Ich möchte ihn nicht lieben, aber ich liebe ihn.
Ich will raus, ich will schlafen.

Psychiatrie | RewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt