Teil 3

3.9K 131 22
                                    


Ich nehms zurück, ehrlich! Es kann schlimmer werden! Am Ende meiner Nerven liege ich auf einem winzigen Bett, in einem Zimmer, dass kaum grösser ist, als ein Abstellraum. Für einen einzigen Besen. Völlig erschöpft nehme ich mein Handy aus der Hosentaschen, aber mit meinem Glück hat es natürlich kein Akku mehr. Ich schliesse es rasch an einer Steckdose an und starte es. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist auch mein Handy endlich aufgestartet und ich wähle als erstes Nurias Nummer. Insgeheim denke ich daran, dass jetzt wahrscheinlich gleich das ganze Netzt zusammenbrechen wird und ich für immer ganz alleine hier in diesem Zimmer bleiben muss. Aber Nuria lässt mich auch Heute nicht im Stich. Auf sie ist wie immer Verlass. Nach dem dritten Läuten meldet sie sich mit: „Die allerbeste Freundin der Welt am Apparat" „Nuuuuuuuuuuuuriaaaa!", schreie ich in das Handy. „Au! Schrei mir doch nicht so ins Ohr!" Ich grinse das erste Mal seit den letzten Stunden.

„Jetzt erzähl mal, John. Wie ist es so? Hast du schon ein paar heisse Jungs gesehen?", fragt sie mit ihrer typischen Sorglosigkeit. „Es ist sooooo schlimm! Bitte hol mich nach Hause!", bettle ich und setzte meinen Hundeblick auf, obwohl sie es nicht sehen kann. Aber wir kennen uns so gut, dass sie genau weiss, was für ein Gesicht ich mache. „Hör auf mit dem Hundeblick, der funktioniert bei mir nicht.", lacht sie ins Telefon. „Aber was kann so schlimm sein, dass du nach... warte mal... vier Stunden wieder nach Hause willst?" Ich hole tief Luft, dann fange ich an zu erzählen.

„Bis wir zum Hotel kamen, war ja alles in Ordnung, aber dann hat auf einmal nichts mehr geklappt. Die Leute dort wollten mich ernsthaft in ein Zimmer mit Dad stecken, obwohl wir zwei Einzelzimmer gebucht haben! Ich meine, keine 16-Jährige schläft noch bei ihrem Dad im Zimmer!", rufe ich aus. Ich sehe vor meinem geistigen Auge Nurias entsetztes Gesicht.

„Nein, das geht wirklich nicht, aber was ist dann noch passiert?" Ich erzähle also total genervt weiter: „Ich meine, das ist ja doof, aber im absoluten Notfall würde es ja gehen. Dann hat allerdings dieser Typ vom Hotel gemeint, dass sie ein Zimmer für mich hätten, zuoberst im Dachstock. Ich war also begeistert und habe mich mit so einem Hotelboy auf den Weg nach oben gemacht. Du wirst mir nicht glauben, was in dem Zimmer war...", sage ich mit noch immer entsetzter Stimme. Dieses Ereignis wird mich für immer verfolgen! Nuria geht sofort darauf ein: „Eine riesen fette Spinne? Das Bett ist zusammengekracht? Dort war ein Obdachloser?", ratet sie. „Nein. Da war ein riesiger, mega fetter Marder! Oder was auch immer das für ein Tier war. Vielleicht war es auch ein Bär... keine Ahnung." Nuria fragt mich mit einem skeptischen Tonfall: „Du nimmst mich auf den Arm, oder?" „Nein.", seufze ich. „Gibt es diese Tiere überhaupt in Russland?", fragt sie plötzlich. „Keine Ahnung aber das Tier wollte uns anfallen!"

Nuria kreischt auf. „Hat sich der Hotelboy heldenhaft vor dich geworfen und dich beschützt? Und jetzt seid ihr zusammen?", erkundigt sie sich aufgeregt. „Neee, der Idiot hat mich zur Seite geschubst und ist schreiend weggerannt! Ernsthaft, ich konnte gerade noch die Türe zureissen, bevor das Tier mich angefallen hat!", rege ich mich auf. Nuria holt an der anderen Seite der Leitung tief Luft. „Schreiend weggerannt?", fragt sie entsetzt aber auch ein bisschen belustigt. „Genau.", stelle ich fest. „Aber als ob das nicht genügen würde, ist der Lift, der den Hotelboy und mich nach unten bringen sollte, stecken geblieben!" Nuria lacht jetzt wirklich. „So viel Pech hast auch nur du. Wie lange wart ihr da drinn?", fragt sie nach.

Ich stöhne und reibe mir den Kopf. „Ganze zwei Stunden, bevor sie uns über eine Leiter hinaus geholt haben. Es war schrecklich!", beschwere ich mich. „Zwei Stunden? Hat sich Yann nicht unglaublich Sorgen gemacht?", will sie wissen. „Nein, Dad dachte ich sei in meinem Zimmer. Er hat es erst vorher erfahren und sich natürlich sofort beim Hotelmanager beschwert.", erzähle ich. „Hast du denn jetzt ein Zimmer?", fragt Nuria weiter. Ich nicke, obwohl sie es ja nicht sehen kann. „Sie haben mir eine verdammte Abstellkammer eingerichtet. Ich fühle mich wie Harry Potter, im Schrank unter der Treppe!", sage ich genervt. Nuria lacht. „Dafür findest du vielleicht dein eigenes Hogwarts in Russland.", meint sie anzüglich. Ich verdrehe meine Augen. „Nuria...", seufze ich nur. „Apropos: Hotelboy und du waren ALLEINE zwei Stunden in einem kleinen Raum...was habt ihr gemacht?", fragt sie kichernd. „Hotelboy und ich haben etwa drei Sätze miteinander geredet. Und glaub mir, Hotelboy ist hässlich.", antworte ich nur. „Auf einer Skala von eins bis zehn, was ist er?", erkundigt sie sich weiter. „Eine knappe drei.", knurre ich. „Er hat so gestunken, weil er so geschwitzt hat! Ausserdem sieht sogar Michael wie ein Model neben ihm aus." „Nein!?", ruft Nuria entsetzt. Michael geht nämlich in unsere Klasse und ist der schlimmste Junge den es gibt. „Doch.", stelle ich nüchtern fest. „Es waren die zwei schrecklichsten Stunden in meinem Leben und ich...aaaaaahhhh!", schreie ich. „Jelsa? Was ist los?", fragt Nuria besorgt. „Spinne." Antworte ich mit zusammen gebissenen Zähnen. „Da sitzt eine riesige, fette Spinne an der Wand!"

„Mach sie tot!", schreit mich Nuria durchs Handy an. „Sie ist so fett, da würde nicht mal mein Schuh drauf Platz haben!", schreie ich zurück. Nurias entsetztes Gesicht sehe ich vor meinem inneren Auge. Sie hasst Spinnen genau so sehr wie ich. „Dann... RENN!", schreit sie mich an. Und genau das mache ich auch. Ich renne los, das Handy noch in der Hand. Diese Spinne wird mich sicher verfolgen! Ich renne barfuss, mit meinen Klamotten, die ich schon im Flugzeug anhatte, durch das Hotel. „Wohin soll ich gehen?", keuche ich in Handy.

Nurias Antwort kommt prompt: „Zu deinem Dad!", schreit sie mich an. Ein Pärchen, das gerade nach Draussen will, weicht mir rasch aus, als ich an ihnen vorbei renne. Sie sehen mich verwirrt und ein bisschen entsetzt an. Aber ich kümmere mich nicht darum. Zuerst muss ich mein Leben vor dieser Spinne retten! „Nuria, das Handy stellt jetzt dann ab. Kein Akku!", informiere ich meine Retterin hechelnd. „Ist schon in Ordnung, Jel, dein Dad wird dich retten!", meint sie ritterlich. „Danke, ich melde...", keuche ich noch zurück, dann stellt sich mein Handy mit dem bekannten Swisscom Ton ab.

„Ich. Werde. Das. Überleben.", spreche ich mir keuchend Mut zu. So schnell ich kann laufe ich die Treppen in den vierten Stock hoch. Nichts und niemand wird mich je wieder in diesen Lift bringen! Am Ende meiner Kräfte gelange ich bei der Zimmernummer 401 an, aber als ich klopfe macht niemand auf. Die Uhr im Gang zeigt mir allerdings, dass schon Essenszeit ist, also muss Dad sich im Speisesaal befinden. Also renne ich wieder die Treppe hinunter. Ob die Spinne wohl immer noch hinter mir her ist? Entsetzt von diesem Gedanken treibe ich mich noch dazu an, schneller zu laufen. Dann endlich sehe ich die Türe des Esszimmers. Den Ober, der mich kritisch mustert, ignorierend, renne ich mit vollem Tempo in den Raum. Alle drehen sich sofort zu mir um, weil ich nicht gerade leise beim betreten bin. Das ist mir aber egal, weil ich kurz davor bin, vor Entsetzten zu sterben. Wo zur Hölle ist Dad? Als ich Dad endlich sehe, renne ich zu ihn, und rette mich in seine Arme. „Dad!", schluchze ich beinahe. „Was ist los, Prinzessin?", fragt mich Dad besorgt und drückt mich an sich. „Alles in Ordnung, Jelsa?", fragt Rico, der neben Dad steht. Ich schüttle nur meinen Kopf, und versuche zu Atem zu kommen. „Da ist eine RIESIGE, FETTE SPINNE IN MEINEM ZIMMER!", antworte ich zitternd. „Ich will nach Hause!", murmle ich, meinen Kopf in Dads Pullover vergraben.


A LITTLE LOVESTORY- l'amour surmonte tout [Antoine Griezmann]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt