Teil 2

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"Jelsa!", ruft Nuria ganz laut. Ich drehe mich zu ihr um. Sie grinst mich durch die ganze Halle an. Dad und die Jungs gehen alle schon durch die Kontrolle, um zum Bus zu kommen, der uns dann zum Flugzeug bringt. Die Frauen und Freundinnen mit den Kindern, die nicht mitgehen oder erst später nachfliegen, stehen betrübt hinten in der Halle, wo auch sich auch Nuria befindet. Noch vor wenigen Minuten waren wir ebenfalls ziemlich traurig, weil wir uns jetzt so lange nicht mehr sehen können, nun ist sie aber schon wieder der heitere Sonnenschein, so wie ich sie nur allzu gut kenne.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Dad und einige andere zu uns umdrehen, aber das ist mir egal. "Ja?", frage ich in einem normal lauten Ton, im Gegensatz zu ihr. Nuria grinst mich verschmitzt an. "Komm erst wider wenn du einen heißen Boy flachgelegt hast." Ich lache auf, während ich mir vorstellen kann, dass Dad alles andere als begeistert ist. Für ihn werde ich immer seine kleine Prinzessin sein. Ich zwinkere Nuria laut lachend zu und drehe mich dann endgültig um.

Meine beste Freundin versucht mich schon die ganze Zeit zu überreden, mir endlich einen Freund zu besorgen, aber bis jetzt habe ich einfach noch nicht den Richtigen gefunden. Klar treffe ich viele hübsche Jungs, wenn ich mal wieder mit Dad zu einem Spiel fahre, aber es war nie der EINE dabei. Deshalb bin ich eine der einzigen 16 Jährigen, die noch nie in ihrem Leben einen Freund hatte. Außerdem will niemand eine Freundin, die von einem gesamten Fußballteam beschützt wird. Noch ein weiteres Problem... aber das ist wohl so, wenn man ein Fußballteam seit mehr als zehn Jahren kennt. Nuria hat dort mehr Glück. Sie hat zwar ein paar Cousins, die sie wie ältere Brüder beschützen, aber sie hatte schon einen Freund. Zwischen ihnen ist es zwar nicht sonderlich gut gelaufen, aber es war wenigstens schon was.

Ein Sicherheitsbeamter, der mich durch die Kontrolle hilft und mir meinen Rucksack abnimmt, grinst mich ebenfalls an. Er hat wohl sehr gut mitbekommen, was meine allerbeste Freundin eben durch die Halle gebrüllt hat. Ich werde rot und laufe den Spieler hinter her. Sobald wir die Halle verlassen haben, sind sofort wieder ein paar Leute von der Presse da, die die Jungs regelrecht verfolgen. Während Dad und die Jungs von ihnen mit Fragen überstürmt werden, gehe ich zu Leonita, Granits Freundin. Wir verstehen uns absolut super und machen auch mal was zusammen. Redend steigen wir in den Bus ein. Die Spieler kommen nach und nach auch und als dann Petkovic auch sitzt, fährt der Bus los.

Die Fahrt ist kurz und schon steigen wir wieder um. Dieses Mal ins Flugzeug. Ich fliege relativ gerne, obwohl mir früher immer schlecht wurde. Leonita und ich beschliessen, dass wir uns ganz hinten hinsetzten, weit weg von den Spielern, also auch weit weg von ihrem Verlobten und meinem Dad. Wir Frauen brauchen manchmal einfach Abstand von diesen Männern. Und ein gutes Frauengespräch kann man nie ausschlagen.

"Nuria ist schon ein bisschen verrückt...", sagt Leo grinsend. Sie muss die peinliche Aktion meiner Freundin auch mitbekommen haben. Ich lache. "Stimmt. Darum verstehen wir uns auch so gut." Leo lacht noch mehr. "Ich muss dir unbedingt noch was erzählen! Es geht um die Party, auf der Granii und ich letztens waren...", teilt Leo mir mit. Granii ist Granit Xhakas Spitzname, den ich ihm vor Jahren verpasst habe. Mittlerweile nennen ihn viele nur noch so.

Leo erzählt mir eine wirklich witzige Geschichte von Granii, die ich mir vorsichtshalber merke, für den Fall, dass ich ihn einmal erpressen muss. Schließlich gibt es immer Situationen, in denen solche Informationen sehr nützlich sein können. Nicht dass ich so etwas schon ausgenutzt hätte...

Dad setzt sich mit den anderen weiter vorne hin, weil er weiß, dass ich etwas Freiheit brauche, und nicht immer in seiner Nähe sein will. Er unterhält sich mit den anderen Jungs, und macht all das, was eben ein Fußballer in seiner Freizeit macht: Musik hören, Selfies machen und auf Instagram und Twitter posten, Wetten über Spiele abschliessen und Männergespräche führen. Valon und Shaq spielen sogar das neue Fifa, das Rico mitgebracht hat.

Leo und ich quatschen ein bisschen über Gott und die Welt (und Jungs...), und die Zeit vergeht rasend schnell.

„Was hast du morgen vor?", fragt mich Leo nach einiger Zeit. Ich zucke nur mit meinen Schultern. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich gehe ich in die Stadt und versuche Nurias Anweisung zu befolgen", scherze ich. „Vergiss es, Prinzessin!", kommt plötzlich von vorne. Ich sehe auf und blicke in das sehr Gesicht von meinem Dad. Er sieht nicht so begeistert aus... „Wenn du vor hast Nurias Idee zu befolgen, kannst du damit rechnen das ich dich im Hotelzimmer für den Rest der Ferien einsperre.", meint Dad halb scherzend. Vermutlich wünscht er sich, dass wäre möglich. Leo neben mir kichert und wirft Dad einen sehr belustigten Blick zu. „Du kannst Jelsa nicht aufhalten, Yann. Sie hat schon immer gemacht was sie will." Ich verdrehe die Augen, während Dad und Leo verschiedene Erinnerungen von meinem früheren Ich teilen. Und leider Gottes sind diese absolut peinlich und enden praktisch immer damit, dass ich wie der letzte Esel dastehe- oder eher wie das letzte Lama, um auf eine der Geschichten einzugehen. Während sich Dad und Leonita lustig über mich machen, wird meine Stimmung immer schlechter. Ich meine, ich mag die beiden ja, aber echt! Das ist nicht mehr lustig...

Ich bin schon beinahe richtig erleichtert, als der Pilot die Durchsage gibt, dass alle sich auf ihre Plätze begeben und sich dort anschnallen sollen. So komme ich um eine weitere Geschichte rum. Dad verschwindet also nach vorne und Leo versucht wieder mit mir weiter zu quatschen, aber ich werfe ihr nur einen wütenden Blick zu. Leo sieht mich nur entschuldigend an. „Sorry Kleines, ich wollte dich nicht bloßstellen, sondern vor einer weiteren Moralpredig schützen. Ich weiß, dass du die noch mehr hasst." Da hat sie Recht. Ich bin zwar immer noch ein bisschen wütend, aber schon friedlicher gestimmt. Leo will noch etwas sagen, als der Pilot dann endlich bekannt gibt, dass wir aussteigen können. Endlich! Rasch suchen wir alle unsere Gepäckstücke zusammen und drängen uns zum Ausgang. Fast als Letzte verlasse ich das Flugzeug. Draussen ist es blendend hell und ich muss mir die Augen zukneifen. Die Spieler und Trainier sind alle aufgeregt und laufen begeistert durch den Flughafen. Überall sind Sicherheitsleute und Reporter. Sämtliche Menschen scheinen sich über die Situation zu freuen, während ich am liebsten wieder zurück in die Schweiz fliegen möchte. Oder nach Deutschland, zu Dads anderem Fussballclub. Aber dann reisse ich mich zusammen und trotte hinter den anderen her. So schlimm kann es doch nicht werden, oder?


A LITTLE LOVESTORY- l'amour surmonte tout [Antoine Griezmann]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt