Teil 40

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Nachdem ich angefangen habe zu Zittern, wird mir erneut befohlen, eine heisse Dusche zunehmen. Sobald ich meine kuschligsten Pyjamahosen und dicksten Pulli trage, bringt mich Dad zu Bett. Er kümmert sich um mich, als wäre ich wieder die fünfjährige Jelsa, die nicht ohne einen <Gutenachtkuss> schlafen konnte, deckt mich zu und bleibt bei mir, bis ich mich in den Schlaf geweint habe. Auch in den nächsten Tagen weicht er kaum, und wenn nur sehr widerwillig, von meiner Seite. Wie erwartet bin ich krank, aber dank dem hohen Fieber ist mein gebrochenes Herz eindeutig besser zu ertragen.

Irgendwann, in einem Fieberwahn erzähle ich ihm, dass das mit Toni und mir fertig ist, und von da an, passt er noch besser auf mich auf. Er, oder jemand anderes ist ständig bei mir, und schaut zu, dass wenn ich wach bin, ich ja nicht an Toni denke. Überraschenderweise klappt das ausserordentlich gut. Erst als es mir besser geht, fange ich an, das Passierte zu verdauen und zu verstehen. Nuria erfährt als einzige, was genau an dem Abend geschehen ist. Aber die anderen scheinen in etwa zu verstehen, wie ich mich fühle und lassen mich mit Fragen in Ruhe.

Es hilft mir auch nicht, das Neymar und Marcelo beide das Video hochgeladen habe- ihr erinnert euch, von der Nacht als Toni und ich bei Neymar im Hotel übernachtet haben. Am nächsten Tag haben Marcelo und ich Neymar etwas unsanft aufgeweckt. Was ich beim aufnehmen des Videos nicht bemerkt habe, ist, dass Toni im Video zu sehen ist, genau wie ich, weshalb Gerüchte um uns nur so in der Öffentlichkeit brodeln. Von Toni habe weder ich, noch Social Media etwas gehört. Seit unserem Streit war er offline, genau wie ich. Auch meine anderen Freunde in der Schweiz und in Deutschland wollen unbedingt wissen, was da genau zwischen Toni und mir läuft- oder eben nicht mehr. Diese ganze Aufmerksamkeit und mein gebrochenes Herz machen mich völlig fertig.

Auch als ich kein Fieber mehr habe und die letzten Symptome weg sind, will ich dennoch nicht aus dem Zimmer. Einzig und allein zum Achtelfinale, in das es die Schweizer Nati geschafft hat, gehe ich. Tatsächlich ist schon so viel Zeit in Russland vorbeigegangen, dass die WM langsam ein Ende nimmt. Und die Schweiz hat sich wacker geschlagen. Mit einem eins zu null gewinnen wir das Spiel sogar gegen Argentinien und kommen somit in das Viertelfinale. Ich freue mich zwar unglaublich, aber dennoch ist jeder Tag in Russland eine Qual. Da Dad das nur zu gut merkt, braucht es nicht mal eine lange Überzeugungsrede von Nuria, um ihn zu überreden, dass ich zu Nuria und Josh nach Finnland kann. Ausserdem hat Dad immer noch ein schlechtes Gewissen von unserem Streit, weshalb er mich schweren Herzens gehen lässt.

Und so kommt es also, dass ich zwei Wochen nach dem Streit mit Toni unterwegs in ein anderes Land bin...

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«Sehr geehrte Damen und Herren, hier spricht ihr Pilot. Bitte schnallen Sie sich an. Wir werden in Kürze im Flughafen Ivalo landen. Auf der rechten Seite...» Ich höre nicht weiter zu, sondern schiebe wieder die Kopfhörer auf meine Ohren. Da ich ein Fensterplatz habe, kann ich sehen, wie wir langsam in die Wolken abtauchen. Während mein Sitznachbar sich bei der Landung an die Armlehnen klammert, bin ich so entspannt wie schon lange nicht. Hier wird mich niemand erkennen, ich bin weit weg von Russland und dem ganzen Desaster, das dort passiert ist. Und ich werde bald meine beste Freundin wiedersehen. Sobald wir gelandet sind, packe ich meine Sachen zusammen, und lasse den ganzen Prozess im Flughafen, mit dem Zoll und allem Drum und Dran, über mich ergehen.

Dann gehe ich in die Ankunftshalle, wo mich in einer kleinen Menschenmenge sofort zwei bekannte Gesichter erwarten. «JELSAAAA!», ruft Nuria und innert Sekunden befinde ich mich in einer atemraubenden Umarmung. Wort wörtlich. «Wie geht es dir?», fragt mich Josh besorgt, sobald auch er mich umarmt. Durch Nuria weiss er natürlich, was alles passiert ist. «Es geht.», ich lächle beide etwas müde an. «Na los, lass uns nach Hause gehen. Wir werden dafür sorgen, dass du in der nächsten Zeit kein bisschen über den Franzosen nachdenkst.», meint Nuria, die einen Arm um meine Schultern gelegt hat. Ich nicke und lächle, obwohl beides etwas gequält ausfällt. Die Chance, dass ich nicht über Toni nachdenken werde, ist unglaublich klein.

A LITTLE LOVESTORY- l'amour surmonte tout [Antoine Griezmann]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt