Zehn

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 „Hör auf Tolga, ich will das nicht!" Ich stieß ihn weg und sprang vom Waschbecken.

„Was ist denn los? Liebst du mich nicht?"

Ich sah ihn fassungslos an. Eigentlich war das eine gute Frage. Liebte ich ihn? Er kam wieder auf mich zu und wollte mich küssen.

„Lass es bitte ..."
„Es tut mir leid, Süße, ich wollt dich nicht bedrängen."

Er nahm mich in den Arm ... nach kurzem Protest ließ ich es zu. Er strich mir durch die Haare und küsste meinen Kopf. „Es tut mir leid", flüsterte er mir immer wieder zu.
„Ich will nach Hause ...", flüsterte ich.

Er fuhr mich nach Hause und während der ganzen Autofahrt sagte keiner von uns ein Wort. Als wir ankamen und ich aussteigen wollte sagte Tolga: „Warte ... Sibel bist du sauer?"

„Tolga, ich bin müde und will schlafen", sagte ich ausweichend. Ich hatte wirklich keine Lust jetzt darüber zu reden. Mein Kopf dröhnte und mein Magen rebellierte. Ich wollte einfach nur in mein Bett. Schlafen. Lange schlafen. 

„Okay Süße, schlaf gut. Ich ruf dich morgen an."

Er gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich stieg aus und lief ohne mich nochmal umzudrehen ins Haus. Ich rannte direkt ins Bad und übergab mich. Pinar, die noch wach war stand hinter mir und hielt mich fest. 

„Was hast du Abla (Schwester)?"
„Hab bestimmt was falsches gegessen."
„Soll ich Papa rufen?", fragte sie besorgt.

„Nein! Ist nichts schlimmes, das musste raus, jetzt fühl mich ich besser", versuchte ich sie beruhigen. Ich spülte mein Mund aus und wusch mir die Hände. Pinar stand immer noch im Bad und sah mich besorgt an.

„Hade (Auf) geh schlafen, mir geht's gut. Ich will noch kurz duschen und geh dann auch ins Bett."
„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen du bist schwanger", platzte es aus ihr heraus. Ich warf lachend das Handtuch nach ihr.

„Salak (Idiot) hau ab", rief ich ihr nach während sie aus dem Bad huschte.
Ach wie ich sie liebte, meine kleine Schwester. Sie ist die Einzige, die mir nach so einem Scheiß Tag noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Nachdem ich fertig geduscht hatte, stieg ich in meinen Bademantel und ging in mein Zimmer. Ich föhnte kurz meine langen Haare, streifte mir meinen Pyjama über und legte mich ins Bett. Mein Handy klingelte.

Es war Selma. „Canim, wie war Kino, bist du schon zu Hause?", fragte sie.
„Ja, ich lieg schon im Bett, Kino war ganz okay", antwortete ich.

Wie es aussah hatte Emre ihr nichts von dem Vorfall mit Tolga erzählt. Wir unterhielten uns noch eine Weile, aber erst nachdem ich gefühlte 100 Mal gesagt hatte, dass ich total müde sei und schlafen will, legte sie endlich auf. Tausend Gedanken kreisten in meinen Kopf, die mich davon abhielten einzuschlafen. Ich stand auf und tapste ins Bad. Ich öffnete den Spiegelschrank und fand Papas Schlaftabletten. Er litt schon seit Jahren an Schlafproblemen, und seit Mamas Tod war es besonders schlimm geworden. Ich nahm also eine Kapsel und spülte sie mit einem Glas Wasser herunter. Ich schlich zurück in mein Zimmer und kroch in mein Bett. Nach ein paar Minuten überkam mich dann endlich die Müdigkeit. 

Tolga:

„Alter, das Weib ist voll schlimm, wie ne Nonne!"
Tolga hatte sich mit Kevin in der Shisha Bar getroffen.
„Hab doch gesagt das wird ne harte Nuss," lachte Kevin.

„Ja, harte Nuss .. aber ich werde sie knacken!"

Wütend schlug er auf den Tisch.

„Ruhig Bro, hast ja noch knapp n Monat Zeit."
„Can ist auch voll der Spast, redet von Heirat mit dieser Selma."
 „Ach lass den, der wird das eh nicht durchziehen."

Kevin stand und auf und holte noch was zu trinken.

„Und wie ich dich knacken werde Sibel ... ob du es willst oder nicht", murmelte Tolga vor sich hin.

Sibel:

Am nächsten Tag stand Tolga mit Rosen und Schokolade vor meiner Tür. Pinar und Papa waren einkaufen gegangen, ich war also alleine zu Hause.

„Tut mir leid wegen gestern, Süße. Ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich", entschuldigte er sich wieder.

„Ich bin nicht sauer, Tolga, nur enttäuscht, weil ... ich weiß nicht."

Er umarmte mich und gab mir einen Kuss.
„Es tut mir leid, Süße, ich liebe dich doch. Ich weiß nicht was gestern in mich gefahren ist, du machst mich einfach verrückt. Das wird nicht wieder vorkommen."

Ich lächelte schwach. Tolga strich mir über die Wange.

„Du siehst so blass aus, geht's dir gut Süße?", fragte er besorgt.

Ich war wirklich blass und fühlte mich scheiße, das lag aber an meiner Periode.

„Ach, mir geht's gut, hab nur ein bisschen Bauchschmerzen."

Tolga nickte wissend.
„Soll ich reinkommen und mich um dich kümmern?"
„Nein danke, meine Tante kann jeden Moment kommen", log ich.

Ich wollte nicht, dass er ins Haus kommt. Ich hatte so ein komisches Gefühl im Magen, ich wollte im Moment nicht allein mit ihm sein. Vor allem nicht nach gestern Abend. 

„Okay, dann geh ich lieber Süße, ich ruf dich an."

Er gab mir nochmal einen Kuss und ging dann. Endlich. Ich schloss die Tür und lehnte mich dagegen. Was sollte ich nur machen? Die Szene im Kino gestern beunruhigte mich, mir kamen wieder Selmas Worte in den Kopf. „Er liebt dich nicht, er spielt mit dir."

Liebte ich ihn überhaupt noch? Ich wusste es nicht ...

Die Woche verging wie im Flug, ich nahm mir Zeit um mir über meine Gefühle im Klaren zu werden. Ich wusste nun, was ich wollte ..

Es war Sonntag ich langweilte mich zu Tode. Papa und Pinar waren zu Verwandten gefahren. Ich griff zum Telefon und tippte Selmas Nummer ein.

 „Canim komm zu mir, ich gammel hier vor mich hin", jammerte ich.
„Oh du Arme, ich würde ja gern kommen, aber ich bin mit Mama bei Tante."
„Uff, dann zieh ich mir n paar Filme rein ..."
„Mach das. Ich komm Morgen vorbei, Tamam (okay)."
„Tamam ... ich muss dir nämlich noch was wichtiges erzählen."

Ich legte grade auf, als es an der Tür klingelte. Wer konnte das sein?

Ich öffnete die Tür und hielt den Atem an ... 

Liebe mit HindernissenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt