Fünfundfünzig

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Ich wusste nicht wohin meine Fahrt mich bringen sollte, doch plötzlich fuhr ich an einem kleinen Hotel vorbei. Meine kleine Lösung, mein Zufluchtsort. Wie in Trance hielt ich an, griff nach meiner Tasche und stieg aus dem Auto. Schnurstracks lief ich auf das kleine Hotel am Straßenrand zu. Als ich das Foyer betrat, ging ich direkt auf die Rezeption zu.

„Willkommen, wie kann ich ihnen helfen?", fragte die junge Empfangsdame lächelnd.

„Ich hätte gerne ein Zimmer für eine Nacht.", antwortete ich.

Ich wollte nur ein paar Stunden bleiben und dann wieder nach Hause fahren. Nachdem ich bezahlte, reichte die Frau mir die Schlüssel. Als ich danach greifen wollte, torkelte ich jedoch ein paar Schritte zurück.

Empfangsdame: „Alles okay bei ihnen?"

„Ja .. ja danke mir geht's gut.", erwiderte ich mit zitternder Stimme.

Ich musste mich zusammenreissen, nicht mitten im Foyer in Tränen auszubrechen. Schnell griff ich nach dem Schlüssel und lief ins Zimmer. Dort angekommen schloss ich die Tür und lehnte mich dagegen. Meine Lippen bebten und schon kamen die Tränen. Nach ein paar Minuten warf mich mich dann letztendlich auf's Bett. Ich drückte meine Hände gegen das Gesicht und fühlte wie es schon ganz nass vom Weinen war. Diese ganze Trauer und Wut die in mir war, sie musste raus. Ich kann das nicht mehr! Ich kann nicht immer das starke Mädchen spielen, dass sich von nichts und niemanden unterkriegen lässt. Es war mal wieder so ein Moment, in dem ich mich hilflos fühlte. Mir kame Emres Worte in den Sinn. „Alles wird gut." Wann? Wann verdammt wird alles gut? Ich wollte nicht mehr warten, genug hab ich durchmachen müssen! Diese ganzen Probleme brannten in meiner Seele. Wieso trifft es immer die Leute, die es am wenigstens verdienen? Was hab ich schlechtes getan, dass Allah mich so bestraft? Welche Sünde habe ich begangen? Ich wollte doch nur glücklich sein! Mit Emre, mit meinem Baby, meinen Freunden und meiner Familie. Und jetzt stellt sich heraus, dass meine eigene Schwester .. allein beim Gedanken daran zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Schwer atmend richtete ich mich ein wenig später auf. Mein Magen rebellierte, mir war kotzübel obwohl ich heute kaum was gegessen hatte. Schwankend stand ich auf und ging ins Bad. Nachdem ich mich übergab, spülte ich meinen Mund aus und nahm dann aus meiner Tasche ein paar Abschminktücher. Ich schminkte mich ab und wusch mir dann das Gesicht. Das kalte Wasser tat gut .. langsam hob ich meinen Kopf und sah in den Spiegel. Meine Augen waren schon ganz rot und geschwollen vom Weinen. Ich tapste wieder zum Bett, legte mich hin und fing an vom neuem zu weinen. So viel hatte ich schon in mich hinein gefressen, weinen tat einfach nur gut. Es war ein befreiendes Gefühl. Müde und kraftlos schloss ich meine Augen ...

Stunden später wachte ich auf und wusste für einen kurzen Augenblick nicht wo ich war. Doch dann schaltete sich mein Verstand ein. Pinar und Tolga! Langsam richtete ich mich auf und machte mein Handy an. Fuck! Schon weit nach Mitternacht.. Emre machte sich bestimmt schon Sorgen. Ich hörte kurz meine Mailbox ab.

„Sibel? Wo bist du?"

„Schatz mach mir keine Angst, sag wo du bist!"

„Willst du mich umbringen verdammt?"

Ein paar von vielen Nachrichten die Emre mir hinterlassen hatte. Selma hatte auch angerufen .. und .. Pinar auch. Ich ignorierte es und stand dann auf. Bevor ich das Zimmer verließ ging ich noch kurz ins Bad und band meine Haare, die ein reinstes Chaos waren, zu einem Dutt. Ich schlich den Flur entlang, tapste die Treppe runter zum Foyer und gab den Schlüssel am Empfang ab.

„Ich hoffe sie hatten einen angenehmen Aufenthalt?", fragte die Empfangsdame.

Ich hob meinen Kopf und merkte, dass sie mich neugierig musterte. Ich zwang mich zu einem schwachen Lächeln.

Liebe mit HindernissenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt