Zweiundzwanzig

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Ich riss mein Handy vom Ohr und starrte einen Moment lang ungläubig auf das Display.

Schnell drückte ich auf die rote Taste und legte mein Handy mit zitternden Fingern auf den Nachttisch. Tausende Fragen gingen mir durch den Kopf. Wie zum Teufel war er an meine Nummer gekommen? Und vor allem, wieso? Die schlimmste Frage jedoch war ... was meinte er mit ‚Du entkommst mir nicht Baby.' Ich erschauderte und brach gleich darauf in Tränen aus. Vollkommen kraftlos legte ich mich hin und zog die Knie ein.

Und dann weinte ich mich in den Schlaf ... wie jeden Abend. Das starke Mädchen spielen ... sagt euch das was? Wenn ihr im Alltag immer ein Lächeln im Gesicht habt und vorgibt das alles perfekt sei. Wenn ihr schweigt, weil ihr Angst habt das alles nur noch schlimmer wird. Wenn ihr Abends im Bett liegt und die Tränen fließen, weil euch alles zu viel wird. Kennt ihr das? Ich kenne es - leider! Die Sache mit Tolga zerfrisst mich innerlich. Die Tatsache, dass ich keinerlei Erinnerungen an der Nacht hatte, gab mir zwar ein wenig Kraft, doch trotzdem war da diese Gewissheit. Die Gewissheit, dass er mich beschmutzt hat. Meinen Körper beschmutzt hat. Meine Ehre beschmutzt hat. Es machte mich fertig, obwohl ich es mir selbst nicht eingestehen wollte.

Nach einer, mal wieder, unruhigen Nacht stand ich gegen 5 Uhr Morgens auf. Ich tapste leise ins Bad, und sprang unter die Dusche. Das lauwarme Wasser auf meiner Haut fühlte sich beruhigend an. Es half mir einen klaren Gedanken zu fassen.

„Ich werde reden. Ich werde reden", murmelte ich immer wieder vor mich hin, während ich im Bademantel auf meinem Bett saß und mir die Haare kämmte. Ja, ich würde reden. Aber nicht über die Sache mit Tolga. Dazu hatte ich weder den Mut, noch die Kraft. Die unheimlichen Anrufe von Kevin sollten endlich ein Ende haben. Heute werde ich alle Sorgen vergessen, denn heute wird gefeiert! Ich beschloss nach Selmas Hochzeit mit Emre darüber zu reden. Zusammen würden wir zur Polizei gehen. Zusammen würden wir diese Zeit überstehen. Das hoffte ich. Doch es sollte es ganz anders kommen ..

Unruhig zappelte Selma auf dem Stuhl herum.

„Kimildama kiz. (Beweg dich nicht Mädchen.)"

Die Frisörin warf Selma einen bösen Blick zu.

„Cok heyecanliyim. (Ich bin so aufgeregt). Tut mir leid."

„YaYa beweg dich nur weiter, dann wirst du hässlich und Can will dich nicht", sagte ich. 

Alle fingen an zu lachen, Selma versuchte mich finster anzuschauen, doch auch sie könnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

„Vallah (ich schwöre) wenn Abi dich sieht, wird er umfallen."

Alle Blicke wanderten zu mir. Ich lief rot an. Diese Hexe!

„Ist ja auch ein hübsches Mädchen", hörte ich irgendjemanden sagen.

Meine langen Haare, hatte ich vorne hochtupiert. Meine Locken fielen mir fast bis zu den Hüften. Normalerweise schminkte ich mich stets dezent, doch diesmal hatte ich mich für smokey eyes entschieden. Meine blauen Augen wurden dadurch noch mehr betont.

„Du bist fertig. Geh in den hinteren Raum und zieh dein Kleid an", sagte die Frisörin lächelnd zu Selma. Ich stand auf und begleitete sie. Dann half ich ihr in das Kleid. Ein Traum von Kleid! Es war trägerlos, war an den Brüsten und an den Hüften voller kleiner Swarovski Steine und der Schleier war gute 2 Meter lang. Ich machte einen Schritt zurück und staunte. Meine beste Freundin, meine Seelenverwandte. Sie sah einfach nur Wundervoll aus! Ein Traum in weiß! Meine Augen füllten sich mit Tränen.

„Mashallah (Gott schütze dich)", sagte ich leise.

„Yapma. (Hör auf.) Mama hat genug geweint. Ich kann dich jetzt nicht auch noch weinen sehn, sonst muss ich mitheulen!"

Liebe mit HindernissenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt