Völlig perplex von Tolgas Anblick, starrte ich ihn einige Sekunden erschüttert an.
Er stand geheimnisvoll, mit den Händen in den Hosentaschen vor der Tür. Plötzlich machte es ‚Klick' in meinem Kopf. Als ich die Tür schließen wollte, schob er schnell einen Fuß dazwischen.
„Verschwinde!", knurrte ich wütend. Er grinste nur schelmisch. Mit einem Ruck war er im Haus. Ich machte mehrere Schritte zurück, als er die Tür schloss und langsam näher kam. Lüstern sah er mich von oben bis unten an. Ich bekam Panik.
„Du siehst ... geil aus.", stieß er keuchend hervor.
„Was willst du hier? Emre kommt gleich, geh lieber!", gab ich unsicher zurück. Ich versuchte nicht ängstlich zu klingen, was mir bei Tolgas Blick jedoch nicht wirklich gelang. Nun kam er mit großen Schritten auf mich zu, während ich automatisch rückwärts lief - Sackgasse! Ich stand mit dem Rücken zur Wand. Mein Verstand setzte aus! Ich wollte nach Hilfe schreien, doch mein Mund fühlte sich staubtrocken an.
„Ich wollte dich warnen, warnen vor Kevin. Der Typ ist verrückt nach dir. Genauso wie ich verrückt nach dir bin, Süße", flüsterte er leise. Er sah mich begierig an. Jetzt stand er nur noch Zentimeter von mir weg. Sein Mund näherte sich. Ich holte aus, verpasste ihm eine schallende Ohrfeige und spuckte ihm mitten ins Gesicht.
„Was fällt dir ein du ehrenloses Pack?", schrie ich. Endlich hatte ich meine Stimme wieder gefunden. Seine Augen begannen böse zu funkeln. Blitzschnell packte er meine Arme und drückte mich mit voller Wucht gegen die Wand. Ein stechender Schmerz durchfuhr meinen Körper und ich schnappte nach Luft. Mit der linken Hand hielt er meine Handgelenke über meinem Kopf zusammen. Bewegungsunfähig stand ich da.
„Lass mich los!", zischte ich qualvoll. Ich wollte losbrüllen, doch mit der rechten Hand erstickte er meinen Schrei.
„Mhhmm, wie gut du riechst", schwärmte er, während er mit den Lippen über meinen Hals fuhr. Angewidert verzog ich das Gesicht. Vergeblich versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien. Er war zu stark für mich. Sein Atem roch nach Alkohol.
‚Halt durch Sibel, Emre kommt gleich', flüsterte mein Unterbewusstsein mir zu.
Er nahm die Hand von meinem Mund, ließ sie unter mein Kleid verschwinden und begann die Innenseiten meiner Oberschenkel zu streicheln.
„Wie ich diese Beine vermisst hab ...", keuchte er atemlos.
„Fass mich nicht an! Bitte fass mich nicht an! Lass mich los", flehte ich mittlerweile weinend. Plötzlich hielt er inne, griff nach seinen Kopf und fiel langsam vor mir auf die Knie. Wie aus heiterem Himmel stand Emre vor mir.
„Du verdammten Hurensohn!", schrie er. Überall lagen Splitter. Emre hatte Tolga mit der Vase aus dem Flur außer Gefecht gesetzt! Tolga lag bewusstlos da. Langsam rutschte ich der Wand entlang und sackte schließlich zu Boden. Heulend vergrub ich mein Gesicht in meine Hände. Emre kam auf mich zu und kniete neben mir.
„Ist ja gut, ich bin da. Nicht weinen hayatimin (Mein Leben)", versuchte er mich zu beruhigen. Sanft richtete er mich auf und brachte mich in die Küche. Ich zitterte am ganzen Körper. Was, wenn Emre nicht gekommen wäre? Geschockt versuchte ich den Gedanken aus meinen Kopf zu verdrängen. Er reichte mir ein Glas.
„Hier trink."
„Ist er tot? Da war Blut .."
„Yok (Nein), obwohl er nichts anderes verdient hätte", antwortete Emre.
Plötzlich hörte ich Sirenen vor unserem Haus. Ruckartig stand ich auf. Emre drückte mich liebevoll wieder auf den Stuhl.
„Bleib sitzen, die Nachbarn haben die Polizei angerufen. Ein Krankenwagen ist auch unterwegs."
Ich erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruch und sexueller Nötigung. Ich saß noch eine Weile allein in der Küche, nachdem Tolga abgeführt und zur Behandlung erstmal ins Krankenhaus gebracht wurde. Einigermaßen beruhigt stand ich auf und sah wie Emre das Chaos im Flur beseitigte.
„Lass ich mach das ...", sagte ich leise.
„Bin schon fertig."Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Erneut brach ich in Tränen aus.
„Yapma lütfen (Bitte hör auf), ich kann dich nicht weinen sehn." Er hob zärtlich mein Kinn an und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Es tut mir leid, der Abend ist ruiniert", schluchzte ich enttäuscht. Meine Augen, die geschwollen waren, brannten fürchterlich. Meine Schminke war vom Weinen total verschmiert.
„Der Abend hat erst angefangen, mein Schatz."Er nahm meine Hand und führte mich ins Wohnzimmer.
„Hab ich dir heute schon gesagt, wie wunderschön du bist?", fragte er lächelnd.
Er sah mich wieder mit diesem Blick an, bei dem ich jedes mal aufs neue schmolz. Als ob es eine Selbstverständlichkeit war, wärmte er das Essen in der Küche auf und brachte es ins Wohnzimmer.
„Köstlich, wirst du jeden Tag so gut kochen, wenn wir verheiratet sind?"
Mein Mund klappte leicht auf. Er lächelte mich nur liebevoll an. Nachdem wir fertig gegessen hatten, na ja was heißt wir, ich hatte nach der Frage keinen Bissen mehr runtergekriegt, stand er auf und räumte das Geschirr weg. Als ich helfen wollte sagte er: „Nein, bleib sitzen, ich mach das." Ich gehorchte, war sowieso kaum in der Lage klar zu denken. ‚Wenn wir verheiratet sind?'. War das ein Heiratsantrag? Nein. Oder doch? Nein! ,Hör auf so viel nachzudenken Sibel', hörte ich mein Unterbewusstsein blaffen.
Emre kam ins Wohnzimmer und setze sich neben mich. Dann schlang er den Armen um mich und küsste mich auf die Wange. Er schaltete den Fernseher ein und wir sahen uns eine Türkische Serie an. Immer wieder gab er mir kurze Küsse, auf die Wange, auf den Mund, auf die Schläfe. Ich lächelte ihn verträumt an und kuschelte mich in seine Arme.
„Ich liebe dich", flüsterte er mir leise ins Ohr.
„Ich liebe dich auch, bitte lass mich nie allein." Fast schon ein Flehen meinerseits.Ich weiß nicht, wie lange wir so auf der Couch saßen, irgendwann überkam mich jedoch Müdigkeit. Immer wieder fielen mir die Augen zu. Ich merkte, wie Emre mich auf den Arm nahm und langsam die Treppen in mein Zimmer trug. Er legte mich auf mein Bett, deckte mich zu und gab mir einen Kuss auf den Kopf.
„Schlaf schön Prinzessin", flüsterte er leise. Ich griff nach seiner Hand.
Mit geschlossenen Augen sagte ich: „Bleib. Bitte bleib bei mir!"
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Liebe mit Hindernissen
General FictionSibel ist zwanzig, hat eine jüngere Schwester und einen wundervollen Vater, der sich nach dem plötzlichen Unfalltod der Mutter vor vier Jahren, hervorragend um seine Töchter kümmert. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin, Selma, studiert sie Geschicht...