Die ganze Autofahrt über schwieg ich. In Gedanken versunken starrte ich auf meine Hände. Sie schwitzten. Vor Angst? Ja es war Angst. Kevins Blick ... er war unheimlich. Und dann waren da noch Tolgas Worte. Emres Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Wir sind da."
Ich sah ihn verwirrt an und realisierte, dass wir vor dem Restaurant parkten.
Er stieg aus, kam um den Wagen und machte mir die Tür auf. Erwartungsvoll hielt er mir die Hand hin, ich ergriff sie ohne zu zögern. Ein wohliges Gefühl durchfuhr meinen Körper, wie jedes mal, wenn er mich berührte. Er lächelte mich liebevoll an, führte meine Hand an seinen Mund und küsste zärtlich meinen Handrücken. Ich schwöre, ich verspürte ein Kribbeln in meinem Bauch, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Und das alles von so einem harmlosen Kuss auf die Hand. Ich erwiderte sein Lächeln. Händchenhaltend gingen wir ins Restaurant und setzten uns an einen Tisch ganz in der Ecke. Nach einer Weile rückte Emre mit seinem Stuhl näher ran und legte den Arm mich.
„Hab ich dir heute schon gesagt wie wunderschön du aussiehst?", hauchte er mir ins Ohr.
„Oh ja, aber sowas von wunderschön", gab ich ironisch zurück.
Eine stinknormale Jeans und ein trägerloses Top hatte ich an. Meine Haare waren zu einem unordentlichen Dutt gebunden. Es war einfach unerträglich heiß. Wirklich geschminkt war ich auch nicht, hatte lediglich ein wenig Mascara aufgesetzt. Er gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte: „Ja, so wie immer halt."
Wie aßen die leckere Pasta auf und unterhielten uns währenddessen über das übliche. Der Kellner kam, räumte die Teller weg und fragte ob wir Dessert wollten.
„Willst du Eis?", fragte Emre mich.
„Allahim! (Mein Gott!). Willst du mich fett machen?", rief ich schockiert und legte die Hand auf meinen Bauch. Er lächelte mich vergnügt an. Oder war das ein Auslachen?
„Wenn ich so weiter mache, dann passt mir mein Kleid nicht, ya. Was soll ich dann zu Selmas Hochzeit tragen?"
„Die Rechnung bitte", sagte Emre zum Kellner, der daraufhin verschwand. „Du würdest auch in Lumpen zauberhaft aussehen."
Er sah mich wieder mit diesem Blick an, der so viel sagen sollte wie ‚Das ist mein voller Ernst.'
„Salak (Dummkopf)", sagte ich lächelnd und schüttelte leicht meinen Kopf.
„Und jetzt sag mir was du vorhin hattest, als du aus der Uni gekommen bist."
Mein Lächeln verschwand augenblicklich und mein Körper versteifte sich. Nervös biss ich auf meine Lippen. Er hob ungeduldig die Augenbraue.
„Ich hatte Stress mit Frau Meier, die hat mich vor den anderen blamiert von wegen ich solle nicht so viel Tagträumen", log ich. Oh Gott, was für eine beschissene Lüge. Ich wollte nicht mal Lügen, aber der Gedanken an Tolga ... der Gedanke an Kevin. Wenn Emre davon erfährt, würde er sicher was anstellen. Und das wollte ich mit aller Macht verhindern. Bis über beide Ohren grinste er. Uff, er schien mir zu glauben, denn gleich darauf wechselte er das Thema.
„Nur noch 10 Tage, meine kleine Schwester heiratet."
Seine Stimme klang traurig. Der Kellner brachte die Rechnung, Emre bezahlte.
„Ja ... sie heiratet den Mann, den sie liebt. Das ist das Wichtigste. Can wird sie glücklich machen, da bin ich mir sicher", sagte ich während wir zum Auto liefen.
Er zog mich in seine Arme und schaute mir tief in die Augen.
„So wie ich dich glücklich machen werde?!", flüsterte er leise.
Ich weiß nicht, ob das eine Frage oder eine Feststellung war. Auf jeden Fall wurde mir auf einmal heiß und das lag nicht nur an den 31° Grad, die wir an diesem Tag hatten.
„Das tust du doch schon", antwortete ich leise und senkte meinen Blick.
„Schau mich an."
Ich hob meinen Kopf und sah ihm in die Augen.
„Ich will deine wunderschönen blauen Augen sehen, wenn du mit mir redest."
Er lächelte mich an und gab mir einen kurzen aber innigen Kuss.
„Dreh dich um."
Ich sah ihn fragend an, drehte mich jedoch wortlos um.
Und dann sah ich diese wunderschöne Infinity Halskette vor meinen Augen glitzern.
Er legte sie mir an, küsste meinen Nacken und hauchte mir ein: „Ich liebe dich!" ins Ohr.
Die Vorbereitungen zu Selmas und Cans Hochzeits liefen auf Hochtouren. Alle waren aufgeregt und Selma steckte mich mit ihrer Nervosität an, was meinen Zustand, der ohnehin schon schlecht war, noch verschlimmerte. Die anonymen Anrufe kamen mittlerweile fast stündlich, deshalb beschloss ich die Nummer zu wechseln.
Der Henna Abend war rum, ich fuhr mit Pinar nach Hause. Morgen war es soweit. Meine beste Freundin kommt unter die Haube. Instinktiv griff ich nach meiner Halskette. Beim Gedanken an Emre strahlte ich über das ganze Gesicht.
„Ihr zwei seid auch bald dran, keine Sorge Ablacim (Schwester)", sagte Pinar lächelnd, während ich die Haustür aufschloss.
„Inshallah .. (So Gott will).", erwiderte ich nur leise.
„Ich bin müde, bin mal schlafen. Iyi geceler (Gute nacht)."
„Sanada (Dir auch) mein Schatz."
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und ging auf ihr Zimmer. Da ich ebenfalls sehr müde war und wir am nächsten Morgen früh raus mussten, legte ich mich auch sofort in mein Bett. Um 8 Uhr müssten wir schon beim Frisör sein! Mein Hand klingelte. Ich griff lächelnd nach meinem Handy. Ich dachte es war Emre. Doch als ich auf das Display sah stand da Unbekannte Nummer. Zitternd nahm ich ab.
„Ja?", sagte ich leise. Wir immer nur ein keuchen.
„Wer ist da? Bitte hör auf mich anzurufen, sonst geh ich zur Polizei!"
„Deine Stimme macht mich geil Sibel, weißt du das?"
Ich hielt die Luft an.
„Du kannst deine Nummer ändern, so oft du willst. Du entkommst mir nicht Baby", flüsterte Kevin keuchend ins Handy...
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Liebe mit Hindernissen
General FictionSibel ist zwanzig, hat eine jüngere Schwester und einen wundervollen Vater, der sich nach dem plötzlichen Unfalltod der Mutter vor vier Jahren, hervorragend um seine Töchter kümmert. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin, Selma, studiert sie Geschicht...