4 - Sam

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"Leute, wollen wir da wirklich rein?" frage ich und zeige auf die lange Menschenschlange vor dem Club. "Klar, wollen wir. Das ist der beste Club in ganz Köln." sagt Max." Aber wir müssen bestimmt bis 6 Uhr morgens warten, bis wir reinkommen. Es ist schon halb 1." werfe ich ein.

"Du vergisst, mit wem du hier bist." zwinkert Kate und zieht uns zum Eingang. Dort begrüßen Max und Leon den Türsteher und kurz darauf werden wir durch gewunken. "Wow, daran könnte ich mich gewöhnen." lache ich und folge den dreien in den Club.

In dem Club ist es unglaublich warm, es riecht nach Alkohol und Schweiß. Ich verziehe das Gesicht, aber folge dann den anderen, die sich in eine Ecke. In dem Club gibt es gemütliche Sofas, also kuschele ich mich auf die vielen Kissen und beobachte die tanzenden Menschen. Leon setzt sich neben mich, er grinst mich an, aber es sieht irgendwie gequält aus. "Hey!" sagt er. "Hey." erwidere ich und sehe schüchtern weg.

Neben uns auf dem Sofa sitzen Kate und Max und stecken sich gegenseitig die Zungen in den Hals. Angewidert schüttele ich den Kopf. Leon scheint das bemerkt zu haben, denn er lacht kurz auf. "Das geht ständig so. Die beiden verhalten sich, als wären sie frisch verliebt. Dabei sind sie schon fast drei Jahre lang zusammen." erzählt er und nickt in deren Richtung. Dann sieht er nachdenklich zu Boden und murmelt so etwas wie "Beneidenswert."

Aber auf einmal springt er auf und zieht mich ebenfalls auf die Beine. "Wie wäre es mit ein paar Shots?" fragt er und setzt ein Grinsen auf. "Klingt gut." sage ich und drücke mich an ihm vorbei. Im Vorbeigehen lege ich ihm eine Hand auf die Brust und bemerke, wie durchtrainiert er ist. Ich stocke, aber besinne mich auf mein Vorhaben. Heute Nacht will ich Spaß haben, egal was alle anderen sagen und egal was Matt dazu sagt, der kann mich mal.

Also nehme ich Leons Hand und ziehe ihn durch die tanzenden Leute in Richtung Bar. "Was trinkst du?" frage ich ihn. Er sieht mich immer noch ein wenig überrascht an, dann grinst er. "Tequila!" Ich muss ebenfalls grinsen, dann bestelle ich eine Flasche Tequila und zwei Gläser.

Wenig später stellt uns der Barkeeper zwei Shots auf den Tresen. Ich nehme mein Glas in die Hand und grinse ihn herausfordernd an. "Na dann, Prost!" sage ich und wir stoßen an. Ich merke, wie die kratzige Flüssigkeit meinen Rachen hinunterläuft und schüttele mich kurz. "Du gibst aber ganz schön Gas." sagt Leon neben mir grinsend. "Was dagegen?" frage ich ihn und grinse ihn ebenfalls an. "Nein, ganz und gar nicht." antwortet er und bestellt mit einer Handbewegung zwei weitere Shots. "Also Sam, erzähl mir etwas von dir!" fordert er mich auf und sieht mich gespannt an.

"Also eigentlich gibt es da nicht viel zu erzählen. Ich heiße Sam, bin 21 Jahre alt und wurde in Galway geboren." erzähle ich. "Galway? Der Name kommt mir bekannt vor." sagt Leon nachdenklich, ich muss grinsen. "Wahrscheinlich, weil du den Song von Ed Sheeran schon mal gehört hast. Er singt von einem Mädchen aus Galway." "Stimmt, daher kenne ich das." ruft Leon, dann sieht er mich entsetzt an. "Handelt das Lied von dir?" Ich muss lachen. "Nein, aber tatsächlich kenne ich das Galway Girl, sie ist meine beste Freundin. Ed war letztes Jahr in Galway, weil er dort Urlaub gemacht hat. Wir haben in damals in einer Bar getroffen und Libby und er haben sich auf Anhieb gut verstanden." erkläre ich. "Gut verstanden also?" sagt Leon und zwinkert. "Ja, ziemlich gut. Aber mehr sage ich nicht, die Information könntest du wahrscheinlich für viel Geld verkaufen." antworte ich und schüttele grinsend den Kopf.

"Wo wohnst du denn? Weil du sagtest, du kommst aus Galway. Also bist du wahrscheinlich Irin, warum bist du hier in Deutschland." fragt er. "Hm, gewissermaßen wohne ich hier in Deutschland. Und ich bin Engländerin, meine Mutter ist Engländerin und mein Vater war Ire, deswegen lebten wir in Galway, aber ich bin nur noch zu den Feiertagen und Urlauben in Irland." sage ich. "Vermisst du deine Heimat manchmal?" fragt er mich und seht mich an. "Manchmal, wenn ich alleine bin. Meine ganze Familie lebt dort, ich vermisse sie hin und wieder." murmele ich. Ich versuche mir meine Traurigkeit nicht merken zu lassen. In Wahrheit vermisse ich meine Familie wie verrückt, es tut mir im Herzen weh, dass ich sie nur ein paar Wochen im Jahr sehe. Aber Matt mag meine Familie nicht besonders und auch meine Familie war nie gut auf ihn zu sprechen, außer mein Vater natürlich, er mochte Matt von Anfang an.

"Habe ich etwas Falsches gesagt?" reißt Leon mich aus meinen Gedanken. Du siehst auf einmal so traurig aus. "Nein, alles gut." erwidere ich und setze ein Lächeln auf. Ein wenig skeptisch sieht Leon mich an, aber dann nickt er. "Okay, was wollen wir jetzt machen? Wie wäre es, wenn wir mal Kate und Max suchen gehen? Die beiden sind schon eine ganze Weile verschwunden." sagt er und deutet auf die leeren Sofas, auf denen wir eben noch saßen. "Lass uns nach draußen gehen, dann können wir versuchen sie anzurufen." schlage ich vor und Leon nickt. Als ich Richtung Ausgang gehen will, werde ich zwischen den Menschen eingequetscht. Unschlüssig bleibe ich stehen und sehe zu Leon, der grinsend zu mir rüber sieht. Mach der sich über mich lustig?

Ich verdrehe die Augen. Kein Wunder, er hat schließlich kein Problem damit, sich zwischen den Menschen durch zu boxen, so groß, wie er ist. Da stößt er sich von der Bar ab und kommt zu mir rüber. Er geht an mir vorbei und drückt ein paar Menschen weg, dann dreht er sich zu mir um, nimmt meine Hand und leitet mich zum Ausgang. Ich kann nicht anders, als auf unsere verschränkten Finger zu starren. Irgendwie fühlt sich das ziemlich gut an. Ich merke, wie meine Haut kribbelt. Das liegt bestimmt am Alkohol, wobei so viel habe ich gar nicht getrunken Neben mir räuspert sich Leon, verwirrt sehe ich ihn an. Da wird mir bewusst, dass wir schon längst draußen stehen und ich seine Hand schon längst hätte loslassen können.

"Ich- Ähm sorry." stammele ich und lasse seine Hand los. Leon nickt nur und holt dann sein Handy aus seiner Hosentasche. Er tippt darauf herum und hält sich dann wenig später den Hörer ans Ohr. "Hey Max, wo seid ihr?" fragt er. Ich kann Max Antwort nicht verstehen, also sehe ich mich ein wenig um. Wir seinen auf einem Hinterhof oder so zu sein, denn hier sind kaum Menschen. Nur vereinzelt stehen ein paar Gruppen in einer Ecke und unterhalten sich. "Das ist doch nicht euer Ernst, oder?" höre ich Leons genervte Stimme. Fragend sehe ich ihn an, aber er schaut nur fixiert auf den Boden während er weiterspricht. "Was sollen wir denn jetzt machen? Niemand von uns kann noch fahren und ich nehme mir sicherlich kein Taxi bis nach Bochum. Was habt ihr euch dabei gedacht?" fragt er verärgert. Dann verzieht er das Gesicht. "Oh, Gott. Max, bitte verschone mich mit Details." sagt er dann. Ich kann das erste Mal Max Stimme durch den Hörer hören. Er lacht ziemlich laut, während sein bester Freund sein am liebsten auflegen würde. Ich kann mir vorstellen, was Kate und Max gerade gemacht haben.

"Na, klasse. Okay... Das ist besser als gar nichts. Sehen wir uns morgen?" sagt Leon dann in den Hörer und verabschiedet sich kurz darauf von Max. Als er aufgelegt hat, sehe ich ihn erwartungsvoll an. Leon seufzt. "Also eine gute und eine schlechte Nachricht." "Die schlechte zuerst." entscheide ich. "Kate und Max sind bei ihnen zuhause in Oberhausen, sie hielten es wohl für eine sehr gute Idee, einfach abzuhauen." erzählt Leon und zuckt mit den Schultern. "Und die gute Nachricht?" frage ich dann.

"Naja, Kate hat mal in Köln, nicht weit von hier, gewohnt. Wir können da übernachten, es ist immer noch komplett eingerichtet. Weiß Gott, warum Kate das Haus noch hat. Aber ich denke, es ist die vernünftigste Lösung und immer noch besser, als sich noch ins Taxi zurück nach Gelsenkirchen zu setzen." Ich seufze. "Na klasse. Aber du hast wohl recht, es scheint die beste Lösung zu sein." sage ich und Leon nickt. "Es tut mir leid, dass der Abend so endet." sagt er. "Ist schon okay, das war ja nicht deine Schuld." antworte ich. Leon nickt schwach, dann tippt er wieder auf seinem Handy herum. "Ich rufe uns ein Taxi."

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt