42 - Leon

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Müde streiche ich mir über die Augen. In der Nacht habe ich vielleicht zwei oder drei Stunden geschlafen. Immer wieder musste ich mir den Kopf zerbrechen über Sam und Matt. Ich kann Sam's Entscheidung absolut nicht nachvollziehen. Obwohl ich ihr gesagt habe, dass ich weiß, dass Matt sie betrügt; glaubt Sam mir nicht. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Es scheint, als hätte sie sich wieder komplett vor mir verschlossen und gewährt mir keinen Einlass mehr.

Und ich will wirklich nichts sehnlicher, als wieder auf dieser kleinen Insel auf den Malediven sein. Ich will mit Sam glücklich sein, beziehungsweise wollte ich mit Sam glücklich sein. Anscheinend macht Sam jetzt einfach weiter, als hätte es mich nie gegeben, sie ist zu ihrem Mann zurückgegangen, nach allem was war und nach allem, was zwischen uns passiert ist. Und obwohl das für mich nicht zu verstehen ist, schien sie wieder sehr glücklich zu sein.

Vielleicht hatte Max Recht und ich hätte vorsichtiger sein müssen. Vielleicht wollte Sam sich einfach nur ein wenig Spaß neben ihrer Ehe gönnen und da kam ich ihr einfach sehr gelegen. Ich raufe mir die Haare. Das kann nicht sein. So ist Sam nicht, das würde sie mir nie im Leben antun.

Wobei ihr plötzlicher Kontaktabbruch und das Verhältnis zu ihrem Mann letztens in Düsseldorf erklären. Möglicherweise sind Sam und Matt ja doch glücklich verheiratet und Sam hat nach ein paar Wochen mit mir gemerkt, was sie an ihrem Mann hat.

Ich habe das Gefühl, als müsste ich mich vor Schmerzen krümmen. Ich kann es nicht anders beschreiben, aber die Möglichkeit, dass Sam mich nur ausgenutzt hat, um ein wenig Spaß und Ablenkung zu haben, schmerzt extrem. Und ich weiß, dass ich so nicht weitermachen kann. Bereits nach dem ersten Mal, als Sam und ich geredet haben und sie mich dann weggeschickt hat, hatte ich ein Tief und bin kaum noch rausgegangen; wollte mit mir und meinen Gedanken alleine sein, aber seitdem Sam nun endgültig weg ist, mache ich gar nichts mehr.

Ich war schon ewig nicht mehr beim Training und auch bei den Spielen stand ich nicht mal im Kader. Christian und Domenico waren zum Glück sehr verständnisvoll und haben der Presse erzählt, ich hätte eine Stressreaktion im Oberschenkel, damit niemand was merkt. Ich weiß gar nicht, wie ich dieses Vertrauen seitens meines Managers und meines Trainers je zurückzahlen soll. Die beiden haben sofort bemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt und haben mir frei gegeben.

Es ist eigentlich nicht so, dass ich eine Trennung nicht verkraften könnte, aber hierbei geht es um Sam, das ist größer, als nur irgendeine Trennung, die man nach ein paar Monaten wieder vergessen hat. Ich war teilweise so unglücklich und abgelenkt, dass ich schon im Training Fehler gemacht habe und die Mannschaft dadurch auch unsicher wurde. Also hat Christian mir frei gegeben, um meine Gedanken zu ordnen und meinen Fokus neu zu setzen.

Dazu kommt der wachsende Druck der Medien, wie es um meine vertragliche Situation steht. Jeder will wissen, ob ich bleibe oder wohin ich wechseln werde. Selbst meine Schwester haben diese Papparazzi schon bedrängt, um an Informationen zu kommen und das geht eindeutig zu weit. Ich werde schon bekanntgeben, wenn ich eine Entscheidung getroffen habe. Und ich bin Christian dankbar, dass er mir die Zeit gibt, die ich brauche um über alles nachzudenken.

Er hat mir letztens einen überarbeiteten Vertrag vorgelegt, über den ich genau geguckt habe und ich muss sagen: Die Summe, die dort auf diesem Papier stand, ist nicht von schlechten Eltern. Aber dennoch geht es bei meiner Entscheidung keineswegs um Geld. Ich will mich dort wo ich Fußball spiele auch wohlfühlen können. Mit Leuten, denen ich vertrauen kann und die für mich da sind. Ich brauche nicht viel um glücklich zu sein und ich bin wirklich auch mit weniger zufrieden, aber es muss alles passen, damit ich mich dafür oder dagegen entscheiden kann.

Vor ein paar Monaten hätte ich Christians Vertrag sofort unterschrieben. Ich dachte ja, ich hätte alles, was ich brauche, um glücklich zu sein. Meine Familie ist in der Nähe, zu meinen Teamkollegen habe ich ein gutes Verhältnis und vor allem ist Sam da gewesen. Sie hat alles andere, möge es noch so schlecht gewesen sein, besser gemacht. Wegen ihr wollte ich um jeden Preis hierbleiben, man hätte mich auch mit Pommes+Currywurst bezahlen können. Es wäre mir egal gewesen, Hauptsache Sam ist bei mir.

Es ist paradox, dass nur wenige Monate später, die Welt sich um 180 Grad gewendet hat und Sam jetzt der Grund ist, warum ich mit dem Gedanken spiele, Schalke zu verlassen und in Barcelona, London oder Turin neu anzufangen. Zu groß ist der Schmerz, überall wo ich hingehe, zu denken: "Hier war ich mit Sam" oder "Das haben Sam und ich auch zusammen gemacht" und im Moment erinnert mich jeder einzelne Ort, jede Situation und jeder, dem ich auf dem Trainingsgelände begegne, daran, was ich verloren habe.

Und zu allem Überfluss sind Sam und Matt ja auch neuerdings Sponsoren des Vereins, also werde ich die beiden wohl oder übel öfter sehen, als mir lieb ist und ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Es klingt ein bisschen so, als sei ich zerbrechlich und verwundbar durch die Trennung von Sam geworden, aber ich habe das Gefühl, als sein das genaue Gegenteil eingetreten. Ich fühle mich plötzlich klar, als wenn das alles so vorbestimmt war, dass ich noch keinen Vertrag unterschreiben habe, weil es für mich nicht der richtige Weg ist, hierzubleiben.

Die Angebote von den anderen Klubs sind nicht schlecht und ich müsste lügen, wenn ich sage, dass ich mir nicht bei jedem einzelnen Angebot vorgestellt habe, dorthin zu wechseln. Viele Vereine davon spielen konstant und kontinuierlich auf hohem Niveau, sind jedes Jahr in der Champions League dabei und gewinnen unzählige Titel. Als Fußballer träumt man natürlich von klein auf an, irgendwann mal bei einem so großen Verein zu spielen, der bereit ist, für dich eine so große Summe zu bezahlen, dass dir dabei schwindelig wird.

Bislang habe ich diese Angebote jedoch mit Distanz betrachtet, denn ich weiß auch, was ich an Schalke habe und wieviel ich diesem Verein zu verdanken habe. Es ehrt mich, dass sie bereit sind wegen mir aus ihrer Gehaltskomfortzone herauszukommen und mir einen Vertrag anbieten, der beinahe utopisch ist. Aber wie gesagt, es zählt nicht nur das Geld. Ich will glücklich sein und ich muss für mich herausfinden, wo mir das möglich ist.

Da klingelt es an der Tür. Ich wundere mich, denn eigentlich erwarte ich keinen Besuch und Max hat heute mal einen Tag mit Kate, an dem beide keine Verpflichtungen haben. Deswegen wird er wohl nicht hier aufkreuzen und sollte er es doch machen, dann kann er sich schon mal einen hübschen Grabstein bei Kate aussuchen.

Langsam stehe ich auf und gehe zur Tür. Auf dem Weg dahin bemerke ich, dass es in meiner Wohnung so unordentlich ist, dass ich auf gar keinen Fall Besuch empfangen kann. Lustlos kicke ich eine Sporttasche aus dem Weg, die direkt neben einer alten Pizzaschachtel und einigen von meinen Playstation-Spielen liegt. Kopfschüttelnd öffne ich die Tür und staune nicht schlecht, als ich sehe, wer da vor meiner Tür steht.

"Darf ich reinkommen? Ich muss mit dir reden."

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt