37 - Sam

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"Nein, natürlich nicht! Setzen Sie sich, Mrs. Dawson. Ihr Mann hat Ihnen einen Platz freigehalten." sagt Herr Heidel, als er mich begrüßt. Ich sehe zu Matt, er lächelt mich an. Dann wandert mein Blick zu Leon, der anscheinend Matt gegenübersitzt. Leons Gesichtsausdruck wechselt zwischen Fassungslosigkeit und Unglaube, aber er sagt nichts. Unbehaglich sehe ich auf den Boden und setze mich neben Matt, der mir über den Arm streicht.

"Danke, dass du gekommen bist. Das bedeutet mir viel."  flüstert er mir zu, ich kann nur nicken und starre auf den Teller vor mir. Ich kann nicht anders und sehe auf, direkt in seine Augen, die mich ebenfalls anstarren. Ich weiß nicht wie lange wir Augenkontakt halten, aber es kommt mir vor, als würde die Zeit um uns zum Stehen kommen und uns alle Zeit der Welt zu geben.

In Leons Augen könnte ich so versinken. Aber ich erkenne hinter der Verunsicherung auch große Traurigkeit und mir geht es nicht anders. Keiner von uns sagt etwas und die anderen am Tisch scheinen mit sich selbst beschäftigt zu sein, denn niemand bemerkt, dass Leon und ich uns einfach nur anstarren, als wären wir in einer ganz anderen Welt. Da tippt die Kellnerin Leon auf die Schulter und bietet ihm noch Wein an. Ich sehe zur Seite und fühle mich, als ob ich gerade aus meiner Welt gerissen wurde.

"Mrs. Dawson, wie ich hörte waren Sie bei Ihrer Familie in Irland. Wie war es dort?" der ältere Herr neben Leon sieht mich interessiert an. "Sam, das ist Herr Gartmann, er ist ebenfalls ein Sponsor des Vereins." stellt mir Matt den Mann vor. "Hallo Herr Gartmann, schön Sie kennenzulernen. Ja, ich habe meinen Bruder und dessen Familie besucht." antworte ich dem Herrn und lächele ihn freundlich an.

Da kommt die Kellnerin von eben wieder und stellt Leon ein Glas Wasser auf den Platz. Dann dreht sie sich kurz zu ihm und ich kann es nicht erkennen, aber ich meine, sie hat ihm zugezwinkert. Unbehaglich rutsche ich auf meinem Stuhl herum und bemerke, dass ich auf einmal unglaublich wütend auf diese Kellnerin bin. Was denkt sie denn, wie man sich als Kellnerin verhalten sollte? Die Gäste anzugraben gehört sicherlich nicht zu ihren Aufgaben.

Matt scheint auch auf die Situation aufmerksam geworden sein, denn er lehnt sich vor und hebt Leons Glas an. Darunter kommt doch tatsächlich ein kleiner Zettel zum Vorschein, worauf eine Handynummer geschrieben steht. Schockiert sehe ich das Stück Papier an. Diese kleine B***h... Da fängt Matt auf einmal an zu lachen. Verwirrt sehe ich ihn an.

"Na, da haben wir es ja. Sie können sich wahrscheinlich nicht vor Angeboten retten. Ich habe anscheinend den falschen Beruf gewählt, wenn man als Fußballer solche Privilegien genießt." Matt lacht immer noch, während mir immer noch alles andere als zum Lachen zumute ist. Aber zu meiner Beruhigung scheint Leon auch nicht richtig zu wissen, was er tun soll, er ist ganz rot geworden und starrt den kleinen Zettel an. "Junge, genießen Sie das Leben, solange Sie noch jung sind. Das ist vorbei, sobald Sie verheiratet sind, glauben Sie mir. Mr. Dawson und ich können davon ein Lied singen." lacht nun auch Herr Gartmann.

Ich weiß nicht recht, wie ich jetzt reagieren soll. Aber es scheint im Moment auch niemanden groß zu kümmern, denn sie amüsieren sich ja gerade köstlich darüber, dass Leon eine Handynummer zugesteckt bekommen hat. Wie hypnotisiert starre ich den Zettel an und auf einmal ist es wieder da, dieses schreckliche Gefühl. Ich versuche es zu unterdrücken, denn ich habe das mit Leon beendet und darf keine Ansprüche auf ihn stellen, aber das heißt ja nicht, dass mir das gefallen muss. Okay, zugegeben: Ich bin schrecklich eifersüchtig und ich kann es nicht unterdrücken.

Da passiert etwas, was ich am wenigsten erwartet hätte und zugleich macht es mich fast rasend. Leon nimmt den Zettel und steckt ihn sich in die linke Innentasche seines Sakkos. Fassungslos sehe ich ihn an, er sieht meinen Blick, aber tut so, als hätte er es nicht gesehen. Wütend frage ich mich was das soll und gleichzeitig habe ich das Gefühl, als würde mir jemand die Luft abschnüren.

"Sie entschuldigen mich für einen Moment." sage ich und stehe auf während ich ein falsches Lächeln aufsetze. Schnellen Schrittes gehe ich zu den Toiletten. Dort gehe ich zu den Waschbecken und halte meine Hände unter das fließende Wasser. Das hat eine mehr oder weniger beruhigende Wirkung auf mich. Ich verstehe nicht, warum mir diese Szene so unbehagte, aber ich muss es auf jeden Fall unterbinden.

Ich spritze mir ein wenig Wasser ins Gesicht und mache mich danach wieder frisch. Dann verlasse ich die Toiletten wieder. Mit wieder erstarktem Selbstbewusstsein kehre ich an den Tisch zurück und sehe, dass Leons Platz frei ist. Suchend schaue ich mich um. Da entdecke ich ihn in der Nähe des Tresens. Er steht dort mit der Kellnerin. Die beiden scheinen sich angeregt zu unterhalten, denn sie lachen und sie legt ihm eine Hand auf die Schulter. Missbilligend beobachte ich die beiden und sehe, wie Leon sein Handy herausholt und sie ihre Nummer einspeichert. Wie unnötig, er hat doch ihre Nummer, weil er ihren billigen Zettel eingesteckt hat.

Ich setze mich wieder neben Matt, der sich immer noch mit Herr Gartmann unterhält. Ich beschließe mich jetzt auf Matt zu konzentrieren immerhin bin ich seine Begleitung. Matt legt mir sofort eine Hand auf den Oberschenkel und ich lasse es geschehen, während ich dem Gespräch der beiden lausche. Da kommt Leon wieder und setzt sich auf seinen Stuhl. Ein wenig angepisst sehe ich ihm zu, wie er zu seinem Wasser greift und sich entspannt zurücklehnt. Sein Mund umspielt ein kleines Lächeln, was mich unglaublich wütend macht.

"Wo kommen Sie denn gerade her?" fragt Matt und spielt wohl auf Leons Grinsen an. "Ach, ich habe mich nur frisch gemacht." antwortet Leon, seine Stimme hat einen sarkastischen Unterton, sodass jedem klar ist, wo er gerade war. Matt lacht nur und nickt. "Wenn das so ist." entgegnet er zwinkert Leon zu. Haben die sich gegen mich verschworen?

Aber was Leon kann, kann ich schon lange. Ich lege meine Hand auf Matts Brust, sodass Matt auf mich aufmerksam wird. Fragend sieht er mich an. "Ich freue mich heute hier zu sein." sage ich leise und streiche ihm kurz durchs Haar. Matts Grinsen wird breiter und breiter. Dann lehnt er sich vor und küsst mich kurz.

Als wir uns lösen, werfe ich unauffällig einen Blick zu Leon. Aber der sieht nur angestrengt auf seinen Teller. Auf einmal springt er auf, so plötzlich, dass sogar Herr Gartmann neben ihm aufschreckt. "Junge, nicht so hastig. Was ist denn los?" fragt er Leon aufgewühlt. "Ich glaube, ich muss mich noch einmal frisch machen." antwortet er hastig.

Zufrieden stelle ich fest, dass ihm das doch näher ging, als es zuerst wirkte. Und auch wenn es kein sonderlich fairer Zug war und ich Leon damit wahrscheinlich wehgetan habe, erfüllt es dennoch seinen Zweck. Denn was sollte das mit der Kellnerin? Will er sich gleich die nächstbeste nehmen?! Billig...

Leon sieht noch einmal in die Runde, vermeidet aber den Blick zu mir und eilt dann zu den Toiletten. Kopfschüttelnd drehe ich mich wieder zu Matt. "Man, man, man. Der Junge hat ein Glück. Er hat wahrscheinlich schon wieder einen Zettel zugesteckt bekommen." sagt Matt fast schon anerkennend.

Augenverdrehend setze ich mich wieder normal hin und widme ich mich wieder meinem Essen.

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt