58 - Sam

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Nervös tigere ich vor meinem Kleiderschrank hin und her. Hinter mir auf dem Bett liegen zwei große Koffer. Seit zwei Stunden versuche ich meine Koffer zu packen, aber ich werde immer wieder von Zweifeln gepackt. Einerseits möchte ich nicht hier weg. In den letzten Jahren ist das alles hier mein Zuhause geworden. Ich habe die Leute hier liebgewonnen und selbst das Haus ist mir nicht mehr so fremd und kalt.

Andererseits weiß ich auch, dass wenn ich neu anfangen möchte, eine Auswanderung nach Amerika brauche. Denn alles andere würde mich wieder nach Deutschland zurückführen. Dementsprechend fällt es mir unglaublich schwer, meine Koffer zu packen. Damals als ich Matt geheiratet habe, musste ich ebenfalls meinen Koffer packen, aber damals fiel es mir nicht so schwer, wie heute.

Damals hatte ich keine Wahl, ich musste mit Matt gehen. Aber heute habe ich eine Wahl und genau das macht die Sache so viel schwerer: Ich darf selber entscheiden, was ich möchte. Zumindest teilweise. Und jetzt, wo ich das darf, kann ich es nicht. Es ist paradox, wie das Leben manchmal spielt.

Seufzend setze ich mich auf das Bett. Matt und ich haben die letzten zwei Tagen gemeinsam hier geschlafen, aber es ist so, als wäre es schon wieder ewig her, dass ich Matt zu Gesicht bekommen hab. Er hat viel zu tun mit dem Umzug und gleichzeitig rennt uns seit Tagen die Presse Türen und Fenster ein, nur um irgendein Detail aus unserem Privatleben zu erfahren.

Der Druck, der sich in den letzten Wochen angesammelt hat, kommt auf einmal wieder hoch und ich lasse mich rückwärts auf das Bett fallen. Das alles hätte gar nicht so weit kommen müssen, wenn ich nur von Anfang an richtig verhalten hätte. Nur was ist richtig und was ist falsch? Die Grenzen verschwammen immer mehr und ich wusste nicht, wo mir der Kopf stand.

Matt, Leon, Matt, Leon, Matt, Leon. Wie soll ich denn richtig handeln, wenn ich in einer solchen Situation stecke? Es war von Anfang an zum Scheitern verurteilt und ich wusste das, aber es war mir egal. Vermutlich aus Liebe zu Leon und aus Rache an Matt, aber dennoch ist es passiert und klar, wenn man zurück blickt, dann würde ich einige Sachen ändern.

Ich stehe wieder auf und gehe durch den Raum, präge mir jedes Detail ein und schweife dennoch nicht von meinen Gedanken, die sich nur um Leon und Matt kreisen, ab. Ich bleibe vor dem bodentiefen Spiegel stehen und betrachte mich selber im Spiegel. Ich trage eine schwarze Jeans und ein einfaches weißes T-Shirt. Normal eigentlich, schlicht und einfach. In so einem Outfit fühle ich mich wohl. Aber es ist nicht die Kleidung, die ich tragen sollte bzw. die Matt von mir verlangt.

Ich gehe weiter zur Kommode neben dem Spiegel. Sachte fahre ich mit meinem Finger über das Holz des kleinen Schrankes. Dann öffne die unterste Schublade und taste unter den vielen Decken und Handtüchern nach einem festem Baumwollstoff. Als ich das, was ich suche, zu fassen bekomme, ziehe ich den großen Pullover hervor. Ich rieche an ihm und sofort steigt mir der vertraute Geruch von Leon in die Nase.

Abermals betrachte ich mich im Spiegel. Die Frau, die vor mir steht, ist gefangen in den Leben, das sie lebt. Der Pulli ist die einzige Ausflucht daraus. Aber will ich wirklich weg? Die Konsequenzen, die ich ertragen müsste, wenn ich mich von Matt trennen würde, wären verheerend. Und wenn ich mit ihm gehen würde, erwartet mich ein gesichertes Leben. In einer Gesellschaft, die mich anerkennt und respektiert. Wie soll es werden, wenn ich mich von meinem erfolgreichen Ehemann trenne, um mit einem Fußballspieler zusammen zu sein, bei dem es nicht mal sicher ist, ob er nach dem Sommer überhaupt noch in Deutschland leben wird?!

Zudem habe ich gehört, dass Leon wohl morgen einen Vertrag beim FC Arsenal unterschreiben wird. Also hat er sich wohl entschieden zu wechseln, wenn ich mit Matt nach Amerika fliege. Die Chance in London bei Arsenal zu spielen ist riesig und ich weiß, wie gerne Leon wieder mit Sead zusammenspielen möchte. Arsenal ist genau der richtige Verein für ihn. Aber bin ich bereit Leon freizugeben und entscheide mich für Matt? Ich möchte Leon keine Chance verbauen und gönne ihm seinen Erfolg von ganzem Herzen. Dennoch will ich ihn am liebsten bei mir haben.

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt