18 - Sam

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Als ich auf den Hof unseres Hauses fahre, sehe ich Matts Wagen dort stehen. Oh, das heißt nichts Gutes. Ich parke meinen Wagen neben seinem und betrete das Haus. Ich versuche keinen Lärm zu machen. "Wo warst du?" Matts kalte Stimme peitscht durch den Flur, sodass ich zusammenzucke. "Du hast mich erschreckt." sage ich leise und drehe mich zu ihm um. Er sieht gestresst und überarbeitet aus. Aber er hat wieder diesen gefährlichen Gesichtsausdruck. "Ich... Ich war bei Cole." sage ich dann leise. Cole ist eigentlich gerade dabei sich eine Wohnung anzusehen, ich muss ihm nachher noch schreiben.

"Bei Cole?" Matt schnaubt verächtlich. "Ist er hier, oder was?" fragt er provozierend und lehnt sich gegen den Türrahmen. "Ja, er ist hier. Er sieht sich im Moment Wohnungen an, er will mit Grace und Amber hierherziehen. Näher zu uns." erkläre ich ihm und warte seine Reaktion ab. Matt schüttelt nur leicht seinen Kopf. "Du weißt, dass ich das nicht gut finde?" fragt er, aber es ist mehr eine Aussage. "Ich weiß. Aber du wirst dich damit arrangieren müssen. Er ist schließlich Familie."

"Familie... Genau." Matt macht eine abfällige Handbewegung, um zu verdeutlichen, was er davon hält. Langsam werde ich wütend. "Was ich mit meiner Familie mache und wo sie wohnt geht dich nichts an. Weißt du Matt, ich habe wirklich versucht dich miteinzubinden. Aber allem Anschein nach möchtest du das ja nicht. In Ordnung, das musst du auch nicht, aber wag es nicht, schlecht über meine Familie zu sprechen. Vor allem nicht -vielleicht erinnerst du dich-  wenn deine Familie schuld daran ist, dass meiner Familie ein Mitglied fehlt." sage ich zornig.

Das hat gesessen. Matt sieht schuldbewusst aus und meidet meinen Blick. Die Ereignisse damals haben ihm ebenfalls schwer zu schaffen gemacht und ich gebe ihm in keiner Hinsicht irgendeine Schuld, aber wenn er meine Familie beleidigt, muss er mit so etwas rechnen. Er muss wissen, wo er seine Grenzen hat. Innerlich bin ich stolz auf mich, denn ich habe Matt das erste Mal seit langem widersprochen bzw. überhaupt mal etwas gesagt, was ihm nicht passen könnte.

"Mir reicht's, ich gehe schlafen." sage ich noch. Ich kann meine Wut nicht verbergen und das will ich auch nicht. Matt soll merken, dass ich angepisst bin. Oben ziehe ich mich schnell um. Als ich mir meinen Pulli über den Kopf ziehe, bemerke ich, dass er nach Leon riecht. Lächelnd rieche ich noch einmal daran und atme den Geruch ein. Ich bemerke, wie etwas in meinem Bauch kribbelt und lächele leicht als ich den Pulli betrachte. Dann ziehe ich mir meine Schlafshorts an und ein Top zum Schlafen. Darüber ziehe ich einfach wieder den Pulli von Leon und lege mich ins Bett.

Ich höre wie sich die Schlafzimmertür öffnet und Matt den Raum betritt. Ich liege mit dem Rücken zur Tür, also kann ich Matt nicht sehen. Er scheint zu denken, dass ich schon schlafe, denn er bemüht sich leise zu sein. Dann verschwindet er im Bad um sich bettfertig zu machen. Ich höre wie im Nebenraum das Wasser angestellt wird und kurz darauf steht Matt auch schon wieder vor dem Bett. Schnell schließe ich die Augen und tue so, als würde ich schlafen.

"Ich wollte dir nicht weh tun, es tut mir alles so leid, Sam. Ich wünschte, es wäre anders gelaufen. Für uns beide." flüstert Matt dann und kniet sich vor mich. Ich öffne meine Augen nicht, Matt geht ja davon aus, dass ich schlafe. Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, dann sagt er leise. "Gute Nacht, Sam." Und steht wieder auf. Ich erwarte, dass er sich neben mich legt, aber das geschieht nicht. Stattdessen verlässt Matt das Schlafzimmer. Ich weiß nicht wo er hinwill. Aber wenn ich jetzt aufstehe, wäre es zu auffällig. Ich rolle mich auf den Rücken und starre an die Decke. Diese Situation war schon wieder so anders, als alles andere, was ich sonst mit ihm erlebe.

Leise stehe ich auf und gehe runter, um Matt zu suchen. Die dunklen Treppen sehen bei Nacht unheimlich aus, also beeile ich mich, nach unten zu laufen. Ich finde Matt im Wohnzimmer, er liegt auf dem Sofa, in eine dünne Decke eingewickelt. Er liegt mit dem Rücken zu mir und scheint zu schlafen. Leise setze ich mich auf die vorletzte Stufe der Treppe und starre seinen Rücken an. Ich kann von hier aussehen, wie sich seine Rückenmuskeln beim ausatmen entspannen.

Wann haben wir uns so weit voneinander entfernt? Seit wann reden wir nicht mehr miteinander? Früher waren wir ganz anders. Klar, wir sind jetzt erwachsen geworden und es hat sich einiges verändert, dennoch finde ich es traurig, dass wir uns in so verschiedene Richtungen entwickelt haben. Als wir uns kennenlernten und Zeit miteinander verbracht haben, waren wir unbeschwert und konnten über alles reden. Mittlerweile habe ich das Gefühl als würde ich ihn gar nicht kennen. Es ist schade, denn Matt und ich hätten vielleicht wirklich etwas werden können, aber die Umstände damals haben jegliche mögliche Zuneigung ihm gegenüber zerstört.

Und ich weiß, dass Matt mich geliebt hat, vielleicht habe ich das damals auch, aber unsere Väter haben das alles im Keim erstickt und es ist besser so. Leise stehe ich wieder auf und gehe die Treppe hinauf. Mein Mann Matt ist immer noch mein Mann und wir wissen beide, dass es so bleiben wird, bis wir sterben.

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"Guten Morgen." begrüßt Matt mich, als ich am nächsten Morgen in die Küche komme. Er steht da, nur in seiner Shorts, die er zum Schlafen trägt und einem T-Shirt. Ich erwidere nichts und setze mich an den Küchentisch. Meine Tasse Kaffee steht schon an meinem Platz. Ich muss lächeln, egal, wie sehr Matt und ich uns jemals gestritten haben, er macht mir morgens immer meinen Kaffee, weil er weiß, dass ich ein Morgenmuffel bin.

Da setzt er sich zu mir und nippt ebenfalls an einer Kaffeetasse. "Ich habe morgen einen offiziellen Termin und ich möchte, dass du mich begleitest. Das ist wirklich wichtig für mich." sagt er leise, aber bestimmt. "Wenn es so wichtig für dich ist, komme ich mit." antworte ich und schaffe es ein Lächeln über die Lippen zu bringen. Dankbar sieht Matt mich an. "Was ist das denn für eine wichtige Veranstaltung?" frage ich ihn.

"Es ist keine offizielle Veranstaltung. Du weißt doch noch, vor ein paar Wochen waren wir doch auf einer Gala bei diesem Fußballverein. Ich habe mich dazu entschieden, ins Geschäft einzusteigen und den Verein zu sponsern. Das ist für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Außerdem hatte ich ja keine Ahnung, dass Kathrine Reece ebenfalls dort Sponsorin ist. Das ist alles sehr vielversprechend" erzählt Matt. Mir schwant Übles. "Du meinst nicht Schalke 04, oder?" frage ich vorsichtig. Sollte Matt dort wirklich Geld investieren, würden wir beide öfter da sein. Das heißt, ich sehe Leon öfter. Aber das heißt auch, dass er und Matt sich wahrscheinlich auch kennenlernen oder zumindest über den Weg laufen. Und das wiederum ist gar nicht gut.

"Doch genau, das meine ich, der Verein hat eine Menge wirtschaftliches Potenzial. Ich bin mir sicher..." ich höre ihm nicht weiter zu. Das kann doch nicht wahr sein, ausgerechnet Leons Verein. Es ist wieder typisch... Ich stehe ruckartig vom Tisch auf. "Das ist doch nicht dein Ernst, oder?" frage ich ihn aufgebracht. "Das ist mein voller Ernst. Ich dachte, dir hätte es dort auch gefallen." erwidert Matt unsicher. Nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen. "Doch, mir hat es da gut gefallen. Aber-" "Siehst du, es ist alles halb so wild. Am Samstag ist auch nichts Größeres geplant. Wir sehen uns nur das Spiel und können danach die Mannschaft kennenlernen. Herr Heidel hat das alles für uns organisiert, ist das nicht super?" Matt freut sich sehr darauf, das sehe ich ihm an. Also nicke ich langsam. "Okay, wenn du mich jetzt entschuldigen würdest. Ich muss Cole noch anrufen."

Schnell laufe ich die Treppen hoch, dann gehe ich ins Bad und schließe mich ein. Ich hole mein Handy hervor und suche in meinen Kontakten nach dem Kontakt. Dann tippe ich auf die Nummer meines Bruders. Es klingelt... Als er sich meldet, beginne ich sofort zu sprechen. "Cole? Ich habe ein Problem."

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt