48 - Leon

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"Und du bist dir ganz sicher, dass du das machen willst?" ich höre Jörg durch das Telefon irgendwelche Papiere blättern. "Ich meine, die Zahlen sind nicht schlecht, aber hast du nicht vor ein paar Wochen noch gesagt, dass du bleiben willst? Christian hat extra Sponsorengelder zusammengekratzt, um mit dir zu verlängern." "Ich habe mir es anders überlegt und bin mir sicher, dass das Richtige ist. Ich kann so nicht mehr weitermachen."

"Ich kann dir natürlich die Entscheidung nicht abnehmen und werde das, was du möchtest akzeptieren, aber ich bitte dich, genau darüber nachzudenken, ja?" bittet mich mein Berater abermals und man hört die Besorgnis in seiner Stimme. "Ja, versprochen." bestätige ich ihm, obwohl ich weiß, dass meine Entscheidung feststeht. "Na gut, dann sehen wir uns morgen? Die Angebote aus England werden konkreter und wenn du es schnell über die Bühne haben möchtest, könntest du es eventuell schon in zwei Wochen offiziell machen." berichtet Jörg mir und verabschiedet sich dann von mir.

Als ich den roten Hörer drücke, klingelt es an der Tür. Vor der Tür steht Sophia mit zwei großen Einkaufstüten und einem breiten Grinsen im Gesicht. Schnell nehme ich ihr die Tüten ab und trage sie ins Wohnzimmer. "Was hast du mit den ganzen Sachen vor?" frage ich sie. Als ich die Tüten öffne kommen eine Menge Lebensmittel zum Vorschein, das reicht locker für ein Drei-Gänge-Menü mit sechs bis acht Gästen.

"Ich dachte wir kochen etwas Schönes und laden deine Freunde ein. Du hast in letzter Zeit so viel von Grace und Cole erzählt, vielleicht wollen die beiden mit ihrer Tochter vorbeikommen und möglicherweise kannst du Sam ja auch einladen." sagt sie und sieht mich unschuldig an, obwohl wir beide genau wissen, was sie damit bezweckt.

Ich stöhne auf. "Das ist nicht dein Ernst." "Doch das ist mein voller Ernst. Du musst mal wieder unter Leute kommen und Grace und Cole freuen sich bestimmt, etwas von dir zu hören. Du musst ja nicht unbedingt Sam einladen." Sophia nickt und räumt weiter ihre Einkäufe aus. "Du kannst nicht vor allem weglaufen, nur weil Sam nicht mehr da ist. Du musst weitermachen." sagt sie und sieht mich nachdrücklich an und ich weiß, dass da nicht mehr drumherum komme. "In Ordnung, dann schreibe ich Cole mal."  erwidere ich und ziehe mein Handy aus der Hosentasche.

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"Hallo! Hier riecht es aber gut, hast du schon ohne uns angefangen?" Grace umarmt mich überschwänglich. "Grace hat Recht, es riecht wahnsinnig gut, aber hast du uns nicht eingeladen, um gemeinsam zu kochen? Und jetzt machst du die ganze Arbeit allein?" lachend begrüßt mich Cole und überreicht mir eine Flasche Wein. "Dankeschön. Kommt doch rein. Bis jetzt ist nur die Suppe fertig, wir haben noch eine Menge zu tun." antworte ich. "Leon!" eine zarte Kinderstimme schallt durch den Raum und ich sehe Amber auf mich zu laufen.

"Amber! Na wie geht es dir?" ich nehme sie auf den Arm und stupse ihre Nase. "Mir geht es gut, können wir gleich spielen?" fragt sie und sieht mich mit Hundeaugen an. "Wie könnte ich da 'Nein' sagen? Aber erst müssen wir noch zusammen kochen und essen." sage ich und Amber nickt. "Darf ich auch helfen?" "Klar, frag am besten Sophia, was du machen kannst." schlage ich vor und lasse sie wieder runter. "Sophia?" fragt Amber.

"Ja, Sophia ist eine gute Freundin von mir. Sie freut sich schon dich kennen zu lernen." erzähle ich und wie auf Kommando steht Sophia in der Tür. "Oh, ihr seid schon da? Dann hätte ich mich noch schnell umgezogen." sagt sie ein wenig peinlich berührt, immerhin lernt sie Cole und Grace heute erst kennen. Sie sieht an sich herunter. Sie trägt eine Jogginghose und eines meiner T-Shirts, weil eben ein wenig von dem Ketchup auf ihr Shirt gekommen ist.

"Ähm ja, egal. Schön, euch kennenzulernen." sagt sie und schüttelt dann beiden die Hände. Amber versteckt sich hinter meinen Beinen und sieht sie ängstlich an. "Amber ist sehr schüchtern, denk dir nichts dabei. Sie muss erst auftauen." erklärt Grace ihr und Sophia nickt. "Dann wollen wir mal anfangen, Grace hilfst du mir mit den Nudeln?" fragt sie Grace und diese folgt ihr in die Küche.

Ich will den beiden folgen, aber Cole hält mich zurück. "Wer ist das?" fragt er mich ein wenig beunruhigt. "Das ist Sophia, es war ihre Idee mit dem Kochen." erkläre ich ihm. "Aber was macht sie hier?" fragt Cole mich eindrücklich. "Ich weiß nicht, was du meinst." "Warum ist hier eine Frau in deiner Wohnung, die sich offensichtlich sehr wohl und vertraut hier fühlt und zu allem Überfluss auch noch deine Klamotten trägt?" Cole sieht mich an, sein Blick ist eine Mischung aus Verständnislosigkeit und Enttäuschung. Da geht mir ein Licht auf.

"Sophia ist eine gute Freundin, nicht mehr und nicht weniger. Ehrlich. Aber selbst wenn etwas zwischen mir und Sophia laufen würde, wäre es der richtige Schritt, denn ich werde jetzt weitermachen und das Ganze irgendwie verarbeiten." sage ich und ich meine es auch so. Cole nickt. "Das kann ich verstehen, auch wenn ich immer dachte, du und Sam, ihr rafft euch nochmal zusammen." ich nicke. "Das habe ich auch gedacht, aber es ist an der Zeit loszulassen."

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"Das Essen war wahnsinnig gut. Woher kennst du diese ganzen Rezepte?" Grace und Sophia unterhalten sich über das Essen und Cole und ich lauschen einfach nur der Konversation. Ich habe das Gefühl, dass die beiden Sophia ein wenig argwöhnisch betrachten, als würden sie ihr nicht wirklich über den Weg trauen. Grace versucht sie regelrecht zu verhören, aber Sophia beantwortet ihre Fragen souverän und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Ich weiß nicht, ob die anderen das auch spüren, aber irgendwie ist die Situation angespannt.

Cole nippt an seinem Bier und beobachtet jede Bewegung von Sophia. Grace und Sophia unterhalten sich immer noch, aber ich sehe wie Grace ihr ab und zu einen misstrauischen Seitenblick zu wirft. Da bemerke ich, wie Amber mir am Pulli zieht. "Leon, können wir spielen?" fragt sie mich. Ich sehe einmal in die Runde, Grace nickt. Also stehe ich auf und nehme Amber an die Hand. "Wie wäre es, wenn wir die Spielekiste von meiner Nichte aus dem Keller holen?" frage ich und Amber nickt aufgeregt.

Nachdem ich geschlagene zwei Stunden damit zugebracht habe mit Amber 'Prinz und Prinzessin' zu spielen und dabei die Zeit aus den Augen verloren habe, bemerke ich, dass Amber gähnt. Ich sehe auf die Uhr. Es ist schon halb elf, kein Wunder, dass Amber müde ist. "Möchtest du dich nicht schlafen legen?" frage ich sie, aber Amber schüttelt vehement den Kopf. "Noch weiterspielen." sagt sie und greift sich energisch eine Puppe. Aber wenig später fallen ihr fast die Augen zu.

Ich nehme sie vorsichtig auf den Arm. Da ich kein Kinderbett oder so habe, trage ich sie einfach in mein Schlafzimmer und lege sie in mein Bett. Als ich sie zudecke, schlägt sie ihre Augen auf. Ich setze mich zu ihr. "Leon?" fragt sie leise. "Ja?" ich streiche ihr sanft durch ihre Locken. "Wenn der Prinz weggeht, dann kann er die Prinzessin ja gar nicht mehr heiraten." sagt sie besorgt. "Ich bin mir sicher, dass der Prinz immer wieder zu seiner Prinzessin zurückkommen wird." antworte ich.

"Und wenn der Prinz eine andere Frau trifft? Und diese Frau der Prinzessin ihren Prinzen wegschnappen will?" fragt Amber. "Wenn die Prinzessin und der Prinz für einander bestimmt sind, dann wird der Prinz seiner Prinzessin immer treu sein und niemals eine andere Frau lieben." erkläre ich ihr. Amber nickt, es sieht so aus, als würde sie über etwas nachdenken.

"Leon?" fragt sie mich und sieht mich wieder mit ihrem Hundeblick an. "Ja, Amber?" sage ich. "Ich mag Sophia nicht." erstaunt sehe ich sie an, sie richtet sich ein bisschen auf und einen sehr ernsten Gesichtsausdruck. "Warum das denn nicht?" frage ich sie, aber sie ignoriert meine Frage. "Wirst du Sammy auch immer treu sein? Weil ich glaube, sie hat Angst, dass du sie gar nicht liebst." sagt sie dann todernst.

Perplex weiß ich gar nicht, was ich antworten soll. Ich hätte Amber nicht zugetraut, dass sie die Situation so mitbekommt und versteht. "Du solltest jetzt schlafen." erwidere ich nur und decke sie noch einmal richtig zu. Dann gebe ich ihr noch einen Kuss auf die Wange. Amber kuschelt sich in die Decke. Ich erhebe mich und will den Raum verlassen. "Leon?" höre ich ihre zarte Stimme abermals.

"Versprichst du mir, dass du wieder zu deiner Prinzessin zurückkehrst?" fragt sie leise. Ich drehe mich zu ihr um. "Versprochen." sage ich und schließe die Tür.

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt