32 - Sam

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"Sam, sieh mal da oben!" amüsiert folge ich Matt's Blick, der Richtung Himmel geht. Dort oben fliegt ein Heißluftballon, er kommt dem Boden immer näher. "Wow." bringe ich hervor. "Hast du Lust damit ein bisschen den Sonnenuntergang zu beobachten?" fragt mich Matt und sieht mich sanft an. "Nein?! Wirklich? Können wir damit fliegen?" "Dafür habe ich ihn gebucht, ja." grinst Matt. "Das ist ja... Ich meine, ein Heißluftballon?! Ich liebe die Dinger!" rufe ich euphorisch.

Matt ist in den letzten Tagen sehr aufmerksam und lieb gewesen. Nachdem ich ihm zugesichert hatte, dass ich wenigstens darüber nachdenke, ihm noch eine Chance zu geben und an unserer Ehe arbeiten will, hängt er sich wirklich rein und gibt sich Mühe. So viel Zeit wie in den letzten vier Tagen habe ich noch nie am Stück mit Matt verbracht und ich muss sagen, dass ich die Zeit wirklich genießen konnte.

Klar spukt mir Leon die ganze Zeit im Kopf herum und ich wollte ihm schon längst geschrieben haben, aber irgendwie fühlt es sich komisch an, diese beiden Welten zu vermischen. Und gleichzeitig weiß ich, dass es Leon gegenüber alles andere als fair ist. Bald muss Matt wieder einmal geschäftlich nach Amerika und ich hatte geplant, die Zeit bis dahin mit ihm zu verbringen um mir sicher zu sein und mich in meinem eigentlichen Vorhaben zu bestätigen.

Denn meine eigentliche Intention war es, nur zu Matt zurückzukehren, um ihm von Leon zu erzählen und mich von ihm zu trennen. Aber seitdem Matt mir eröffnet hat, dass er auch nicht ganz mit unserer Ehe zufrieden ist und er gewillt ist, daran zu arbeiten, zweifele ich schon daran, ob mein Handeln nicht vielleicht überstürzt wäre. Ich werde die Zeit, in der Matt hier ist, nutzen um mir über das Ganze klar zu werden und zu entscheiden, was ich will.

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"Die Ballonfahrt hat wirklich Spaß gemacht. Danke, dass du das organisiert hast." bedanke ich mich bei Matt, als wir wieder im Auto sitzen. "Es freut mich, dass es dir gefallen hat." erwidert Matt. "Ich hatte gehofft, dir würde es gefallen." fügt er hinzu. Ich nicke. Da wir ziemlich weit außerhalb der Stadt wohnen, dauert die Fahrt bestimmt eine halbe Stunde, also hole ich mein Handy heraus. Ich habe etliche Nachrichten von Grace und Cole.

Nachdem ich sie noch an dem Tag, an dem ich mit Matt über unsere Ehe gesprochen habe, angerufen habe und ihnen meine Situation erklärt habe, schreiben sie mir täglich, ob es etwas Neues gibt. Dabei habe ich mit den beiden besprochen, dass ich erst warten will, bis Matt wieder auf Geschäftsreise fährt und ich mir über meine Gedanken und Gefühle klarwerden kann.

Da sehe ich, dass Leon mir ebenfalls geschrieben hat. 'Ist alles in Ordnung?' das hat er mir schon gestern geschrieben, aber irgendwie habe ich es nicht gesehen. Kurz darauf hat er mir noch eine weitere Nachricht geschrieben. 'Sam? Ich mache mir Sorgen. Warum meldest du dich nicht?' Mist. Ich habe es wieder verpennt, ihm zu antworten.

'Es ist alles in Ordnung, ich muss sehr bald mit dir reden.' antworte ich ihm und packe mein Handy wieder weg. "War das Rachel?" fragt Matt und sieht weiter auf die Straße. "Nein, das war Cole. Ich soll dich grüßen." lüge ich. "Danke." antwortet er und legt seine freie Hand auf meinen Oberschenkel. Ich lasse es geschehen, auch wenn es irgendwie unbehaglich ist.

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Als Matt den Wagen auf dem Hof parkt, klettere ich schnell aus dem Wagen und laufe zum Haus. Dort angekommen, gehe ich sofort die Treppe hinauf, um mich dann ins Bett zu legen. Leon und Matt schwirren mir im Kopf herum. Zum einen bin ich mir ziemlich sicher, dass ich Leon mag. Sehr sogar. Dennoch haben mir die letzten Tage gezeigt, warum ich Matt damals so gemocht habe und es immer noch ein wenig tue.

Ich weiß nicht, was ich tun soll. Es ist ja auch eine schwierige Situation für alle. Dennoch weiß ich auch, dass ich auf kurz oder lang eine Entscheidung treffen muss. Und diese Entscheidung wird von so vielen Faktoren beeinflusst. Ich muss auf so viele Dinge Rücksicht nehmen.

Zum einen auf Matt und seine Stellung in der Upper Class-Gesellschaft, deswegen wurde diese Ehe ja überhaupt eingefädelt. Ich kann ihn nicht einfach hängen lassen. Auch wenn bei uns beiden, damals wie heute, womöglich nicht genug Gefühle füreinander da sind. Aber Matt will uns noch einmal eine Chance geben und er ist sich offensichtlich darüber im Klaren, was das heißt. Und außerdem mag ich Matt ja auch, wir waren und sind ja auch irgendwie befreundet.

Ganz anders ist es mit Leon, der immer wieder meine kompletten Gedanken in Beschlag nimmt... Es könnte alles so schön sein. Ich meine, es klingt fast wie ein Klischee. Mädchen trifft Junge, sie laufen sich unter den seltsamsten Umständen über den Weg und kommen sich schließlich näher. Nur leider ist es bei uns so viel komplizierter und schwieriger. Es funktioniert einfach nicht so wie man es gerne hätte. Auch wenn diese Anziehung mehr als real ist.

Cole und Grace würden mich bei allem unterstützen, egal, wie ich mich entscheiden würde. Dafür bin ich den beiden unglaublich dankbar. Denn zu den Grace und Cole kann ich immer kommen, wenn mich etwas belastet oder wenn ich Probleme habe. Ich hoffe, die beiden helfen können mir auch bei dieser Entscheidung helfen.

Und meine Mutter würde mich ja am liebsten bis zu meinem Lebensende mit Matt zusammen sehen. Es will einfach nicht in ihren Kopf und ich glaube, ich muss mir keine großen Hoffnungen machen, dass Mum ihre Meinung dazu jemals ändert. Und trotzdem möchte ich meine Mutter nicht enttäuschen, ich war immer schon ein braves Mädchen. Ich habe meinen Eltern gehorcht und immer das getan, was mir gesagt wurde. Ob es Klavier spielen oder irgendwelche Mathewettbewerbe waren, ich habe immer alles gemacht, was von mir verlangt wurde.

Und jetzt muss ich mich entscheiden, ich komme nicht drum herum. Und je früher ich mich entscheide, desto weniger Gefühle werden verletzt. Ich muss das Richtige tun, ich will das Richtige tun. Nur, was ist das Richtige?

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt