29 - Leon

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Die Tage sind wie im Flug vergangen. Sam und ich haben eine Menge erlebt. Von Jetski fahren über Tauchen mit Fischen oder Shoppen in der nächstgelegenen Stadt. Und ich muss sagen, ich habe jeden einzelnen Augenblick genossen. Ich merke richtig, wie mir die Zeit gutgetan hat. Es ist viel schöner, ungezwungen den Tag starten zu können und irgendwelche Aktivitäten zu planen oder mit Sam einen Tag einfach mal nur im Pool zu verbringen.

Weit weg von Verpflichtungen, Stress und Ehemännern. Ich könnte für immer hierbleiben. Sam macht mein Leben besser. Ich werde von einem Klopfen in meinen Gedanken unterbrochen. "Guten Morgen, Leon. Wir bringen das Frühstück." "Guten Morgen. Kommt rein." Mit Ethan und Ian sind wir mittlerweile ganz gut befreundet. Wir waren sogar mit den beiden einen Abend unterwegs und sie haben uns die Geheimtipps der Insel gezeigt.

"Sam? Das Essen ist da." rufe ich nach oben, denn Sam wollte sich etwas anderes anziehen. "Ich bin schon da." erwidert Sam und kommt die Treppe hinunter. "Oh hey, Ethan und Ian. Esst ihr mit uns?" fragt sie und legt einen Arm um mich, als sie unten angekommen ist. "Wir würden gerne, Sam, aber wir müssen noch ein paar Gerichte servieren." antwortet Ethan. "Schade." antwortet Sam. "Wie wäre es, wenn wir stattdessen heute Abend losziehen und noch einmal ordentlich feiern bevor ihr morgen wieder nach Hause fahrt." schlägt Ian vor.

"Klingt gut, schreibt uns die Daten und wir werden da sein." antwortet Sam. Ethan und Ian verabschieden sich und ziehen weiter während wir uns zum Essen bewegen. Seit elf Tagen essen wir eigentlich nur draußen auf der Terrasse. Denn der Blick von dort ist atemberaubend schön und gleichzeitig hat man die Sonne, das Meer... Man hat alles um sich.

Da fällt mein Blick auf Sam, die wahrscheinlich genauso nachdenklich ist wie ich. Heute Nacht fliegen wir zurück nach Hause und wir gehen beide wieder unseren gewohnten Weg. Getrennt voneinander. Das Thema hat mich in den letzten Tagen öfter beschäftigt, aber es wurde akuter, je näher wir unserem letzten Tag kamen. Ich will nicht, dass wir uns am Flughafen verabschieden und dann erstmal zwei bis drei Wochen nichts voneinander hören.

Wenn mir eins während dieser Tage in Irland und auch hier klargeworden ist, dann dass ich Sam immer bei mir haben möchte und nicht nur ein, zwei Tage, wenn sie sich mal von zuhause loseisen kann. Das reicht mir nicht und ich kann das auch nicht. Ich weiß, Sam vor diese Entscheidung zu stellen ist hart, aber ich brauche auch meine Gewissheit und Sicherheit, was jetzt mit uns ist. Denn ich bin mir sicher, was meine Gefühle angeht.

Ich werde sie darauf ansprechen, wenn wir wieder in Deutschland sind, denn ich möchte die letzten Stunden, in denen ich Sam für mich alleine habe, auskosten. Jede einzelne Minute davon.

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"Ich will hier nicht weg." "Was?" fragend sehe ich Sam an. Sie hat so leise gesprochen, ich dachte, ich hätte mich verhört. "Ich möchte hier nicht weg." sagt Sam und sieht aus dem kleinen Fenster des Flugzeugs. "Ich werde es vermissen. Das Essen auf der Terrasse, Ethan und Ian, die Rutsche, aber am meisten, dass wir die ganze Zeit zusammen waren." fügt sie leise hinzu. Sie ist richtig traurig, es zerreißt mir das Herz. Ich möchte nicht, dass sie traurig ist. Ich lege einen Arm um sie und gebe ihr einen Kuss auf den Scheitel. "Ich werde es auch vermissen." gebe ich zu.

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Ich öffne die Flughafentüren und lasse Sam durchgehen. Jetzt ist der Moment gekommen, den ich versuchte habe in meinen Gedanken zu überspielen. Sam wird jetzt nach Düsseldorf zurückfahren und ich fahre zurück nach Bochum. Traurig sehe ich zu Sam, die mit ähnlich traurigen Blick auf ihr Handy starrt. Ich trete zu ihr und umarme sie, sie schmiegt sich an mich und legt ihren Kopf auf meine Brust. "Ich will nicht nach Hause fahren." nuschelt Sam gegen meine Brust. "Ich will auch nicht, dass du nach Hause fährst."

Sie sagt es, als hätten wir eine Wahl, aber wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Wir lösen uns voneinander und ich halte Sam ein Taxi an. Dann packe ich ihre Koffer in den Kofferraum und bezahle das Taxi im Voraus. Danach gehe ich wieder zu Sam, die noch neben dem Taxi steht und mich traurig ansieht. "Guck mich bitte nicht so an." bitte ich sie traurig, denn wenn ich Sam's großen traurigen Augen sehe, will ich sie am liebsten packen und mit zu mir nach Hause nehmen. Mir, sowie ihr, stehen buchstäblich die Tränen in den Augen und keiner weiß wirklich, was er als nächstes machen soll. Also breite ich einfach meine Arme aus und sofort liegt Sam in meiner Umarmung.

Dann sieht sie auf und ich sehe ihr tief in die Augen. Was ich sehe, jagt mir einen Schauer über den Rücken, so viele Emotionen. Trauer, Zuneigung, Verzweiflung. Und tatsächlich fühlt es sich ein wenig wie eine Trennung an. Ich löse meine Arme von ihrer Hüfte und umfasse ihr Gesicht. Sie ist wunderschön. Ich kann es jedes Mal kaum glauben, wenn ich sie ansehe, wie ein Mensch so schön sein kann.

Ein letztes Mal senke ich meine Lippen auf ihre und versuche in diesem Moment so viele Emotionen aufzunehmen, als müsste es als ein Vorrat dienen. Ich bemerke, wie Sam eine Träne über die Wange läuft, mit dem Daumen wische ich sie weg. "Nicht weinen, okay?" sage ich brüchig und muss selber fast losheulen wie ein Schlosshund. Ich weiß nicht, was diese Frau mit mir macht, aber ich kann es nicht steuern. Es ist, als wäre mein Verstand komplett ausgesetzt und mein Herz hat die Kontrolle übernommen.

Der Taxifahrer sieht uns mitleidig an, als wüsste er genau, was los ist. Vorsichtig lasse ich Sam los und Sam geht zum Taxi, kurz bevor sie einsteigt, bleibt sie stehen. Dann kommt sie noch einmal schnell zu mir zurück und drückt mir einen Kuss auf die Lippen, so schnell, dass ich kaum erwidern kann. "Ich werde dich schrecklich vermissen." sagt sie. "Ich dich auch." antworte ich. Und als Sam dann wirklich einsteigt, sträubt sich jede Zelle meines Körpers dagegen, diese Tür zu schließen und dennoch mache ich es.

Ich sehe dem Taxi lange hinterher, auch als ich es nicht mehr sehen kann. Irgendwie versuche ich das Gefühl zu bewahren, als sie noch bei mir war. Weil ich nicht realisieren kann, dass sie jetzt weg ist und ich sie jetzt nicht mehr jeden Tag nach dem Aufwachen sehen kann.

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt