49 - Sam

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Ich setze meine Sonnenbrille auf und starte den Wagen. Matt und ich treffen uns gleich an der Geschäftsstelle auf Schalke, da er irgendeinen Vertrag abgeben möchte. Und da Matt erst vor ein paar Stunden aus Amerika zurückgekehrt ist, treffen wir uns direkt dort. Den Weg nach Gelsenkirchen habe ich schnell überwunden, denn von Düsseldorf ist es praktisch ein Katzensprung bis zum Vereinsgelände.

Als ich angekommen bin, steige ich aus dem Wagen aus und laufe zu Christians Büro. Matt hat mir so gut es ging den Weg beschrieben, aber irgendwie sieht alles gleich aus. Ich laufe durch Büroräume und Fitnessstudios. Leute kommen mir entgegen, aber ich traue mich nicht, einen von ihnen anzusprechen. Also suche ich weiter.

Ich gehe eine Treppe hinunter und sehe wieder nur Büroräume. Langsam gehe ich die ellenlangen Gänge entlang. Plötzlich stoße ich mit jemandem zusammen. "Oh Mist, entschuldige bitte." höre ich, wie sich die andere Person entschuldigt. "Schon okay." erwidere ich und sehe auf.

Da erkenne ich, dass ich gerade mit Max zusammengestoßen bin. "Sam! Hallo! Was machst du denn hier?" sagt er freudig und umarmt mich. "Hey Max, schön dich wiederzusehen." erwidere ich. "Ich muss hier nur was abgeben." "Und du scheinst dich verlaufen zu haben? Denn das hier ist der Spielerbereich. Oder möchtest du Leon besuchen?" fragt er mich.

Ich klatsche mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Ich habe absolut nicht daran gedacht, dass ich Leon hier treffen könnte. "Ähm nein, ich wollte wirklich nur etwas abgeben. Und hoffentlich nicht auf Leon treffen." den letzten Satz flüstere ich nur und hoffe, dass Max es nicht ganz versteht. Aber Max hat mich natürlich ganz genau verstanden und zieht misstrauisch eine Augenbraue hoch.

"Ähm, ich weiß nicht genau, was vorgefallen ist, denn Leon will mir nichts verraten, aber ich hoffe, dass alles wieder in Ordnung kommt." sagt er zögerlich. Ich nicke. Ich hoffe es auch, aber ich denke nicht, dass das wieder gerade gebogen werden kann. "Kannst du mir vielleicht helfen, das Büro von Christian Heidel zu finden?" bitte ich ihn.

Max führt mich die Gänge entlang und ich sehe überall Leute, die hektisch herumlaufen. Als wir ankommen, sehe ich schon Matt vor der Tür stehen. Er unterhält sich mit Christian. Auch die beiden wirken gestresst und tauschen panische Blicke aus. Matt hat schon wieder diesen gruseligen Blick drauf, den er nur hat, wenn sich über etwas aufregt. Anscheinend ist etwas nicht gut oder die beiden haben ein Problem mit ihrem Deal.

Ich bedanke mich bei Max, der wegen mir zu spät zum Training kommt und gehe zu Matt. Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter. Er dreht sich zu mir um und schenkt mir ein gestresstes Lächeln. "Hey, schön, dass du da bist." sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich begrüße Christian ebenfalls, auch er hat Augenringe unter den Augen und wirkt nicht so ausgeglichen wie ich kennengelernt habe.

"Hallo Frau Dawson. Es freut mich, dass Sie gekommen sind. Ihr Mann und ich waren besorgt, Sie hätten sich verlaufen." sagt er und grinst. "Ja, das habe ich auch, aber Max hat mir geholfen." antworte ich und Christan nickt. "Schön, wollen wir dann?" fragt er und geleitet uns zu seinem Büro. Wir nehmen vor dem großen Schreibtisch Platz und sehen ihn erwartungsvoll an.

Christian räuspert sich. "Es ist leider nicht alles so gelaufen, wie es sollte. Ich war der Überzeugung, dass wir mehr Spieler halten können und diese auf Schalke verlängern würden. Aber im Moment sieht es so aus, als würden uns die Spieler verlassen, wie die Hummeln ihr Nest." Christian sieht verzweifelt aus. Man merkt, dass er in letzter Zeit nicht viel geschlafen hat. Matt rutscht neben mir unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

Ich lege meine Hand auf seine, um ihn zu beruhigen. "Was meinen Sie damit?" harke ich nach. "Naja." Christian lehnt sich vor und faltet die Hände auf dem Tisch. "Die Verträge mehrerer Spieler, wichtiger Stammspieler, laufen aus. Und ich war mit jedem einzelnen Spieler in Gesprächen über Vertragsverlängerungen. Auch mit denen, deren Verträge erst nächstes Jahr auslaufen. Aber anscheinend wollen die meisten Spieler den Verein verlassen."

Kraftlos lässt Christian sich in seinen großen Bürosessel fallen. "Wenn diese Spieler nicht bleiben, stehen wir vor demselben Problem, wie vor genau einem Jahr. Und glaubt mir, so ein Jahr schaffe ich nicht nochmal." "Deswegen wollen wir das mit allen Mitteln verhindern. Du hast unsere volle Unterstützung." sichert Matt ihm zu. "Ich danke euch. Wirklich." Matt winkt ab. "Gerne." "Um welche Spieler handelt es sich denn?" frage ich. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Spieler diesen Verein freiwillig verlassen möchte."

"Leider sieht das nicht jeder so. Gleich vier Spieler, mit denen Domenico plant, haben sich mindestens mit Angeboten von anderen beschäftigt. Einen von den Spielern kennen Sie sogar." sagt er und sieht mich an. "Ich?" erschrocken zucke ich zusammen und richte mich auf. Weiß er irgendetwas von Leon und mir und hat nur gewartet bis ich mit meinem Mann hier aufschlage. Lässt er mich jetzt auffliegen?

Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf, in nicht mal einer Millisekunde. Ich habe Angst, dass alles herauskommt. Ich habe mich doch von Leon getrennt, damit er sich überlegen kann, was er will und hoffentlich verlängert. Warum gerade jetzt? "Ja, du kennst ihn sogar sehr gut." Nein, Nein, Nein... "Max Meyer, er hat Sie eben zu uns geführt." sagt Christian dann. Ich atme aus. "Achso." sage ich erleichtert und entspanne mich wieder.

"Ja, seine Freundin und er sind seit mehreren Jahren zusammen. Sie arbeitet hauptsächlich in London. Kate Reece. Ich denke, der Name ist Matt ein Begriff." er deutet auf Matt, der sich bis jetzt eher ruhig verhalten hat. Er nickt jedoch nur und Christian fährt fort. "Max hat mir mitgeteilt, dass er, sollte er ein Angebot aus England bekommen, dieses in Erwägung ziehen wird." erzählt Christian. "Und ich kann ihn verstehen." fügt er noch hinzu.

"Was ist mit den Übrigen?" frage ich. "Leon Goretzka hat mir vor wenigen Tagen ebenfalls mitgeteilt, dass er den Verein verlassen wird und dass er sich seiner Sache sicher ist. Auch wenn wir alles erdenklich Mögliche getan haben, um ihn zu halten." "Er will ganz sicher wechseln?!", wenn ich eben schon erschrocken war, dann war das eine Untertreibung. Ich bin am Erdboden zerstört. Ich hätte nicht gedacht, dass er wirklich geht.

"Er erzählte mir von den verschiedenen Vereinen, die natürlich an einem deutschen Nationalspieler interessiert sind. Und er erwähnte eine Freundin, weswegen er wechseln möchte." "Eine Ex-Freundin? Ich denke, das kann man klären. Sie will sicher nicht, dass er deswegen sein Leben hier aufgibt." sage ich laut. "Keine Ex-Freundin. Eine neue Freundin, glaube ich. Ich habe die beiden eben noch gesehen. Leon ist heute auch nur hier, weil er über die Angebote gucken will. Er trainiert heute nicht."

Eine neue Freundin? Ich habe das Gefühl, alles dreht sich. Energielos lasse ich mich in den Stuhl fallen. Ich muss das erstmal verarbeiten. Von weit weg höre ich, dass ein Handy klingelt. Ich sehe mich um und entdecke, dass es wohl Matt's Handy war. Als er aufgelegt hat, sieht er noch einmal misstrauisch auf das Display und sagt daraufhin etwas zu Christian, was ich aber nicht richtig vernehme.

Dann steht Matt auf, ich erhebe mich ebenfalls und Christian geleitet uns zur Tür. Wir verabschieden uns voneinander und Matt und ich machen uns auf den Weg nach draußen. Plötzlich geht eine Tür neben uns auf und eine junge Frau mit einem breiten Grinsen und Leon treten hinaus. Überrumpelt bleibe ich stehen, die beiden habe uns noch nicht bemerkt, da sie etwas vier Meter vor uns gehen, aber dennoch überfordert es mich.

Ich versuche nicht hinzusehen, aber ich muss einfach. Das ist also seine neue Freundin. Sie ist hübsch. Weit hübscher als ich es bin, denke ich. Wir gehen weiter. Matt scheint davon noch nichts mitbekommen zu haben. Er sieht sich neugierig in alle Richtungen um. Er scheint wirklich fasziniert zu sein.

Zu allem Überfluss legt Leon plötzlich seinen Arm um diese Frau, sodass er sein Arm auf ihren Schultern liegt. Sie guckt zu ihm hoch und lacht. Er erwidert das Lachen grinsend und die beiden gehen weiter. Das ist zu viel für mich. Ich kann mir das nicht mit ansehen. Ich gönne es ihm wirklich von ganzem Herzen, aber das heißt ja nicht, dass ich es mir mit ansehen muss. Ich verschnellere meinen Gang und erreiche die Hauptausgangstür. Einen letzten Blick werfe ich noch zu Leon. Er sieht glücklich aus. Ich schüttele den Kopf und verlasse das Gebäude.

Anscheinend hat er sein Glück jetzt gefunden. Dabei hatte ich gerade wieder die Hoffnung, dass wir es vielleicht doch noch hinbekommen würden... Es war ja klar; ein Mann wie er bleibt nicht lange alleine. Ich hätte es wissen müssen. Und jetzt ist jegliche Möglichkeit, das alles hinter sich zu lassen und neu anzufangen, vertan und ich muss damit leben, dass ich die Chance hatte, mit meiner großen Liebe zusammen zu sein. Aber diese nicht genutzt habe, weil mir die Meinung anderer wichtiger war als er. Es ist allein meine Schuld und ich muss es akzeptieren so wie es ist, bevor ich Leon sein Glück wieder zerstöre.

prisoned - LG8 | jmjmmnyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt