"Willst du, Jan Meyer...?"

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~Zeitsprung~

„…Und dann hat Cengiz sich die ganze Zeit lustig über diesen Handschellenvorfall gemacht!“

„Zoey, du hast mir diese Geschichte schon so oft erzählt!“ Sarah legte mir ihre Hand auf meine Schulter.

Ich atmete tief aus.

„Ich weiß, aber ich bin nur so aufgeregt.“ seufzte ich.

„Ganz ruhig, Zoey! Das wird ein toller Tag für dich!“

Ich schüttelte mich.

Sarah hatte Recht! Aber ich war verdammt aufgeregt. Diese Last, die auf meinen Schultern lag und nicht abspringen wollte. Dieses Gefühl, das an meinem Rücken haftete und mich nicht in Ruhe lassen wollte. Alles machte mich so kirre! Ich glaubte, ich wurde verrückt! Und dann dieser ganze Stress! Die letzten paar Monate, die wir nur im Stress gehangen hatten, um alles perfekt werden zu lassen!

„Zoey, hör auf, verdammt! Hör auf dir Sorgen zu machen! Komm,“, Sarah nahm mich bei Hand und drehte mich so um, „schau doch mal!“

Sie hatte mich genau vor den Spiegel gedreht, wo ich mich nun betrachten konnte.

„Du siehst wunderschön aus, hast einen wundervollen Mann da draußen, bist schon seit Jahren mit ihm zusammen. Dieser Tag wird der beste, den du je hattest und je haben wirst!“

Ich dachte über Sarahs Worte nach.

Und ich wusste auch, dass sie einfach nur Recht hatte. Ich wusste nicht einmal, warum ich mir so große Sorgen machte! Es war doch einfach alles perfekt!

„Zoey! Es geht los!“ hörte ich plötzlich eine tiefe, vertraute Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und sah in Andres Augen, die mich anblitzen.

Er hatte nur seinen Kopf in das Zimmer gesteckt, drückte die Tür jetzt aber vollkommen auf und kam in den Raum herein.

Er trug einen schwarzen Anzug und hatte seine Haare extra für heute kürzer geschnitten, damit sie nicht so krass durcheinander aussahen.

„Wow…du siehst echt hübsch aus!“ Er lächelte mich an.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war einfach von der ganzen Situation völlig überrumpelt.

Letztes Jahr hatte ich noch zu ihm gesagt „Sechs Monate noch!“. Und jetzt stand ich stand er vor mir und gab mir das Bescheid.

Und da brachte ich die dümmste Frage heraus, die ich in den letzten eineinhalb Jahren nicht mehr heraus gebracht hatte: „Ja?“

Andre lächelt breiter. „Oh ja! Jan kann sich so glücklich schätzen!“

Ich merkte, wie meine Wangen heiß wurden und ich schaute flüchtig zu Boden. „Danke, Andre!“

„Nun los, kommt! Die warten alle schon da draußen!“ rief Sarah.

Ich nickte und zupfte mein Kleid zurecht.

„Du schaffst das Zo! Das wird ein toller Tag!“ Mit einer letzten, kurzen Umarmung begab sich Andre wieder in den Flur und nahm wahrscheinlich seinen Platz wieder ein.

Ich atmete tief durch und schritt mit Sarah an der Hand zu meinem Vater, der am Ende des Flurs stand.

Und als ich mir meinen Weg zu ihm hin bahnte, flogen meine ganzen Erinnerungen an mir vorbei: Wie Andre uns damals zu einem letzten, nicht gerade guten, Drink in der Disko eingeladen hatte. Wie sich Jan sich mit meinem Exfreund geprügelt hatte. Wie er mir nach dem Horrorfilm etwas auf dem Klavier vorgespielt hatte. Wie wir zusammen Eisessen gegangen waren und er mir seinen Pullover gegeben hatte, den ich noch ein halbes Jahr danach bei mir liegen gehabt hatte. Wie wir für ein ‚Backstage‘ Video uns gegen die Badezimmersände geschmissen hatten, um den Nachbar zu verarschen. Wie ich in der Schule plötzlich fame geworden war. Sogar an das riesige Desaster mit Andre, wo wir uns versehentlich geküsst hatten und meine halbe Welt danach zusammengebrochen war, erinnerte ich mich gerne - denn Andre war nun einer meiner besten Freunde geworden. Und wäre er das auch geworden, wenn dieser Kuss nicht gewesen wäre?

„Schatz, du siehst wunderschön aus.“

Ich schaute zu meinem Vater hoch, der mir seinen Arm entgegenstreckte und mich anlächelte.

„Danke Papa!“ Ich hakte mich bei ihm ein und legte meinen Kopf kurz an ihn.

Dann merkte ich, wie er sich in Bewegung setzte und ich setzte ebenso einen Fuß vor dem Anderen.

Wir schritten gemeinsam durch den Bogen vor dem Eingang und ich ließ die Musik, durch meinen Körper fließen, als wäre es Honig.

Ich schloss kurz die Augen, um alles wirken zu lassen - Die Schritte meines Vaters, meine Schritte, die Orgelmusik, die durch den riesige Kirche hallte, die Geräusche, die jeder Einzelne machte, als er aufstand.

Dann öffnete ich die Augen wieder und sah mich in der Kirche um, lächelte jeden Einzelnen an: Meine Freunde aus dem Studium, meine alten Schulfreunde, meine Onkel und Tanten, meinen Bruder, meine Mutter, Andre mit seiner Freundin, Cengiz mit Sarah die sich noch schnell neben ihn gesetzt hatte, Jans Schwester, Jans Eltern und alle anderen, die mir und Jan etwas bedeuteten.

Dann schwenkte ich meinen Blick zu Jan, der vorne vor einem schwarzbekleideten Mann stand und mich anlächelte.

Der Weg zu ihm schien endlos lang, er schien niemals aufzuhören.

Aber als ich endlich, nach gefühlten Stunden bei ihm ankam und meine Vater noch einmal herzlich meinen Arm drückte und mir zulächelte, stellte ich mich mit einem breiten Grinsen neben ihn.

Ich war so glücklich! Ich war so glücklich, über jede einzelne Situation, die in meinem Leben passiert war. Egal, ob sie noch so schlecht, noch so niederschlagend gewesen war - denn sonst wäre wohlmöglich dieser Tag niemals gewesen!

Ich beobachtete Jan aus dem Augenwinkel.

Er hatte ebenfalls einen Anzug an, trug sogar eine Fliege! Er sah so ordentlich aus, wie nie - auch wenn seine Haare so zerzaust waren, wie nie zuvor. Aber das störte mich nicht, im Gegenteil! Ich liebte diese zerzausten Haare!

Auf einmal war alles still. Die letzten Orgeltöne hallten durch die Kirche, die Menschen hatten sich wieder hingesetzt und lauschten uns nun. Der Pastor schlug gerade sein Buch auf.

Da merkte ich, wie Jan sich, immer noch nach vorne schauend, ganz leicht zu mir herüber beugte. „Hi.“ raunte er mir leise und liebevoll zu.

Ich musste ein Lachen unterdrücken. „Hi.“ 

Ich konnte es nicht glauben! Ich stand gerade vor dem Altar mit dem Mann, von dem ich vor 4 Jahren nie gedacht hätte, dass ich ihn persönlich treffen würde!

Ich konnte nicht glauben, dass ich gerade wirklich den Mann heiratete, den ich so sehr liebte. Ich konnte nicht glauben, dass das alles hier wirklich passierte!

Und das alles hatte wirklich nur mit einer SMS angefangen.

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