Der Moment der Wahrheit

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Ich seufzte.

"Im Vorfeld sage ich schon mal, dass es mir leid tut! Ich hatte nie vor jemanden zu verletzten - gerade dich nicht!" beschwichtigte ich.

Ich achtete nicht darauf, ob er noch etwas sagen wollte. Eigentlich hätte ich mich vergewissert, aber ich wollte es jetzt einfach schnell hinter mich bringen!

"Als wir Nummern ausgetauscht hatten…da hatte ich noch einen Freund." Ich wollte aufschauen, mich vergewissern, wie Jan reagierte auf diesen einzigen, aber harten Satz. Aber ich entschied mich dagegen. Ich wollte nicht sehne, ob er verletzt war - das verletzte mich nur auch noch.

"Ich hatte aber bemerkt, dass ich keine Gefühle mehr für den Jungen hatte  - auch schon vor unserer Begegnung. Nur war es mir da nicht so aufgefallen. Oder ich wollte es nicht wahr haben. Aber dadurch, dass ich dich kennen gelernt habe, wurde es mir klar. Ich habe mich letzten Freitag von ihm getrennt, weil er nach unserem Treffen plötzlich vor meiner Tür stand. Ich wollte noch mit ihm befreundend sein, weil ich ihn eigentlich echt gern habe - nur eben wie ein Bruder, und nicht wie ein fester Freund. Also hab ich mich versucht im Guten von ihm zu trennen - ich wollte ihn nie und will ihn nie verletzten! Doch jetzt hängt er mit nem Mädchen herum, dass er gar nicht mag - was er mir früher jedenfalls gesagt hatte. Sie steht wahrscheinlich auf ihn und er macht jetzt einen Auf beste Freunde mit ihr. Aber er tut mir einfach weh damit, weil er auch hinter meinem Rücken über mich her zieht."

Tränen brannten in meinen Augen.

Nein, nicht heulen! Hör auf damit!

Als ich diese ganzen 4 Tage zusammengefasst hatte, kam der ganze Gefühlskloß wieder hoch.

Meine Kehle brannte wie Feuer.

Ich schaute endlich hoch zu Jan, den ich nur verschwommen sah.

"Ich wollte nicht, dass …." meine Stimme brach, meine vorgelegten Worte gingen mir plötzlich aus.

"Ich hab dich in diesen zwei Wochen so gut kennengelernt, du bist mir so unheimlich ans Herz gewachsen. Ich will dich nie wieder gehen lassen! Und das ich dir von Nico nichts erzählt habe, tut mir so unendlich leid! Aber ich musste selber erstmal mit dem Gefühl klar kommen. Und er hatte mich einfach so runter gerissen, indem er das alles abgezogen hatte - ich hab sogar mein Vorabi in Mathe verschissen! Mir tut das alles so leid!" schluchzte ich.

Eigentlich wäre es mir etwas peinlich gewesen, vor Jan zu weinen - aber in diesem Moment konnte ich einfach nicht anders. Ich spürte wie eine Träne meine Wange drunter rollte. Ich wollte sie sofort wegwischen, aber Jan kam mir zuvor.

Er legte seine Hand an mein Ohr und wischte mit seinem Daumen meine heiße Träne von der Wange.

Ich wusste nicht, was er dachte. Ich wusste nicht, ob er verletzt war oder erstaunt - ob er enttäuscht war oder erleichtert. Ich konnte ihn nicht mal richtig erkennen durch die brennenden Tränen in meinen gereizten Augen. Ich wusste nicht, wie er es aufnahm, diese Lügen - nein - diese Vorenthaltungen dieser unheimlich wichtigen Information! Ich wäre jedenfalls traurig, wenn ich mitbekäme, dass Jan eine Freundin hatte oder in unserer Zeit gehabt hätte.

Ich schloss die Augen um den Schmerz in mir zu verdauen. Der Schmerz, den ich zum Teil selber auslöste. Der Schmerz, den Nico in mich hineingebohrt hatte. Der Schmerz, den Tolozoe noch mal mit einem Hammer weiter in mich hinein gerammt hatte. Der Schmerz, der mich innerlich aufschreien ließ. Äußerlich weinen.

Plötzlich spürte ich, wie Jans warme Hand von meinem Ohr zu meinem Rücken wanderte und er mich an sich drückte. Ohne nachzudenken schlang ich meine Arme um ihn und wollte ihn nie wieder los lassen. Diese Umarmung von ihm gab mir so viel Liebe, so viel Kraft, so viel Zumut, dass meine Traurigkeit sofort einen Abgang machte. Die Tränen dennoch blieben, versteckten sich aber langsam in mir.

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