One Day There Was You

*36*

Trevor

Wie angenommen, hat sich Leo's Laune wieder beruhigt und er ist wieder zu dem süßen Kerl geworden, den ich so liebe.

Heute strahlt er noch etwas mehr, als er versucht mir sein neues Auto zu präsentieren.
„Was willst du denn damit?" Etwas ungläubig schaue ich Leo an als die Hände theatralisch ausbreitet.

Vor mir steht jedoch ein dunkelblauer Kombi. Gut es ist ein Audi, also qualitativ ganz in Ordnung, aber trotzdem. Das Teil schreit richtig nach Familienkutsche, fehlt nur noch der Kind-an-Board-Aufkleber oder eine große Hundebox im Kofferraum oder schlimmer noch beides.

„Fahren?", antwortet er mir nur. Hätte ich jetzt nicht gedacht, aber das ist eine Schrankwand. Ich dachte, er kommt mit was sportlichen um die Ecke, aber das? Ich bin fast etwas fassungslos.
„Das weiß ich auch, aber muss es sowas sein?" So richtig anfreunden kann ich mich damit nicht.
„Kannst du jetzt einfach einsteigen?", blubbert er mich an und hält mir die Beifahrertür aus. Wenn es sein muss.

Selbst innen gibt es nichts, was meine Laune hebt. Klar ist er hochwertig verarbeitet und sieht ganz elegant aus, aber trotzdem ist er langweilig. Etwas wundert mich dennoch, als Leo den Motor startet. Das klingt falsch. Das klingt wie das Knurren eines Wolfes. So sollte doch kein Pampersbomber klingen. Was hat er da nur gekauft?

Jedes Mal wenn er nach einer roten Ampel wieder anfährt, höre ich es wieder. Das ist doch nicht normal.
„Wieso klingt der so komisch?", frage ich als er dabei ist auf die Autobahn zu fahren. Wo auch immer er hin will. Ich bekomme als Antwort jedoch nur ein dreckiges Lächeln und der Kombi schießt nach vorn.

Ähm. Beim besten Willen. So geht doch kein normales Auto ab. Ein kurzer Blick auf den Tacho bestätigt mich. Wir waren gerade noch mit 80 hinter einem LKW unterwegs und jetzt jagt der Kombi mit knappen 200 über die linke Spur, wobei man ordentlich in den Sitz gedrückt wird. Da ist noch richtig Luft nach oben.

Ich glaube ich muss nochmal fragen.
„Wieso klingt der so komisch und was stimmt mit dem nicht?" Stutzig schaue ich zu ihm rüber. Er grinst jedoch nur und konzentriert sich auf den Verkehr.
„Wieso? Ist alles serienmäßig." Als hätte er keine Ahnung was ich meine. Serienmäßig? Ganz gewiss nicht.
„Das ist kein normaler A4 also nochmal. Was stimmt mit dem nicht?" Diesmal lacht er nur laut auf. Es dauert einen Moment bis er sich wieder ein bekommt.
„A4? Nein, das ist ein RS4." So ganz traue ich meinen Ohren nicht. Was hat er gesagt? RS?
„Was stimmt denn mit dir nicht?"

Mir wird dieser ungläubige Blick vermutlich eingemeißelt im Gesicht stehen. Ich halte ja Cal schon für den gelben TT bekloppt, aber Leo toppt es gerade irgendwie. Ich verstehe es nicht. Er ist doch sonst immer so der Vernünftige, wieso musste es jetzt dieses Auto sein?

„Vieles. Mama fand den auch gut." Unschuldig blinzelt er mich an, als er auf den nächsten Rasthof fährt.
„Jetzt bitte ganz langsam für mich. Könntest du jetzt mal alles erklären." Leidend massiere ich meine Schläfen. Das kapiere ich gerade nicht so ganz.
„Mama hat gesagt, ich darf mir was aussuchen, so als Bonus, für die ganzen Überstunden und alles. Sie hat gesagt bis Summe x ist es ihr egal, was ich gerne möchte, solange es sicher ist", fängt er an.
„Tess hat den bezahlt?"

Ich fasse es nicht. Mom zahlt mir nicht mal mein Monatsticket und er bekommt einfach so ein Auto, ganz billig war der bestimmt nicht.

„Ja, frag nicht. War ihre Idee. Ich hatte den jedenfalls gar nicht gesehen, der stand im Autohaus in der hintersten Ecke. Mit den technischen Daten kann sie eh nichts anfangen und ihr hat einfach die Farbe gefallen. So ganz wusste ich auch nicht. Großer Motor mit 450 PS klingt halt doch irre und ich habe irgendwie nur gesehen wie ich permanent an der Tankstelle stehe." Als wäre es nichts. Dieser Kombi hat doppelt so viele Zylinder wie sein Golf und dann immer noch mehr wie der TT von Cal.
„Bei der Probefahrt war es dann vorbei. Mama fand den noch besser und hat dann entschieden." Die haben alle einen Knall. Jetzt hat Leo das nicht mal selbst entschieden? Kann doch nicht wahr sein.

„Was ist jetzt mit dem Tanken?", will ich dann trotzdem wissen, schließlich kann ich mir vorstellen, dass es ein sehr durstiges Vieh ist. Er grinst jedoch wieder. Klappt seine Sonnenblende runter und holt eine Karte hervor. Es sieht aus wie eine EC-Karte oder etwas in die Richtung. Fragend sehe ich ihn nur an, damit kann ich nichts anfangen.
„Das dachte sie auch, daher hat sie den einfach als Firmenwagen gekauft. Dazu gab es so ein nettes Tankkärtchen. Heißt, es wird alles bezahlt." Er grinst noch breiter und mir fallen die Augen aus dem Kopf. Ich dachte er hat einen Knall, aber Tess ist ja noch viel schlimmer. Ich will gar nicht wissen was los ist, wenn das sein Vater das erfährt.

„Willst du jetzt auch oder soll ich zurück fahren?" Fragend schaut er mich an. Er will mich doch mal fahren lassen? Ich dachte ich bin für immer auf den Beifahrersitz verbannt. Als würde ich die Frage nicht verstehen, schaue ich ihn nur an und steige aus.

Total geplättet kommen wir bei seiner Mom an. Ich will auch so einen! Das macht richtig Spaß. Man sieht es ihm nicht an, aber allein das kräftige Motorgeräusch lässt mich zufrieden lächeln. Eigentlich fehlt wirklich der Kind-an-Board-Aufkleber, dann unterstreicht es den Auftritt als Wolf im Schafspelz noch mehr. Er hat ja schon keine Modellbezeichnung drauf, da kann man das doch richtig durchziehen. Einzig allein die zwei dicken Auspuffrohre lassen erahnen, was unter der Haube schlummert.

Ich bin immer noch total fertig, als wir im Flur stehen.
"Was stimmt mit dir nicht?" Daher frage ich Tess total verwundert. Ich will versuchen es zu verstehen.
"Gefällt es dir nicht?" Sie scheint leicht verwirrt zu sein.
"Doch, aber wie kannst du ihm so ein Auto kaufen?" Ich kapiere es nicht. Selbst Tess hätte ich für vernünftiger gehalten. Ich meine, hallo, das ist ein verdammter RS4. Hätte es nicht ein normales Auto getan?
"Die anderen war langweilig. Außerdem sei still, du hättest dich auch weiter mit dem Schrotthaufen durch die Gegend kutschieren lassen können." Frech grinst sie mich an. Ich gebe es auf. Sie gewinnt, weil das echt ein Punkt ist.
"Du hast Recht. Ich sollte dir danken. Jetzt mache ich mir keine Sorgen mehr, weil der Schrotthaufen einfach verrecken könnte. Jetzt mache ich mir Sorgen, weil er zu schnell fährt."

Erst lache ich sie noch an, doch eigentlich meine ich es schon ernst. Ich will, dass ihm nichts passiert und ich befürchte, dass er gerade jetzt, wo das Auto noch neu ist und der Reiz da ist, sich verletzen könnte. Nicht, dass diesem hübschen Gesicht etwas passiert. An Tess Ausdruck kann ich jedoch sehen, dass sie daran jetzt auch denkt.

"Er weiß doch, dass er das nicht machen wird. Sonst bekommt er Ärger mit uns beiden." Verschwörerisch legt sie mir den Arm um die Schulter, während wir Leo beide anschauen.
"Das würde ich euch nie antun", beschwichtigt er uns schnell und lächelt dabei wieder süß. Na, besser wäre es für ihn, weil sollte er es doch tun, einen Unfall haben und dabei nicht draufgehen, dann bringe ich ihn um.
Obwohl. Das könnte ich doch gar nicht.