*47*

887 50 1
                                    


Tess


Was geht denn hier ab? Ich kann sie bereits im Flur streiten hören. Wir wollten doch gemeinsam essen. Ich hatte doch vor einer halben Stunde noch mit Leo telefoniert. Was ist seitdem passiert? Wieso streiten sie jetzt so? Und Leo ist der Dominante von beiden? Ich traue mich fast gar nicht in die Wohnung zu gehen. Doch vermutlich ist es sogar besser. Ich habe das dringende Bedürfnis da jetzt einzugreifen.

„Du hast sie doch nicht mehr alle!", faucht Leo Trevor an.
„Überleg du dir lieber, was du willst", Knurrt dieser zurück.

Das Bild was sich mir bietet ist anders als angenommen. Eigentlich kenne ich es von Leo, dass er da steht und die Welt nicht versteht, während er einstecken muss. Doch hier ist es genau umgedreht. Leo teilt aus und das ganz gewaltig.

Sie haben beide nicht bemerkt, dass ich die Tür geöffnet habe. Sie stehen sich nur gegenüber und streiten.
„Ich?! Du hast doch das Problem", klatscht Leo ihm an den Kopf.
„Ja! Fein! Jetzt bin ich der Blöde, nur weil ich dir nicht meine Gefühle auf dem Silbertablett präsentiere wie dein Exfreund, der nicht kapiert, dass es vorbei ist!" Trevor kann sich jedoch ganz gut wehren, auch wenn man ihm ansieht, wie er es hasst.
„Jetzt schieb nicht die Schuld auf ihn!"

Bei diesen Worten fallen nicht nur Trevor die Augen aus dem Kopf. Wieso nimmt Leo Nate jetzt in Schutz? Ist er bescheuert?

Einen Moment ist es ruhig, bis Trevor ihn mit traurigem Blick ansieht.
„Komm, weißt du was, mach was du willst, aber nicht mit mir!"

Nein, möchte ich laut ausrufen und meine Sohn schlagen, dass er es so weit gebracht hat. Trevor wendet sich ab, geht an mir vorbei, ohne mich zu beachten und schmeißt hinter sich die Tür zu.

„Bist du noch ganz bei Trost?!", brülle ich Leo an, was er jedoch nicht versteht und mich mit seinem Blick das selbe fragt.

So wie Leo gerade drauf ist, so kenne ich ihn nicht. In alle den Jahren, die ich seine Krisen mitbekommen habe, war er nie so. Mit Ausnahme zu der Zeit, in der er mit Nate zusammen war. Wehe das geht von vorne los. Dafür mag ich Trevor viel zu sehr.

„Hast du dir eigentlich selbst zugehört?", setze ich gleich hinter her. Er ist jedoch so taub vor Wut, dass er es nicht versteht. Er scheint nicht mehr klar denken zu können. Worauf auch immer er so wütend ist und weswegen die Situation gerade so eskaliert ist, interessiert mich nicht. Aus dem Kontext konnte ich verstehen, dass Nate der Grund ist und das reicht mir vollkommen. Dieser Junge ist krank im Kopf und ist von Leo besessen. Ich verstehe nur nicht, was mit Leo los ist.

„Er hat doch angefangen", blafft er mich an. Ich atme einmal laut. Er bewegt sich gerade auf ganz dünnem Eis und das weiß er eigentlich auch.
„Weißt du was ich nicht verstehe. Wieso stößt du Trevor von dir, nur weil Nate wieder mal irgendeine Wahnvorstellung hat? Hat er dich nicht schon oft genug verletzt?" Langsam gehe ich auf ihn zu und versuche ihn dabei etwas zu beruhigen, doch er ist sofort wieder auf 180.
„Er versteht es einfach nicht. Trevor ist so stur..." Ich seufze nur kurz, als er anfängt und unterbreche ich ihn lieber schnell.

Er sollte seinen Fehler langsam einsehen. Trevor ist so viel besser für ihn als Nate. Es geht nicht in meinen Kopf, dass er es gerade nicht sehen will.

„Vielleicht solltest du dir erst mal klar werden, wen du willst. Du hast die Wahl zwischen dem geisteskranken Irren, der dich in der Vergangenheit bereits mehrmals verletzt hat und dir geschadet hat und das nicht zu wenig oder Trevor. Mach doch mal die Augen auf. Verdammt! Das sieht ein Blinder, wie abgöttisch er dich liebt. Vielleicht hat er keine Ahnung wie er das zeigen soll, aber das sieht man einfach. Ich habe das Gefühl er würde sich lieber eine Kugel einfangen, als dich zu verlieren und jetzt machst du so einen Scheiß. Ich sollte dich ohrfeigen!"

Klar bin ich ein ganzes Stück kleiner als er, was er gerade voll ausnutzt und versucht sich aufzubauen, aber ich bin immer noch seine Mutter. Ich weiß, was bei ihm zieht und wie man ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Außer Acht gelassen, dass ich ihn noch nicht so erlebt habe wie heute.

Irgendwie scheinen meine Worte wie gegen eine Wand zu prallen. Doch ich gebe nicht auf. Ich will verdammt sein, wenn ich das nicht wieder hinbekomme.

„Ich verstehe ja. Nate war süß und dir gegenüber sehr selbstbewusst und alles, aber er hat dir auch permanent wehgetan. Wie oft musste ich dich wieder aufbauen? Viel zu oft! Natürlich ist Trevor anders. Vielleicht ist er etwas verschlossener und auch etwas unbeholfener mit seinen Gefühle und dem drum herum, aber du bist doch nicht besser. Ihr seid nicht mal ein Jahr zusammen und du wolltest, dass er bei dir einzieht. Willst du mir jetzt wirklich erklären, dass du ihn nicht wenigstens genauso liebst, wie er dich? Erklär es mir."

Jetzt hat er es. Mit einem Mal scheint er zu begreifen, was er getan hat. Mit dem was ich gesagt habe, hat es zwar wenig zu tun, dass sehe ich, weil er mir fast nicht zugehört hat, aber das zählt auch gar nicht. In dem Moment sackt seine Körperhaltung zusammen und er wirkt ganz klein, so wie er eigentlich immer nach so einem Streit war.

„Was habe ich getan?" Jetzt übernimmt die Panik die Kontrolle über ihn und verhindert einen klaren Gedanken. Aufgebracht fängt er an in der Gegend umher zu laufen und wirr mit sich selbst zu reden. Manchmal ist er wirklich seltsam und ich frage mich von wem er das hat. Von mir jedenfalls nicht.

„Jetzt reiß dich mal zusammen! So einen Lappen wie dich würde ich auch nicht mehr zurücknehmen wollen. Was habe ich früher immer zu dir gesagt, wenn du dich mit jemanden gestritten hattest?" Jetzt hilft nur noch pure Ehrlichkeit. Vor Schreck bleibt er stehen und schaut mich verdutzt an.
„Du hast immer gesagt, Liebe ist nie ohne Schmerz, sagte der Hase und umarmte den Igel", murmelt Leo und senkt den Blick zum Boden.
„Genau. Und du mein Schatz bist gerade der Igel und jetzt entschuldige dich bei ihm", befehle ich streng.
„Aber ich weiß doch gar nicht wo er ist?" Schon wird aus dem Igel ein flauschiges Häschen. Das ist mein Leo, den ich großgezogen habe.
„Meinst du er verschwindet ohne Handy und alles weit weg?", frage ich und deute auf den Couchtisch, wo zwei Handys liegen, den Wohnungsschlüssel hat er auch nicht mitgenommen. Und nicht mal eine Jacke, wo es heute wiedermal leicht regnet. Leo blinzelt dennoch verwundert.

„Schau doch erst mal auf dem Dach nach. Und ich sag dir eins, wenn du das versaust, dann bin ich verdammt sauer auf dich. Und Megan macht da bestimmt mit", warne ich ihn, bevor er etwas Unüberlegtes macht. Eifrig nickt er und zieht ab.

Wirklich, manchmal weiß ich nicht, von wem er das hat. Diese komischen Sachen müssen irgendwie von Phil kommen, anders könnte ich es mir nicht erklären.

Seufzend lasse ich mich auf das Sofa fallen. Ich gönne mir einen Moment der Ruhe und atme einmal durch. Doch die Neugier packt mich recht schnell. Ich weiß, ich sollte es nicht tun, aber das ist gerade ein Bedürfnis. In der Hoffnung ich habe Leo zu Recht zur Schnecke gemacht.

Ich nehme sein Handy und versuche es zu entsperren. Doch kurz halte ich inne. Ich betrachte das Hintergrundbild viel genauer.
Leo ist wirklich blind. Und dämlich.

Auf dem Bild ist Trevor. Mit einem Lächeln, in das er sich doch eigentlich nur verlieben kann und dazu albert er dabei noch mit Megan. Innerlich könnte ich ihn für sein Verhalten schon wieder ohrfeigen. Verdeutlicht dieses Bild nicht genug, das er nichts bessere finden kann?

Jetzt will ich aber auch wissen, was Trevor als Hintergrund hat.
Das ist so süß. Die zwei Süßen. Da wären wir bei besagtem Blinden. Deutlicher geht es doch gar nicht. Wie kann Leo das überhaupt infrage stellen?

Hoffentlich bekommen sie das wieder hin. Ich gehe hier jedenfalls nicht weg, bis einer wieder durch diese Tür will. Es hat nämlich keiner einen Schlüssel dabei, aber das lasse ich mal ohne Kommentar.

One Day There Was YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt