24. Quiet

350 14 0
                                    

Verschlafen schaute ich auf meinen Wecker und verdrehte stöhnend die Augen. 6:30 Uhr. Widerwillig richtete ich mich auf und machte mich für die Schule fertig. Fertig angezogen und geschminkt und mit gefülltem Magen schnappte ich mir meine Tasche und verließ das Haus. Auf dem Weg zur Schule nahm ich mir fest vor, mir Dads und Nates Worte zu Herzen zu nehmen und mit Dylan über alles zu reden.

Mit Nathan wollte ich jedoch nicht mal die selbe Luft teilen. Der miese Verräter konnte mir gestohlen bleiben. Leider saß ich in jedem Fach neben ihm und musste immer noch Nachsitzen, wenn er mich verpetzte. Aber ich würde wirklich lieber Nachsitzen anstatt dem Arsch ins Gesicht zu schauen.

Gerade überquerte ich die Straße zur Schule, als ein silberner Sportwagen auf dem Parkplatz vorfuhr. Augen-verdrehend stapfte ich mit schnellen Schritten auf die Schule zu, im stillen hoffend, dass er nicht direkt ausstieg wenn ich an seinem Auto vorbei musste.

Doch da ihr inzwischen mein Glück kennen solltet, hatte ich natürlich die Ehre Nathan's Autotüre beim aufgehen zuzuschauen, 5 Meter bevor ich daran vorbei gewesen wäre. Nathan hatte eine schwarze Sonnenbrille und seine übliche Sportjacke an und lächelte gerade ein paar Mädchen zu.

Doch als er sich zu mir umdrehte zog er schnell seine Sonnenbrille ab, wodurch ich die tiefen Schatten unter seinen sonst so strahlend wachen Augen sehen konnte. Hoffnungsvoll lächelte er mich an. Ich hingegen zog nur grummelnd meine Augenbrauen zusammen und lief ohne mein Tempo zu verringen auf ihn zu.

Nathan warf mir ein paar Fragende Blicke zu, die vermutlich 'Ist alles okay bei dir? Wieso läufst du zur Schule?' heißen sollten, aber ich lief einfach nur an ihm vorbei. Jedoch nicht ohne meine Schulter etwas gegen seinen Arm zu rempeln. Das war unnötig. Wieso? Wenn er mir nicht aus dem Weg ging konnte ich nichts dagegen machen! Traurig drehte sich Nathan zu mir um, setzte dann seine Sonnenbrille wieder auf und folgte mir ins Schulgebäude.


Desinteressiert lehnte ich mich zurück in meinen Stuhl und verschränkte die Arme vor der Brust. Wir hatten gerade Geschichte, doch es interessierte mich einen Scheiß, wie die Industrialisierung das Leben der Arbeiter erschwerte und sie alle zu 20 in einer 1-Zimmer-Wohnung schlafen mussten.

Es interessierte mich auch nicht was nun ein Quotient und was ein Exponent war. Genau so wenig wollte ich wissen wieso Emilia Galottis Vater sie nun umgebracht hatte. Gar nichts davon war relevant in meinem Leben. Das einzige, das an meinem Gewissen nagte waren Nathans verletzten Blicke, die er mir seit der ersten Stunde zuwarf. Sie bohrten sich förmlich in meine Seele und hinterließen ein riesiges schwarzes Loch, das alles in sich rein sog und mich von innen heraus auffraß.

Was war das? Wieso störten mich seine Blicke so sehr? Wieso machte es mir so viel aus, dass es ihm scheiße ging? Du hast ein schlechtes Gewissen. Wieso sollte ich ein schlechtes Gewissen haben? War das nicht der Part den er übernehmen sollte? Immerhin hatte er einem Fremden mein Leben preis gegeben!

Du weißt er hatte keine Wahl! Doch hatte er! Indem er sein schlimmstes Geheimnis veröffentlicht, anstatt die von jemandem, den er damals noch kaum kannte? Ja! Aber du weißt noch nicht mal was das für ein Geheimnis ist! Vielleicht ist es so dunkel, dass du es verstehen würdest, wenn du es känntest! Das würde überhaupt keinen Unterschied machen!

Unauffällig warf ich einen Blick auf Nathan, der wie ein unterwürfiger Welpe neben mir leise vor sich hin litt. Sofort wurde mein Herz weich und ich wand meinen Blick wieder von ihm ab. Nein, ich bin sauer auf ihn!

Lia, du weißt jeder hat eine zweite Chance verdient! Hör dir verdammt noch mal an was er zu sagen hat und von mir aus kannst du ihn dann bis auf sein Lebensende verfluchen! Entschlossen nickte ich unauffällig, damit niemand mitbekam, dass ich mit mir selber redete. So würde ich es machen!

Nachdem auch die Letzte Stunde vorbei war lehnte ich mich leicht zu Nathan, der genau so wie ich im Gegensatz zu den anderen ruhig auf dem Stuhl sitzen blieb und nicht überglücklich aus dem Klassenzimmer stürmte. "Ist es so schlimm?" begann ich unser Gespräch. "Was?" ertönte seine heisere Stimme. Er hatte genau wie ich heute kein einziges Wort gesagt.

"Dein Geheimnis." antwortete ich ohne ihn anzusehen. Wir saßen beide einfach nur da und starrten nach vorne an die leere Tafel. "Schon." Man konnte den Frust in seiner Stimme deutlich hören. "Willst du drüber reden?" fragte ich vorsichtig und erschreckte mich etwas als Nathan sich plötzlich mit geweiteten Augen zu mir umdrehte.

"Heißt das du gibst mir noch eine Chance?" fragte er hoffnungsvoll. Achselzuckend schaute auch ich ihn jetzt an. "Ich will wenigstens wissen wieso man mein fantastisches Leben mit anderen teilt." Ich musste schmunzeln, da Nathan ernsthaft Tränen in den Augen hatte. "Das könnte aber eine Weile dauern.." er schaute nervös auf die Uhr. "Morgen nach der Schule bei mir?" fragte er.

Ich nickte stumm und packte dann mein Zeug zusammen um die Schule endlich zu verlassen. Seufzend trat ich auf den Schulhof und erblickte Dylan, wie er mit gesenktem Kopf an seinem matt-schwarzen Audi R 8 lehnte. Langsam lief ich auf ihn zu und ignorierte dabei die neugierigen Blicke einiger Schüler. Ohne mich anzukündigen lief ich direkt vor ihn und zwang ihn mit meiner Hand an seiner Wange mich anzuschauen.

Seine sonst blau leuchtenden Augen starrten mich trist an und seine eigentlich glänzenden Haare hingen ihm kraftlos ins Gesicht. Tiefe Augenringe zierten seine Augen und er wirkte etwas blass. Sanft ließ ich meinen Daumen über seine Wange streichen, während ich seine Lippen musterte. Vorsichtig lehnte ich mich etwas vor und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Komm, wir fahren nach Hause." sagte ich und stieg dann auf den Beifahrersitz.

-My Life as Lia- Zusammenleben mit Badboys für AnfängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt