Baden

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Kleine Abkühlung gefällig? Dann viel Spaß beim nächsten Kapitel.

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Er ließ mir nicht einmal genug Zeit, meine Tasche auszupacken. Stattdessen stand er seit fünf Minuten in Badeshorts und mit umgehängtem Handtuch in meiner Tür und drängelte.

»Ich finde meinen verflixten Bikini nicht«, jammerte ich, während ich verzweifelt meine Tasche durchwühlte.

»Macht nichts, dann gehst du eben nackt. Da sieht uns eh keiner.«

Ich funkelte ihn wütend an, doch er grinste nur.

Irgendwann fiel mir der dunkelblaue Stoff doch in die Finger. Ich zerrte den Bikini heraus, schnappte mir noch ein leichtes Kleid und verschwand damit im Bad.

Wenig später kam ich umgezogen im Kleid und ebenfalls mit einem Handtuch wieder heraus und folgte Ed aus dem Haus, über den kurzen Waldweg bis zum See. Es war kein richtiger Badesee, jedenfalls gab es keinen Strand und es ging auch direkt sehr steil ins Wasser. Dafür war der See so wunderbar abgelegen, dass auch jemand wie Ed dort baden gehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, irgendwelche aufdringlichen Fans wie klebrige Algen mit aus dem Wasser zu bringen. Am anderen Ufer kamen manchmal einheimische Jugendliche, doch wir waren zu weit weg, als das sie ihn erkennen könnten. Außerdem kamen die bevorzugt abends und machten dort Lagerfeuer.

Der See glitzerte silbrig zwischen den Bäumen und tatsächlich freute ich mich. Ich wusste, wie kalt das Wasser sein würde, aber es war draußen mittlerweile ziemlich warm, so dass mir eine Abkühlung sicherlich gut tun würde.

Ed hing sein Handtuch über einen Ast und war schon mit den Füßen im Wasser.

»Was ist? Zu kalt?«, provozierte ich ihn.

Er drehte sich um und lächelte mich schalkhaft an. Er breitete die Arme aus und drehte sich langsam um sich selbst. Seine ganzen Tattoos leuchteten in der Sonne.

Was ich sah, gefiel mir. Er hatte einiges an Muskelmasse zugelegt seit dem Jugendalter, überhaupt wirkte er viel weniger gedrungen als ich ihn in Erinnerung hatte. Das Musikerleben schien ihn auch körperlich zu fordern. Wenn ich mich nicht täuschte, hatte er neue Tattoos am rechten Arm und am Bauch, aber genau wusste ich es nicht. Allzu oft sah ich ihn nicht ohne Shirt. Leider. Ich seufzte und hielt mir im gleichen Moment erschrocken den Mund zu. Wo waren diese Gedanken denn hergekommen? Durfte man seinen Kumpel überhaupt attraktiv finden?

Klar, beruhigte ich mich selbst. Wenn er schon was für die Augen war, durfte ich auch von meinem Sonderstatus als seine beste Freundin profitieren und mir anschauen, was mir geboten wurde.

»Komm rein, es ist wundervoll«, rief er mir zu und ließ sich im selben Moment rückwärts ins Wasser fallen. Die aufgewirbelten Wassertropfen flogen bis zu mir. Sie fühlten sich wie Nadelstiche auf meiner aufgeheizten Haut an. Vorsichtig ging ich an den Rand, schlüpfte aus der Sandale und hielt probeweise einen Zeh ins Wasser.

»Ihh, ist das kalt«, rief ich.

»Quatsch, man gewöhnt sich ganz schnell dran.« Ed schwamm in kräftigen Zügen zu mir und spritzte mich noch weiter nass.

Ich brachte mich mit einem kühnen Rückwärtssprung in Sicherheit und außer Reichweite.

»Jetzt komm rein, sonst hole ich dich«, kündigte er mir gutgelaunt an. Ich nahm seine Drohung dennoch ernst. Ins Wasser geworfen werden wollte ich nicht. Dann lieber langsam und vorsichtig reingehen.

»Nur, wenn du mich nicht weiter nassspritzt.«

»Mache ich nicht, komm!«

So ganz glaubte ich ihm nicht. Dennoch zog ich mir das Kleid über den Kopf und hing es neben sein Handtuch. Mit nackten Füßen tippelte ich über den kalten und pieksenden Waldboden ans Wasser. Ed hielt sein Versprechen, er schwamm wieder ein bisschen tiefer in den See und sah mich abwartend an.

Augen zu und durch, befahl ich mir selbst, hielt die Luft an und machte zwei schnelle Schritte ins Wasser. Sofort ließ ich die Luft zischend entweichen. Das Wasser ging mir bereits bis zum Knie und prickelte wie wild. Wenn ich ganz viel Glück hatte, würde sich meine Haut in kurzer Zeit taub anfühlen, dann war es wenigstens nicht mehr ganz so schlimm.

Der nächste Schritt. Das eisige Wasser schwappte bis zu meinen Oberschenkeln. Das schlimmste würde erst noch kommen.

Ed schwamm wieder näher.

Aus Angst, dass er mich doch reinziehen würde, ging ich noch zwei Schritte weiter. Als das Wasser meinen Bauchnabel erreichte, biss ich mir so fest auf die Lippe, dass es mir weh tat. Ich zog den Bauch ein so weit ich konnte, das half aber natürlich gar nichts. Meine Beine spürte ich schon gar nicht mehr.

»Wenn du so langsam reingehst, ist es viel schlimmer. Lass dich einfach fallen.« Eds Stimme war belegt. War er schon krank? Kein Wunder bei der Kälte.

Er tat so, als würde er nach meiner Hand greifen wollen, doch ich zog sie gerade noch rechtzeitig weg.

»Lass mich«, keifte ich. Er lachte.

Ich hielt meine Hände über Wasser, alles an mir war verkrampft. Warum tat ich mir das eigentlich an? So schön war das Zimmer auch nicht. Ich konnte genauso gut eines der Schlafzimmer im Erdgeschoss nehmen.

Bevor ich mich umdrehen konnte, war plötzlich Ed bei mir, griff nach meiner Taille und zog mich zu sich.

Ich schnappte nach Luft, konnte kaum atmen. Zu den Foltern des eiskalten Wassers an meinem Rücken und den Schultern kam ein noch viel verwirrenderes Gefühl, denn Ed drückte mich fest an seine Brust. Obwohl er inzwischen total ausgekühlt sein müsste, wärmte seine Haut meine. Ohne darüber nachzudenken, schlang ich meine Arme und Beine um seinen Körper und presste mich eng an ihn.

»Na na, nicht so stürmisch«, hörte ich ihn an meinem Ohr sagen. Seine Stimme war sehr tief und sanft, ich konnte keine Spur von Lachen darin erkennen.

Der erste Schock war überwunden und ich realisierte plötzlich, was ich hier tat. Ich strampelte wild, um mich zu befreien. Auch wenn dadurch meine einzige Wärmequelle wegfiel, musste ich von ihm wegkommen.

»Hey, das war gemein«, rief ich, als ich wieder einigermaßen normal atmen konnte. Immerhin hatte er recht gehabt, nach ein paar Sekunden fühlte sich das Wasser nicht mehr ganz so eisig an. Es war noch immer kalt, aber auszuhalten.

»Und? Ist doch schön, oder?« Er war schon wieder ein paar Meter vor mir.

»Nein, es ist eisig«, rief ich ihm mehr aus Trotz zu, konnte aber schon wieder lächeln.

Wir schwammen eine Weile umeinander herum, dann wurde es mir aber doch zu kalt und ich stieg wieder aus dem Wasser. Ed blieb noch drin, deshalb trocknete ich mich nur notdürftig ab und setzte mich auf einen abgesägten Baumstamm um auf ihn zu warten.

Gebannt folgte ich jeder seiner Bewegungen, erst im Wasser, dann als er ans Ufer kam. Ob wegen der Kälte oder weil er auf dem steilen Ufer nach Halt suchen musste, jedenfalls waren seine Bauch- und Armmuskeln ziemlich angespannt. Ich verstand gar nicht, warum er sich selbst immer als »Gnom« und »hässlich« bezeichnete, denn das war er ganz und gar nicht.

»Na? Hast du genug gestarrt?«, fragte er, als er neben mir stand und nach seinem Handtuch griff. Ich pfefferte ihm mein eigenes Handtuch entgegen. »Ich starre nicht.«

Er hob beide Augenbrauen und begann sich abzutrocknen.

Ich zwang mich, meine Augen von ihm abzuwenden und sah stattdessen auf den See hinaus.


Liebe auf Umwegen || Ed SheeranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt