Der Song

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Ich dachte eine Weile über die Frage nach, versuchte, mir Rico vorzustellen. Eigentlich war die Antwort klar. Ich schüttelte den Kopf.

Er lächelte. Erleichtert? Enttäuscht? Im Moment hatte ich keine Ahnung, was er dachte.

»Dann ist ein Liebeslied wahrscheinlich gerade keine gute Idee«, meinte er nur.

Da musste ich ihm recht geben.

»Dann vielleicht ein Song über uns beide? Du bist schließlich mein bester Freund.« Das war zumindest etwas, worüber ich mir vorstellen konnte, zusammen mit Ed einen Song zu schreiben.

Er sah ziemlich skeptisch aus, fand ich. »Wenn du meinst.«

Er fing an, ziellos auf der Gitarre herumzuklimpern. »Am besten, du überlegst dir zuerst, was du sagen willst. Also nicht wörtlich, sondern eher inhaltlich. Was soll rüberkommen?«

Ich merkte, dass sein Geklimpere doch gar nicht so ziellos war, sondern einem Takt folgte. Es war keine Melodie, mehr so ein Hintergrundgeräusch.

»Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, das heute machen zu wollen.« Ich sah an ihm vorbei aus dem Fenster. Ich fühlte mich überhaupt nicht kreativ. Ganz im Gegenteil. Mein Kopf war wie leergefegt. Mein Blick fiel auf Ed. Auf seinen Lippen lag ein verträumtes Lächeln. Ein Song über unsere Freundschaft? Es war an sich keine schlechte Idee. Aber was sollte ich da schreiben? Was machte unsere Freundschaft aus? Ich konnte ihm bedingungslos vertrauen. Außerdem hatten wir meistens viel Spaß miteinander. Aber auch in schlechten Zeiten standen wir einander bei. Soweit war das klar. Nur wusste ich nicht, wie ich das in einen Song packen sollte.

»Warum schreibst du nicht ein Lied über deine Liste?«

Ich sah auf und blickte direkt in Eds blaue Augen. Er hatte aufgehört zu spielen.

»Weil ich möchte, dass das ein Geheimnis bleibt.« Mein Tonfall machte deutlich, dass er das eigentlich wissen müsste. »Ich kann ja ein Lied über dein Geheimnis schreiben«, fügte ich bissig hinzu.

Er legte seine Gitarre zur Seite. »Brauchst du nicht. Das mache ich schon dauernd. Es merkt nur niemand. Aber wenn sich jemand mal die Mühe machen würde, sich die Texte genau anzuhören, der könnte es vermutlich erraten.« Er grinste ganz kurz, sah allerdings gar nicht glücklich aus.

»Echt?« Ich riss die Augen auf. Ich versuchte mir, ein paar seiner Texte ins Gedächtnis zu rufen, doch da fand ich nicht den geringsten Hinweis. Ich musste allerdings zugeben, dass ich bisher noch nicht so genau auf seine Texte gehört hatte, außer auf die offensichtlichen Sachen natürlich. Dabei wusste ich, dass er alles, was ihn bewegte, in seine Lieder steckte. Als eine Art Therapie, hatte er mir mal gesagt. Also warum nicht auch seine geheimnisvolle Gabe? Innerlich beschloss ich, mir bei nächster Gelegenheit noch mal alle Songs von ihm genau anzuhören.

»Und genauso könntest du es auch machen.«

Ich schreckte aus meinen Gedanken. »Was?«

»Du könntest deine Liste so in einen Song verpacken, dass niemand darauf kommen würde, dass es sich dabei um dein Geheimnis handelt. Jedenfalls niemand, der nicht davon weiß.«

Das klang logisch. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass mir dieses Thema leichter fallen würde.

»Ich ... ich könnte ja sagen, dass es sich dabei um Träume handelt. Meine Träume, die wahr werden sollen, oder so«, überlegte ich.

Ed nahm seine Gitarre und begann wieder zu spielen.

»Träume ... Träume ...«, hörte ich ihn murmeln. Dann verstummte er plötzlich. Er beugte sich über die Saiten und spielte immer wieder dieselbe Melodiefolge.

Liebe auf Umwegen || Ed SheeranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt