Meine geistige Abwesenheit blieb auch Sanni nicht verborgen. Trotzdem ließ sie mich in Ruhe, sammelte die Dinge, die mir heruntergefallen waren, geduldig auf und erinnerte mich regelmäßig daran, dass ich etwas essen oder trinken musste.
Am Abend war ihre Geduld dann am Ende. »Jetzt reicht es aber, Claire. Ich bin der Meinung, du hast jetzt lange genug nachgedacht. Dabei kommt ja anscheinend auch nichts Brauchbares raus. Ich werde dir jetzt helfen, eine Entscheidung zu treffen.«
Als hätte ihre Ankündigung den letzten Schalter umgelegt, den ich noch gebraucht hatte, wusste ich auf einmal, was ich machen wollte. »Gute Idee, Sanni. Ich mache eine Pro und Contra Liste und du hilfst mir dabei.«
Ihre Augen wurden kugelrund. »Was willst du machen?« Sie verzog das Gesicht. »Also daran hatte ich jetzt eigentlich nicht gedacht. Aber wenn es dir hilft, bitte schön.«
Es würde mir helfen. Früher hatte ich auch immer solche Listen gemacht, wenn ich eine Entscheidung treffen musste. Oft half es, wenn man schwarz auf weiß sah, wie viele Punkte für und wie viele gegen eine Idee sprachen.
Sanni holte einen Block und viele bunte Stifte. »Wenn wir schon so eine blöde Liste machen, muss sie wenigstens auch schön aussehen«, bestimmte sie. Ich ließ ihr ihren Willen.
Sie malte zuerst ein großes Kreuz auf den Block. In das linke obere Rechteck schrieb sie in leuchtendem Grün »Pro«, in das recht in Rot »Contra«.
Dann klemmte sie sich den roten Stift zwischen die Zähne und sah mich fragend an.
»Schreib rein, dass seine Fans mich verfolgen und vermutlich hassen.« Bisher hatte ich es erfolgreich vermieden, in sozialen Netzwerken nach Kommentaren über unsere gemeinsamen Auftritte zu suchen. Überhaupt hatte ich jeglichen Kontakt zu Medien in letzter Zeit vermieden. Ich wusste gar nicht mehr, was in der Welt los war.
»Das ist vermutlich Contra, nicht wahr?« Sanni grinste mich an. Das sah albern aus, weil sie noch immer den Stift mit den Zähnen festhielt.
Ich streckte ihr die Zunge raus.
Sie schrieb »Fans« mit dem roten Stift auf die Contra-Seite.
»Darunter kannst du gleich »künstliche Welt« oder »öffentliche Auftritte« schreiben«, bat ich. Eindeutig ein Contra. Vor allem wenn ich an diese Helena Carter dachte.
Als Sanni fertig geschrieben hatte, überlegte ich, was auf die Pro-Seite kommen könnte. Doch mir fiel wieder nur ein Contra ein. »Er ist oft nicht da.«
»Du bist zu negativ«, tadelte Sanni. »Er liebt dich, das ist ja wohl ein eindeutiges Pro.«
Ich nickte. »Und ich liebe ihn.«
Sanni nahm den grünen Stift und schrieb ganz groß »Ed liebt Claire« auf die Pro-Seite. Und direkt darunter »Claire liebt Ed.« Dann fügte sie aber gewissenhaft auch noch »Oft nicht da« auf die Contra-Seite.
»Alkohol und Drogen«, sagte ich.
Sanni sah mich mit mühsam unterdrücktem Lachen an. »Pro oder Contra? Oder brauchst du jetzt was?« Sie verlor den Kampf und prustete los.
Ich verdrehte die Augen, musste aber mitlachen. »Ein bisschen Alkohol wäre nicht schlecht, ja. Aber trag das bitte trotzdem unter Contra ein.«
Sanni sprang auf. »Wein oder gleich was Härteres?« Sie verschwand in die Küche, bevor ich etwas sagen konnte.
»Wein reicht aus«, rief ich ihr hinterher.
Kurz darauf hatte ich ein Glas Rotwein in der Hand und sah Sanni fasziniert dabei zu, wie sie eine Bierflasche und einen brennenden Joint auf die Liste malte. Immerhin auf die Contra-Spalte. Diese war jetzt auch schon fast voll. Dabei war ich noch gar nicht fertig. »Er ist so unvorhersehbar.«
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Liebe auf Umwegen || Ed Sheeran
RomanceClaire kennt Ed schon seit Kindertagen. Bei ihr findet Ed ein Stück Normalität. Sie hat in ihm jemanden, mit dem sie über alles reden kann. Wenn da nur nicht diese unerklärlichen Träume wären. Und als Ed ihr eines Tages versehentlich sein Geheimnis...