Die Kleiderfrage

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Pünktlich um zehn stand ich vor Sannis Tür, genauso wie wir es verabredet hatten. Ich musste nicht klingeln, denn ich sah sie bereits die Treppen herunterkommen.

Sie empfing mich mit einem breiten, anzüglichen Grinsen.

»Und? Wie war es?«

Ich schüttelte vage den Kopf. »Gut.« Das war glatt gelogen. Ich wusste ja, worauf sie anspielte und das war einfach nur schrecklich peinlich gewesen.

»Nur gut?« Sie betonte das Wort, als hätte sie sich verhört.

»Komm jetzt. Wir müssen ein Kleid kaufen gehen.« Ich warf ein Stoßgebet zum Himmel, dass mein Ablenkungsmanöver geglückt hatte. Hatte es natürlich nicht.

»Habt ihr nun miteinander geschlafen oder nicht?«

Ich zögerte, dann schüttelte ich wahrheitsgemäß den Kopf.

Sannis Augen wurden kugelrund. »Wie jetzt? Ed war über Nacht bei dir und es ist nichts passiert? Was stimmt nicht mit dir?«

Das fragte ich mich seit gestern Abend auch. Dennoch hatte ich das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen. »Ich hätte ja mit ihm geschlafen, aber er wollte nicht.«

Sanni blieb stehen. Sie hatte den Mund geöffnet, sagte aber nichts. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ihr seid alle beide komisch.«

»Was ist komisch daran, wenn er noch warten will? Ich freue mich jedenfalls, dass er so rücksichtsvoll ist.« Ich verpasste mir innerlich eine Ohrfeige. Warum konnte ich meine Klappe nicht einfach halten? Nichts davon entsprach der Wahrheit. Warum war es mir so wichtig, was Sanni von mir oder Ed dachte?

»Nichts«, sagte sie. In einem Tonfall, der das Gegenteil bedeutete.

Wir gingen zusammen zur U-Bahn-Haltestelle, die ganz in der Nähe lag. Sanni hatte gesagt, dass der Laden, den sie im Auge hatte, nur wenige Stationen entfernt lag.

Auf dem Bahnsteig drehte sie sich plötzlich zu mir um. »Jetzt hör mal! Ist mir egal, ob ihr beide mit dem Sex noch bis zur Silberhochzeit warten wollt oder nicht." Sie hob die Augenbrauen bis zum Anschlag. „Aber wir suchen dir heute ein Kleid aus, das ihn umhauen wird. Wenn er dich darin sieht, wird er an nichts anderes mehr denken können, als es dir endlich vom Leib zu reißen und dich so richtig ...«

„Sanni", zischte ich und blickte mich peinlich berührt um. Sie war immer lauter geworden. Mittlerweile hatten die ersten Leute ihre Köpfe zu uns gedreht.

„Was denn?", fragte sie unschuldig. „Du wirst es ja selbst erleben."

Ich schluckte. Plötzlich war mir beim Gedanken an die bevorstehende Shoppingtour ziemlich mulmig zumute. Vor allem deshalb, weil ich mir nichts sehnlicher wünschte, als dass Sanni und ich wirklich solch ein Kleid finden würden.

Zwanzig Minuten später betraten wir einen von außen relativ unscheinbaren Laden, in dem ich noch nie gewesen war. Drinnen war er jedoch alles andere als unscheinbar.

Im ersten Augenblick fühlte ich mich erschlagen von der Vielfalt der ausgestellten Kleider. Gleich darauf bemerkte ich, dass es wirklich nur Kleider waren, die hier hingen. Gut, an der einen oder anderen Stelle waren strategisch ein paar Schuhe platziert, natürlich alle mit schwindelerregenden Absätzen. Auch lagen überall Accessoires wie Schals, Tücher oder Boleros herum. Aber ansonsten gab es ausschließlich Kleiderständer mit Kleidern in allen Formen, Farben und Längen.

Sanni schien offensichtlich zu wissen, wo sie hinwollte, denn sie ging zielstrebig durch die Reihen mit luftigen Sommerkleidern, die in der Nähe der Tür aufgehängt waren, zu den eleganteren Modellen weiter hinten. Ab und zu hörte ich sie verzückt quietschen, doch sie sagte nichts, vermutlich um mich nicht jetzt schon zu verschrecken.

Liebe auf Umwegen || Ed SheeranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt