Warum musst du immer trinken, wenn es mal nicht gut läuft?

785 31 4
                                    

Cassie POV:

Ich wache auf. Ein Sonnenstrahl scheint durch das ungeschützte Fenster, als ich meine Augen öffne. Ein Glas, gefüllt mit bernsteiniger Flüssigkeit, steht auf dem Wohnzimmertisch und lässt mich aufzischen. Langsam kommt mir der Gedanke, dass ich Alkoholikerin werde, gar nicht mal so suspekt vor. In meinem Kopf wackelt alles nur so hin und her. Er fühlt sich an als sei ich die ganze Nacht Trampolin gesprungen und als habe ich damit mein Gehirn zu Wackelpudding transformiert. Dabei war es nur Alkohol, naja und der Brief meiner Mutter.

Schließ mal kurz für eine Minute deine Augen und denke an die Liebe.

Verdammt, ich habe es die ganze Nacht versucht und niemanden gesehen. Ich konnte nur an meine Mom denken und an ihre Worte. Dann muss ich wohl irgendwann eingeschlafen sein. Heute, einen Tag nach ihrer Beerdigung, auf der ich nicht einmal anwesend war, überkommt mich genau dieselbe Trauer, die ich bei Dad empfunden habe. Dabei hätte ich nie damit gerechnet. Ich habe Dad immer so geliebt, Mom aber habe ich fast mein halbes Leben lang gehasst. Sie hatte recht. Ich bin ihr so gut es ging aus den Weg gegangen. Und heute, eben genau einen Tag nach der Beerdigung wache ich betrunken in ihrem verschollenen Haus auf der Couch auf. Augenblicklich kommt mir der Gedanke, dass sie bestimmt auch oft hier saß. Wenigstens als sie noch gelebt hat. Tausende Fragen schießen mir in den Kopf. Was ist, wenn sie nicht wollte, dass ich auf dieser Couch trinke? Sie hat damals auch nie gewollt, dass ich mein Trinken mit auf die Couch nehme. Was ist, wenn sie nicht wollte, dass ich dieses Haus überhaupt betrete? Diese Frage ist unnütz, trotzdem frage ich es mich. Was ist, wenn sie sauer auf mich wäre? Was ist, wenn sie mich dafür hasst? Will sie, dass Will von der Adoption erfährt? Soll ich es ihm sagen? Hatte sie etwa nicht vor, ihm davon zu erzählen? Wäre sie sauer, wenn ich es ihm sagen würde? Würde sie mich dafür hassen? Warum hat sie ihm nie was davon gesagt? Hat Dad es genauso gewollt?

Ich bin verwirrt. Alarmiert erhebe ich mich von dem ungemütlichen Ledersofa und steuere wankend und durchströmt vom Alkohol auf das Esszimmer zu. Inzwischen sind alle Zettel und Unterlagen meiner Eltern wieder auf dem großen Eichentisch ausgebreitet. Ich habe gestern versucht, Ordnung in das Papierchaos zu bringen, es aber nicht wirklich geschafft. Erst habe ich versucht, die Unterlagen für Will auf einen Stapel und die persönlichen Unterlagen von Dad auf den anderen zu stapeln. Bei der Adoptionsurkunde war ich weg vom Fenster. Mein Handy hat immer mal wieder gebimmelt. Soweit ich weiß, habe ich mein Handy daraufhin geschrottet. Ich habe es gegen die Wand geschmissen und solange darauf getreten bis es nicht mehr gebimmelt hat. Außerdem habe ich alle Schränke nach Alkohol abgesucht und tatsächlich zwei Flaschen Snaps gefunden, von denen ich anderthalb bereits am Abend verschlungen habe. Jetzt, um neun Uhr morgens, bin ich immer noch betrunken genug, um mich zu sammeln. Meine Augen sind noch immer rot unterlaufen und meine Lippen aufgerissen. Doch das ändert nichts an meiner Stimmung. Ich will noch immer in das Auto steigen und zurück nach Ottawa fahren, mein neues Leben dort beginnen. Die Sache mit Mom vergessen. Ich will wieder normal sein, die alte Cassie, die seit dem Tod ihres Vaters nicht mehr geweint hat. Die Mauer um mich herum ist eingerissen, sie steht nicht mehr, jeder kann über die Befestigung klettern und das Innere angreifen.
Mein Inneres.

Jemand klopft an die Tür. Es hört sich durch meinen angeschwollenen Kopf an als habe jemand eine Lawine ausgelöst. Wieder ertönt ein Klopfen. Mit meinen schweren Knochen laufe ich langsam genug, dass die Person nochmal klopft, zur Tür und öffne sie. Erst denke ich, dass es ein aufgeregter Nachbar sei, dann weiten sich meine Augen.

Shawn.

Du hast dich um Shawn geklammert und nie mehr losgelassen.

Habe ich das? Habe ich nie mit der Highschool abgeschlossen und ihn immer wie ein Planet um mich kreisen lassen? Er ist unterwegs, während ich Zuhause darauf warte, ihn wiederzusehen?

Ja. Genauso ist es.

,,Was machst du denn hier?", frage ich ihn empört. Meinen Beinen traue ich genauso wenig, wie meinem Kopf. Also lehne ich mich lässig an den Türrahmen, in der Hoffnung, dass er nicht hereinkommt.

,,Was ist das?" Ich hasse Gegenfragen. Doch, wahrscheinlich wegen dem Alkohol, antworte ich ganz gelassen: ,,Mein Haus. Und was machst du hier?"

,,Dich und mein Auto suchen?!" Sein Ausdruck ist unergründlich, als er sich näher zu mir beugt und an meinem Atem schnüffelt. Ich hasse ihn. ,,Sag mal, hast du getrunken?"

Bestürzt nicke ich, enttäuscht von mir selbst. Ich sollte nicht trinken. Das weiß ich ja auch, aber es ist trotzdem nicht ganz so einfach, all das zu verarbeiten, ohne Alkohol zu trinken. Ich habe es bei Dad auch so gemacht und es hat geholfen.

Ich renne immer vor meinen Problemen weg. Das habe ich schon immer gemacht.

,,Warum musst du immer trinken, wenn es mal nicht so gut läuft? Entweder du ziehst Dir eine Alkoholvergiftung rein, oder du haust ab. Ist Dir das mal aufgefallen, Cassie?" Seine Stimme ist zwar noch so leise, dass nur ich ihn hier an der Haustür hören kann, aber sie ist bedrohlich. Gleich würde er ausrasten. Aber weil ich das verhindern will, sage ich nichts. Er prüft alle Züge meines Gesichts, während ich wie ein eingeschüchtertes Kind auf den Boden starre. Dann: ,,Willst du mir nicht antworten?"

Ich schüttle den Kopf. Rechts, links, rechts.

,,Warum nicht?" Jetzt ist seine Stimme noch leiser geworden, seine Miene ist sanfter als vorhin. Mit zweifelnden Gesichtsausdruck versucht er meinen Blick einzufangen, doch ich wende mich ab.

,,Wenn du deine Schlüssel haben willst, dann hole ich sie mal eben." Damit lehne ich die Tür an, bahne mir einen Weg zum Esszimmer, in dem alle Unterlagen noch liegen, laufe wieder zurück und reiße die Tür wieder mit einem Ruck auf. Shawn scheint noch immer verdattert dazustehen. Er rührt sich nicht, als ich die Schlüssel vor ihm auf den Boden werfe und mich selbstzweifelnd zurückziehe.

______________________________________________
Cause we're ordinary people...
Maybe we should take it slow...🙌🏻

Wie ihr vielleicht gemerkt habt, kommt zurzeit öfter ein Kapitel und auch unregelmäßiger, das liegt daran, dass ich zurzeit Ferien habe und deshalb sehr viel Zeit😂

Habt ihr auch schon Ferien?🙃

Hoffe euch hat das Kapitel gefallen☺️

To be continued...❤️

Like to be you [Shawn Mendes FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt