Flashback: Dasselbe Szenario nur ein paar Jährchen später...

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Cassie POV:

Ich mochte noch nie Beerdigungen. Dort ist alles so düster und alles strömt vor Traurigkeit. Wenn man einer der nahen Angehörigen ist, ist die Prozedur nochmal um das hundertfache schwerer. Alle haben Mitleid, besonders schlimm sind auch die mitleidigen Blicke der anderen Gäste. Im Grunde verstehe ich nicht einmal den Grund für so eine Beerdigung. Meine Mutter sollte verbrannt werden. Wir beerdigen also nur irgendeine Asche. Das ist nicht annähernd traurig. Zumindest nicht, wenn man nicht an einen geliebten Menschen denkt und daran, dass dessen Asche in dieser hässlichen braunen Urne liegt.

Die Leute, viele davon kenne ich überhaupt nicht, tätscheln mir reihenweise die Schulter, sprechen mit mir, drücken sich mit Gestik und Mimik aus, doch ich kann das nicht. Ich kann nicht lächeln und mich dann nett bedanken. Das funktioniert nicht so. Niemand weiß wie ich gerade in diesem Moment fühle, die Hand meines Bruders auf meinem Rücken, die immer wieder auf und ab fährt, wahrscheinlich um zu testen, ob ich noch atme. Es tröstet nicht. All diese Scheiße, die Leute zum Trösten versuchen, funktioniert nicht. Der Tod ist eine Qual, die nicht der Sterbende sondern die Angehörigen durchleiden müssen. Der Tod reißt die Mauern zum Herz auf und schafft es, das besagte Ursprungsorgan mit einer Hand zu greifen und es zwischen den Fingern zu zerdrücken. Je länger ich auch nur über mein zerquetschtes Herz nachdenke, desto mehr beginnt es wehzutun. Beim Anblick der Urne tut es weh, es tut weh, wenn Leute mich aus der Ferne aus anstarren uns sich sicherlich fragen, ob ich ihre Tochter war. Es tut weh, wenn ich darüber nachdenke, wie scheiße sie zu mir war, wie gemein sie mich im Vergleich zu Will immer vernachlässigt hat. Und es tut verdammt nochmal weh, zwei Häuser ohne Grund vererbt zu bekommen und eines davon nicht einmal zu kennen. Es tut verdammt weh und jeder Mensch, der einen Tod versucht kleinzumachen, wird daran zugrunde gehen. Man sollte offen darüber reden, über die Menschen so oft nachdenken wie es geht.

Das ist wichtig, denn irgendwann würde man sie vergessen. Dann eines Tages, gerade wenn man nicht an sie denkt und sie vollkommen weit entfernt sind, tauchen die Gedanken und Erinnerungen an sie auf und versetzen einen in eine Starre. In eine Starre, aus der man so leicht nicht mehr herauskommt.

Der Blick meines Bruders trifft meinen und er flüstert mir etwas sanft ins Ohr. Nur leider kann ich das nicht. Ich kann's nicht hören, es ist zu weit entfernt. Seine Worte scheinen unerreichbar, völlig aus einer anderen Dimension, eine Millionen Meilen entfernt. Er beugt sich vor, nimmt mir die Karten, die mir liebevoll von zahlreichen Gästen in die Hand gegeben wurden, aus der Hand und legt sie auf den Geschenktisch ab. Kurz darauf liegt seine Hand wieder auf meinem Rücken und gleitet wiederholt auf und ab. Er führt mich durch das überfüllte Wohnzimmer, ist meines Erachtens nach jederzeit bereit mich aufzufangen, sollte ich umfallen. Die letzten Stunden hat er mich nicht aus den Augen gelassen. Er war immer da. Heute hat er noch keine Träne vergossen. Während er am Anfang total fertig war und ich die Sache währenddessen noch gelassen angegangen bin, ist nun, heute, er derjenige, der die entspannteste Miene aufgelegt hat. Ich bin währenddessen eine tickende Zeitbombe, die jede Minute in sich zusammenbrechen wird.

,,Ich nehme Dir die Karten mal ab.", sagt mein Bruder nun wieder neben mir und greift nach meiner Hand. Ich entspanne meine Hand und lasse ihn die Karten auf den Tisch legen. Nachdem er dies getan hat, dreht er sich lächelnd zu der Masse um und sagt laut genug, dass ihn jeder hören kann: ,,Machen Sie sich bereit! Wir können nun den Marsch angehen."

Ich weiß nicht, ob er lustig sein wollte oder einfach nur positiv an diese Folter herangehen möchte, doch er hat dieses Lächeln auf seinen Lippen, dass ihn geisteskrank wirken lässt. Im Wohnzimmer wird es lauter, die peinliche, erdrückende Stille bricht und alle wollen so schnell wie möglich aus diesem Haus raus. Ich nicht. Ich würde mich am liebsten in Moms Bett legen und weinen. Weinen bis sie wieder da ist. Weinen bis sich diese lange andauernde Situation in meinem Leben beruhigt oder in Luft aufgelöst hat. Doch das wäre unvernünftig und Will würde das niemals zulassen. Also laufe ich einfach meinem Bruder und seiner Frau hinterher. Sie bleiben einmal kurz stehen, um sich ihre Jacken anzuziehen, ich tue es aus irgendeinem unverständlichen Grund nicht. Vermutlich hoffe ich zu erfrieren noch bevor wir am Friedhof angekommen sind. Der ,,Mann" meiner Mutter ist auch hier. Mr. McAllister. Mein ehemaliger Dozent, der sie einfach so geheiratet hat, ohne dass sie ihren Kindern davon erzählt hat.
Bis jetzt bin ich ihm aus dem Weg gegangen, doch als er neben mir auftaucht und schweigsam, irgendwie auch angeschlagen neben mir her läuft, werde ich weich. Er ist der Erste, mit dem ich heute rede.

,,Haben Sie eigentlich Kinder?", frage ich interessiert, in der Hoffnung, dass seine Worte mich ablenken würden. Doch das tun sie nicht. Sie versetzen mich nur noch mehr in Starre.

,,Außer euch beiden, nein. Weißt du, ich kannte deine Mutter schon vor deinem Vater. Sie war meine Highschoolliebe. Jeder wollte sie. Sie war echt begehrt, weißt du?"

Jetzt wirkt er nachdenklich. Ich hingegen rase. Mitten in meiner Bewegung bleibe ich stehen. Ich unterbreche jeden Gedankengang.

,,Haben Sie gerade behauptet, dass Sie mein Vater wären und wir Ihre Kinder?" Nun bleibt auch er stehen. ,,Wie können Sie es auch nur wagen, von ihr so zu reden?"

Tränen sammeln sich in meinen Augen, doch ich kann nicht aufhören, mich aufzuregen. Er verhält sich so, als haben wir ein sehr sehr starkes Vater-Tochter-Verbündnis, obwohl ich ihn nicht wirklich kenne. Und jetzt will er mir auch noch irgendwelche Highschool-Geschichten über meine Mutter erzählen.

Nein, ich kann das nicht!

,,Entschuldigung, ich wollte nicht-", fängt er an, doch ich unterbreche ihn.

,,unhöflich sein?" Ich mache eine kleine Pause. ,,Nun das waren Sie jedoch. Viel Spaß noch."
Mit diesen Worten quetsche ich mich durch die Menge vor, bis in die vordere Reihe, in der die gesamte Familie Mendes läuft. Sie unterhalten sich lachend, Karen erblickt mich hinter sich und legt mir schweigend einen Arm um die Schulter, ohne mich auch nur anzusprechen. Sie weiß ganz genau, dass ich nicht mit ihnen reden kann. Ich kann ja nicht einmal mit Will reden.

Nicht heute.

Ich kann das nicht.

Zumindest nicht heute.

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Hey hoo guys...🥴

Heute ist mein letztes Saisonspiel. Ich sitze so im Bus und schreibe vor mich hin. 🤯
In zirka fünf Minuten sind wir übrigens da. 😂

Von daher: Bye 👋🏻

I hope you enjoyed😁

To be continued...❤️

Like to be you [Shawn Mendes FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt