Vielsagende Stille...

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Ich weiß nicht, was ich besser finden soll.
Auf jeden Fall habe ich zwei Möglichkeiten.

Erstens: Es über mich ergehen lassen.
Oder zweitens: Rennen!

Obwohl ich die zweite von der Idee her besser finde, bleibe ich auf der Stelle stehen und starre auf die Nasenspitze meines Gefährten. Konstantin kommt mir immer näher. Und näher, dann handelt es sich nur noch um Zentimeter. Ich fühle seine Lippen schon sanft auf meinen, als ein Bild von einem Jungen vor meinen Augen erscheint. Er hat lockige schwarze Haare und heißt zu meiner nicht wirklichen Überraschung Shawn Mendes.
Seine Lippen drücken sich auf meine, als ich die Chance ergreife und ihn von mir wegstoße. Und als gäbe es einen Gott, der als mein Keuschheitsgürtel fungiert, piept in diesem Moment mein Handy. Einmal. Ich ignoriere es und starre noch immer auf die Nasenspitze von Konstantin. Dann piept es noch einmal. Und nochmal. Konstantin schreckt als Erster aus seiner Starre auf und lässt seine eisblauen Augen über mein Gesicht fahren. Als mein Handy dann nochmal in meiner Hosentasche piept, reiße ich Konstantins Hände an meiner Hüfte weg und grabe ich meiner Arschtasche danach, ehe ich abnehme. Erst denke ich an Crissy, meine Laborpartnerin in Chemie, was ich gerade schwänze. Doch als ich auf den grünen Hörer tippe und das Mobiltelefon an mein Ohr halte, erstarre ich.

Heftiges Atmen. Lautes Atmen, gepaart mit kurzen Schluchzern. Mein Herz bleibt stehen, ich fange augenblicklich an zu schwitzen. Panik macht sich in mir breit. Ich kann nicht klar denken, mich nur wegdrehen. Nach ein paar Wiederholungen dieses Kreislaufes, sagt dieser jemand am anderen Ende der Leitung etwas.

Die Stimme erkenne ich sofort. Die Stimme meines Bruders ertönt erst ganz leise und ohne Nachdruck, dann wird sie lauter und ich kann verstehen, was er sagt.

,,Cassie, wir schaffen das. Du musst nur zurück kommen.", nuschelt Will in den Hörer, doch ich verstehe gar nichts mehr. Wie hat er diese Nummer bekommen? Wieso lässt er mich nicht in Ruhe? Und vor allem: Was ist passiert? Irgendwas muss ja passiert sein. Warum sollte er mich sonst anrufen und heulen wie ein Schlosshund?

,,Will?" Meine Stimme ist brüchig, als ich Konstantins Blick entweiche und mich von ihm wegdrehe. ,,Was ist passiert?"
Seine Antwort kommt schnell.

,,Kannst du nicht einfach wieder-"

Vollidiot!

,,Sag mir, was passiert ist!"

,,Es-" Er macht eine Pause, in der er wieder stark die Luft einzieht, sowie er es eben auch schon getan hat. ,,Es geht um Mom."

Stille. Von uns beiden. Nicht nur er und ich schweigen, auch Konstantin hält gespannt die Luft an. Dann kapiere ich.

Die ganzen Nachrichten nur wegen Mom. Die schlimmste Befürchtung macht sich in mir breit und zieht sich bis in mein Herz. Eine imaginäre Hand schließt sich um mein Herz und drückt fest zu. Das Blut bleibt mir in den Adern stecken und scheint sich dort zu verdicken, da die Welt sich um mich herum anfängt zu drehen. Ich laufe los, ohne dass ich es wirklich merke und ziele die nächstliegende Bank an, auf die ich mich fallen lasse. Ich sehe, höre und fühle nichts mehr, nicht einmal den kalten Wind an meinen Schultern, bis ich die Stimme meines Bruders an meinem Ohr wahrnehmen kann.

,,Sie ist heute morgen gestorben." Die nächste Pause scheint er wohl zu brauchen. ,,Ich wollte dich auch dann schon anrufen, aber ich konnte es irgendwie nicht." Es ist tiefster Winter. Das heißt, dass es nicht die beste Idee war, nur in Pulli rauszugehen. Zudem schneit es, die Bank, auf die ich mich niedergelassen habe, ist eingeschneit, doch das alles empfinde ich als derbe unwichtig.

Sie ist heute morgen gestorben.

Ich kann es nicht ändern. Trauer, gepaart mit ein wenig Hass, überrollt mich und versetzt mich in eine Gedankenspirale, in der ich die nächsten fünf Minuten versinke. Will redet und redet, hört gar nicht mehr auf, sich über den Tod unserer Mom zu beklagen. Doch ich sage kein Wort. Meine Gedanken sind bei Mom. Bevor sie krank geworden ist, war sie eine so tolle Person. Ich habe sie wirklich gern gemocht. Tränen kullern mir die Wangen hinunter, obwohl ich noch in Gedanken an sie denke. Der Schock sitzt tief, aber die wahre Mom hätte nicht gewollt, dass wir den ganzen Tag nur wegen ihren Tod heulen. Sie hätte gewollt, dass wir unser Leben so schnell wie möglich weiterleben und trotzdem noch an sie denken. Laut Will hatte sie einen Schlaganfall. Niemand konnte mehr was für sie tun.

Meine Mutter ist heute morgen gestorben.

Noch lösen diese Worte wenig in mir aus, der Schock sitzt zu tief. Eine Sache allerdings weiß ich. Ich muss zurück. Zu meiner noch übrigen Familie, zu den Mendes' und vor allem zurück nach Hause. Wenn auch nur für ein paar Tage. Aber ich muss dahin und so trauern wie es nunmal für Mom angebracht ist. Trotzdem entschließe ich mich insgeheim dazu, erst morgen du fahren.

Meine Mom ist heute morgen gestorben.

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Kleine Anmerkung: Passe gerade am frühen Morgen auf meinen kleinen Bruder auf, er ist manchmal sooo nervig. Und mit nervig meine ich nicht diese kindliche Art, sondern eher seine Klugscheißerei, die mich den ganzen Tag begleitet. 😓Er ist gerade mal sechs und nicht einmal in der Schule. Trotzdem tut er so, als habe er schon Mathematik, jegliche Naturwissenschaften und Jura in einem studiert. Was eine Bestie!!!!😡😡😡

Whatever...🙄
Ich hoffe natürlich trotzdem, dass euch das Kapitel gefallen hat😄

To be continued...❤️

Like to be you [Shawn Mendes FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt