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,,Ginny... wie stehst du eigentlich zu wahrsagen?" 

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Eine Weile lang antwortete sie nicht. In dieser Zeit beruhigte ich mich. Soweit ich im eher schwachen Licht erkennen konnte, sah sie starr nach vorne.
,,Du... denkst nicht, dass es Träume gibt, die Realität werden können?", hakte ich vorsichtig nach.
Ihre Reaktion war überraschend heftig.
,,Hermine, was auch immer du da geträumt hast, es war nur ein Traum, bei Merlins Bart!", flüsterte sie etwas lauter als vermutlich beabsichtigt. Ich zuckte leicht zusammen.

,,Du glaubst also nicht daran?", fragte ich. Eine verschwitze braune Locke fiel mir ins Gesicht und ich strich sie hinter meine Ohren. 
,,Sicher nicht?"-,,Rede keinen Blödsinn, Hermine, sonst wirst du noch so eine Spinnerin wie Trelawney." ,,Aber es gibt auch echte Wahrsager." 

,,Du gehst nicht in Wahrsagen, aber ich, und soweit ich weiß, ist das ein Gen und vererbbar. Waren deine Eltern Wahrsager? Oder vielleicht deine Großeltern?"
,,Nein, aber...", 
erwiderte ich noch nicht ganz überzeugt. Ich wusste auch selbst nicht, wieso ich so irritiert war, schließlich war das nicht der erste Albtraum gewesen, den ich jemals gehabt hatte, aber definitiv der realistischste.
,,Na siehst du. Es wird schon Wahrsager geben, aber du bist keiner und Trelawney ist keine, so viel steht fest." 

Ich nickte.

,,Wie spät ist es? Zahlt es sich noch aus, ein wenig zu schlafen?", fragte ich und gähnte kurz. ,,Nein. Nimm lieber ein Bad, du Glückliche darfst ja das Vertrauensschüler-Bad benutzen. Eine heiße Dusche würde dir zum Beispiel gut tun." 

Meistens hatte Ginny recht, zumindest in vielerlei Hinsicht und so beschloss ich, ihrem Rat Folge zu leisten. Erneut nickte ich und stand dann aus dem Bett auf. 

Das Vertrauensschüler-Bad lag im ersten Stock, und so machte ich mich auf, um es zu besuchen. Um diese Uhrzeit trieben sich noch nahezu keine Schüler auf den Fluren herum- gottseidank, denn so sah mich niemand wie eine Leiche herumschlurfen. 
Dann erreichte ich es und schloss erleichtert die Türe hinter mir.
Während ich mich in den Spiegel an der gegenüber gelegenen Wand sah, erschrak ich. Das Schlafshirt klebte an mir, die Haare fielen mir verschwitzt in die Stirn.

Hätte man mich so gesehen, wäre ich wahrscheinlich für immer als das Gespenst von Gryffindor in die Geschichte Hogwarts eingegangen. 
Aber ich sah nicht nur so aus, ich fühlte mich auch so.

Ich war nicht wirklich ein Freund von ausgedehnten Bädern, weswegen ich die Vorzüge des Vertrauensschüler-Bades erst wenige Male genossen hatte, doch ich war jedes Mal überwältigt von der Liebe zum Detail, mit der man es erbaut hatte. 
Die "Badewanne" war eher ein Schwimmbecken und wie als hätte das Bad auf mich gewartet, duftete es schon nach meinem Lieblingsduschschaum.

Ich vergewisserte mich mit einigen Blicken, ob ich auch alleine war und legte dann die Kleidung ab. Sicherheitshalber verschloss ich die Türen, damit ich in nächster Zukunft nicht gestört wurde oder in sonstige unangenehme Situationen geraten würde.
Das Wasser war weder zu heiß noch zu kühl und erschöpft ließ ich mich in das große Becken sinken. Die Hitze lockerte beinahe sofort meine Muskeln und ich entspannte mich Stück für Stück.

Ein Blick auf den Spiegel zeigte mir, wie übernächtigt ich aussah. 
Dunkle Ringe zierten meine Augen, mein normalerweise so voluminöses braunes Haar hing schlaff hinab. 
Die Haare konnte ich waschen und ein wenig Make-Up erledigte auch das Problem mit den Augenringen, aber innerlich fühlte ich mich leer, während ich immer noch leicht zitterte, was aber nicht an Kälte lag. 

Selbst wenn der Traum nur ein Traum war, wieso sollte meine Tochter mich auf diese Art verraten? Schier undenkbar. 
Hätte ich eine Tochter- ich würde sie lieben und verehren, die kleine Mini-Version von mir selbst. Ich schloss die Augen und ließ mich erneut in das warme Nass sinken. 
Für einen kurzen Moment vergaß ich all meine Probleme, nur das dumpfe Gefühl im Magen blieb. 
Es fühlte sich beinahe wie Schuldbewusstsein an, aber ich hatte doch nichts falsches gemacht. Dennoch war ich mir ganz sicher, dass irgendetwas nicht stimmte.

Mein Bauchgefühl täuschte mich selten.

An Land blieben Tränen, doch im Wasser lösten sie sich auf und wurden zu dem Element. 
So konnte man im Wasser fliegen, während das Gewicht der vergossenen Tränen einen auf der Erde fesselte. Ein schöner Gedanke, wie ich fand.
Nun, ich flog. 
Die Leere in mir, sie ließ mich schwerelos fühlen, nur das dumpfe Pochen meines Herzens erinnerte mich daran, dass ich existierte und doch ein Nichts war in diesem Universum. Zeit? Was war das? 

Eine Zeit lang war nur das ruhige Plätschern des Wassers zu vernehmen.

Als ich befand, genug gebadet zu haben, stieg ich über die Leiter aus dem Becken. 
Ich trocknete mich mit einem magischen Handtuch, welches alle Nässe von meiner Haut entfernte, und bürstete meine wilde Lockenmähne.
Würde ich das jetzt nicht tun, wäre dies ein unmögliches Vorhaben.
Eigentlich hatte ich immer alle Mädchen mit glatten Haaren beneidet, immerhin mussten sie nicht täglich mindestens zwanzig Minuten mit einer Bürste gegen ihre widerspenstigen Locken kämpfen.

Kleidung hatte ich mir in weiser Voraussicht ins Bad mitgenommen.

Fazit: Ich sah zwar wieder aus wie ein Mensch, fühlte mich aber keinen Deut besser als vorher. Das schlechte Gefühl wich nicht. 
Schnell hatte ich mir das weiße Hemd und den Rock angezogen, die Krawatte gebunden und den Umhang übergezogen. Kritisch beäugte ich mich im Spiegel. 
Das musste so gehen
Mit den Fingern befühlte ich die weiche Seide des Umhanges. Schon bei dem ersten Mal anziehen war mir aufgefallen, dass Umhänge sich wunderbar an der Haut anfühlten und in der Schuluniform fühlte ich mich normalerweise mehr als wohl.

Sie gab mir das Gefühl, wo dazuzugehören. 

Ein letztes Mal atmete ich tief durch. Ich würde schon irgendwie den heutigen Tag überleben, wenn auch mehr schlecht als recht, aber doch. 
Es fühlte sich so an, als hätte ich die ganze Nacht nicht geschlafen, das konnte nicht normal sein. Nicht, dass ich nicht schon zuvor Albträume gehabt hatte, aber dieser war... besonders. Und das nicht im positiven Sinne. 

Wieso musste das alles nur mir passieren? 

Wieso war ich nicht eine ganz normale Hogwarts-Schülerin, mit ganz normalen Freunden? 

Das fragte ich mich nicht zum ersten und sicher nicht zum letzten Mal. 

By: rose_jeon

Spring affair ~ DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt