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Ich erzählte weder Ginny noch Harry noch irgendwem von dem, was ich gehört hatte. Es würde sich einfach falsch anfühlen- deswegen schwieg ich. Niemand bemerkte etwas von meiner Niedergeschlagenheit, sie waren zu berauscht von dem Ball.
Dafür, dass ich jetzt gerade der glücklichste Mensch dieser Welt sein müsste, war ich verdammt unglücklich. 

Als ich mich an diesem Abend ins Bett legte, weinte ich, bis ich das Gefühl hatte, keine Tränen mehr zu besitzen.
Sorge um Harry und um Draco... ich kam nicht zur Ruhe.
Stattdessen wälzte ich mich mit pochenden Kopfschmerzen herum und schluchzte leise.
Die Mädchen, mit denen ich mir das Zimmer teilte, bemerkten es zwar, ignorierten mich aber.

Sie hatten nie die Probleme gehabt, die ich hatte.
Sei es, wegen meiner Abstammung gehasst zu haben, oder zu wissen, dass ein einziger Fehler das Leben seiner Freunde kosten könnte. Sie würden später einmal einen magischen Mann heiraten, magische Kinder bekommen und zu Teepartys gehen.
Vielleicht würden sie im Ministerium arbeiten und einfach, weil sie dieses bequeme Leben behalten wollten, das Böse ignorieren, alles nur durch Scheuklappen wahrnehmen.

Manchmal, nicht erst dieses Jahr, auch die Jahre davor, wünschte ich mir, ebenfalls wie sie zu sein.
Ich verfluchte manchmal, mit Harry Potter befreundet zu sein und hasste mich dafür.
Und außerdem- wenn ich keine so eine Streberin wäre... hätte ich dann mehr Freunde gehabt? Wollte ich das überhaupt?

Ich presste mein Gesicht fest gegen die roten Polster und ignorierte die warme Nässe, die sich erneut dort ausbreitete.
Meine Augenlider waren schwer, aber ich konnte sie nicht schließen. Die Schatten an den Wänden, die wellenartigen Bewegungen der rot-goldenen Vorhänge und das leise, rhythmische Atmen meiner Mitbewohnerinnen, manchmal von Schnaufen oder Rascheln von Decken übertönt, all das schien mein Feind zu sein.

Dieses Gefühl kannte ich bereits gut. In der zweiten Klasse hatte ich das selbe gefühlt, als ich kurz davor war, das Rätsel der Kammer des Schreckens zu lösen.
Es war Verzweiflung.
Ich kam mir so klein vor, die Gefahren waren so viel größer und es war schier unmöglich, vernünftig zu bleiben.

Mit diesem Gedanken schlief ich schließlich ein.

Am nächsten Morgen waren die Kopfschmerzen stärker geworden und kaum aufgestanden, war ich bereits im Bad, um mich geräuschvoll in die Toilette zu übergeben.
Nur am Rande bekam ich mit, wie erst Ginny dann Pansy Parkinson geholt wurde.
Immer wieder verkrampfte mein Magen und ich sank zusammen, nur um von den Kontraktionen geschüttelt zu werden.
Eigentlich war es mir auch egal, denn ich fühlte mich elend, wie durch den Fleischwolf gejagt. Pansy hielt mir die immer noch sehr glatte Haarmähne aus dem Gesicht, während Ginny meinen Rücken streichelte.

,,Was hat sie?", fragte ein Mädchen panisch, als mein Körper jegliche Anspannung verlor und ich auf den kalten Fliesenboden sank.
Normalerweise dürfte er nicht so eiskalt sein, aber ich brannte und meine Haut war wie Feuer, so heiß. Ich musste Fieber haben.
Rasselnd holte ich Luft, ehe ich erneut in die Toilette spuckte und in krampfhaftes Weinen ausbrach.

Mein lautes Schluchzen schüttelte meinen Körper und ich übergab mich erneut, nur um dann wieder zu Boden zu sinken.
Am liebsten wäre ich gestorben.
Man stieß mir tausende Messer in die Eingeweide und drehte sie herum, so fühlte es sich zumindest an.

,,Hol Madame Pomfrey", wies Pansy Ginny harsch an und diese nickte.
Sie erhob sich und drehte sich auf den Absätzen um, warf dabei aber vorher noch einen Blick auf mein erbärmliches Abbild.
Dann war sie weg.
Die Berührungen an meinem Rücken hatten aufgehört und es begann, mir Angst zu machen.

Ginny war eine meiner ältesten Freundinnen und auch wenn ich Pansy echt gerne mochte, ich wollte sie hier, jetzt.
,,Wird sie sterben?", fragte eine leise, zaghafte Stimme, die ich nicht kannte. ,,Verschwinde", kam die grobe Antwort, ,,verschwinde, bevor ich dir Beine mache!"

Ich schaffte es gerade noch, mich aufzurichten, dann entleerte sich mein Magen abermals.
Punkte tanzten vor meinen Augen, ich spürte; wie mir mein Bewusstsein immer mehr entglitt- aber das war gut so, dann dann würden diese Schmerzen aufhören, diese schrecklichen Schmerzen.

Ab da verging die Zeit in einem komischen Rausch.
Ich wachte in einem weißen Raum auf, verlor abermals das Bewusstsein. Da war ich noch alleine, aber als ich ein zweites Mal meine Augen aufschlug, saß Harry an meinem Bett. Er hatte seine Brille abgenommen und rieb sich die Narbe auf seiner Stirn.
Sofort überkam mich wieder die Übelkeit. Ich kannte den Grund für diese Schmerzen... Voldemort war nah, so nah... aber kein Ton verließ meine Lippen.

,,Du jagst uns allen einen Heidenschrecken ein", sagte er, als er bemerkte, dass ich wach war und lachte grimmig.
Endlich hatte ich die Kontrolle über meine Stimme wieder- aber erst nachdem ich mich mehrmals geräuspert hatte.
,,Draco auch?"
,,Draco kommt fast um vor Sorge", seufzend erhob er sich von dem Sessel neben meinem Bett.

Es kostete mir viel Kraft, meinen Kopf zu heben, meine Hände waren bleich wie das Laken, auf dem ich lag.
,,Kann er kommen?"
,,Ich hole ihn", sagte Harry und machte dann Anstalten, mein Krankenzimmer zu verlassen. ,,Nein", rief ich ihn zurück und lachte rasselnd, ehe ich mit der Zunge über meine trockenen Lippen fuhr, ,,ich muss mit dir zu zweit reden."

,,Was ist los, Mine?", ich überhörte die warme Fürsorge in seiner Stimme nicht und als er die Hand hob, um mir das verschwitzte Haar aus der Stirn zu streichen, überkam mich eine weitere Woge der Dankbarkeit und Zuneigung zu meinem ältesten, treuesten Freund.
Da ich seit ich sechs war eindeutige Zeichen der Magie gezeigt hatte, war ich für die Muggeln ein Freak gewesen.

Meine Mutter bestätigte mein Verhalten in ihrem Glauben in das Übernatürliche und ich meinte, ihre kalten, zerbrechlichen Hände zu fühlen, die über meine Haut strichen und ihre Stimme zu hören, die mir erzählte, dass ich etwas Besonderes sei... eine Fee und dass sie mich mehr als alles andere auf dieser Welt liebe. Dann fühlte ich im Geiste ihre stets kühlen Lippen, die mir einen Kuss auf die erhitzte Stirn hauchten.

Es war schon komisch- sowohl bei den Muggeln als auch bei den Zauberen wurde ich ausgeschlossen.
Ich war kein normaler Mensch, aber auch keine normale Hexe und diese Erkenntnis in der ersten Klasse hatte mir wehgetan.
Mehr als wehgetan.

,,Draco... das alles ist kein Spiel mehr, Harry. Ich glaube, nein, ich weiß, dass... dass ich ihn liebe. Und... ich wäre echt glücklich, wenn... wenn du beginnen könntest, ihn zu mögen. Du hast ihn als meinen falschen Freund akzeptiert, wirst du... wirst du ihn auch als meinen richtigen akzeptieren?"
Über Harrys Lippen huschte ein kleines Lächeln.
,,Solange er dich glücklich macht, Mine. Solange er dich glücklich macht, akzeptiere ich sogar einen Troll."

Mein Schlag gegen seinen Oberarm fiel sehr viel schwächer als geplant aus.

Spring affair ~ DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt