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Nachdem er gegangen war, machte sich Stille breit. Stille, die so erdrückend war, dass sie bereits wieder laut schien.
Ron leckte sich nervös über seine Lippen. Er wirkte angespannt und ich war es ebenso. Dieses Gespräch würde nicht leicht werden. 

,,Hör mal", begann er schließlich und ich hob den Blick, den ich bis zuvor gesenkt gehabt hatte.
Es kam mir beinahe lächerlich vor, in diesem ganzen Tumult so ein Gespräch zu führen, aber es ging um Leben und Tod. Jetzt oder nie.
Es machte mir Angst, dass so viele meiner Entscheidungen endgültig waren.

,,Ich bin nicht wirklich reif und klug. Ich habe Probleme damit, mit Mädchen umzugehen, ich betrüge sie oft und habe nie wirkliche Gefühle für sie. Aber dich... du warst für mich immer so viel mehr als eine kleine Verliebtheit. Du bist meine beste Freundin, Hermine, meine Vertraute. Und ich habe dich verletzt.
Es gibt viele Dinge, die an mir nicht perfekt sind. Ich bin manchmal eifersüchtig, sturköpfig", begann er und zog mich mit seinen Worten in seinen Bann.
Hatte ich mich in ihm geirrt? War er geistig bereits weiter als bisher angenommen?

,,Im Vergleich zu Malfoy bin ich Nichts und das macht mich wütend. Als Ginny mir erzählt hat, dass du mich liebst, war ich glücklich. Nicht, weil ich mit dir etwas anfangen wollte, sondern weil du nicht den perfekten Potter gewählt hast, sondern mich. Du hast einen Mensch in mir gesehen, den nicht einmal ich sehe.
Dafür bin ich dir dankbar. Ich hasse mich dafür, wie oft ich mich mit Harry vergleiche, weil ich weiß, dass es im Endeffekt nichts zählt.

Ich war eifersüchtig, als du etwas mit Malfoy begonnen hast. Nicht, weil ich dich auf diese Art Liebe, sondern weil ich mich gefühlt habe wie ein ausrangiertes Spielzeug.
Wenn du dieses Verhalten nicht verzeihen kannst, tut es mir leid. Das ist nicht einmal so wichtig, auch wenn ich der Meinung bin, dass ich nichts unverzeihliches getan habe.

Ich bin kein edler Mensch, aber für meine Freunde tue ich alles. Ich habe Mädchen geküsst, ich liebe Lavender, ich bin manchmal zickig. Aber ist das ein Grund, weshalb du mich hassen sollst? Weil ich mein eigenes Leben lebe?"

Dieser Vortrag- es war mehr ein Vortrag als eine Aussage- war diffus. Was wollte er damit bezwecken? Sich entschuldigen? Oder nach Rechtfertigungen suchen?
Rechtfertigungen wofür?
,,Halt den Mund", sagte ich und zog ihn in meine Arme.

Sein Herzschlag war schnell, er atmete hektisch. Ronald Weasley war komplett nervös.
Ich fuhr durch seine weichen, roten Haare und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab.

Vier Jahre Freundschaft waren nichts, was man so einfach wegwarf. Ich hielt ihn fest, als seine Schultern zu beben begonnen.
All der Druck und die Angst fielen von ihm ab, immer weiter und er holte tief Luft, wobei ein Schluchzen seiner Kehle entkam.

Als er sich vorsichtig von mir löste, blieb seine warme Hand trotzdem um meine Taille liegen. Sie fühlte sich zu warm an, dieser Platz war nicht für ihn reserviert.
Ich wollte sie vorsichtig wegtun, aber sie blieb liegen. Mir stockte der Atem.

Ich war hier alleine mit Ron.
Er fasste mich an.

Die Position in der wir waren, konnte sehr leicht falsch verstanden werden, aber es war ja niemand in der Bibliothek. Und obwohl es sich falsch anfühlte, konnte ich nicht leugnen, dass sich der Halt gut anfühlte.
Konnten wir uns nicht einfach freundschaftlich umarmen?
Was war schon groß dabei?
Und trotzdem, es fühlte sich wie Verrat an Draco an.

Mittlerweile hatte er mich noch fester an sich gezogen und ich spürte, dass er noch schneller atmete.
Er bebte auch stärker, wirkte einfach hektischer.
Ich war in diesem Moment das Einzige, was Ronald Weasley hielt. Eine leise Sehnsucht überkam mich. Mit ihm wäre alles so einfach. Seine Mutter liebte mich und sie waren nicht so tief in Geheimnisse verstrickt, es wäre alles... einfach.
Vielleicht war das der Grund, weshalb ich diese Umarmung zugelassen hatte und sie immer noch zuließ, obwohl mir zu warm war.

Für einen Moment färbte sich das Haar meiner Traumtochter kupferrot. Für einen Moment geriet meine Welt ins Wanken, inklusive dem, was ich war und dem, was ich wollte.

,,Ich liebe dich auf eine Art, die ich nie verstehen werde", sagte Ron, ,,aber nicht wie Lavender sondern wie Ginny."
Ich nickte.
Tränen perlten aus meinen Augen, als meine Tochter wieder blond wurde. Es war ein Neuanfang, aber es war ein endgültiges Ende, denn nun wurde mir zum letzten Mal klar, dass Ronald Weasley niemals und unter gar keinen Unständen mein Ehemann sein könnte.

Vorsichtig löste ich meine Arme von ihm und diesmal tat er es mir gleich. ,,Wenn du jemanden zum Reden brauchst oder ein Butterbier trinken willst, ich bin da."
Er nickte.
Ich biss mir auf die Lippe. Warum fühlte es sich so an, als hätte ich mit diesem Gespräch einen Teil von mir selbst getötet? Konnte es sein, dass ich beide Jungs liebte? Aber nein, das war Schwachsinn. Nur jener Teil in mir, der gerade verblutete, begann zu schreien.

Ich sah Rons Lippen an.
Ich würde sie nie küssen, selbst wenn ich das wollte. Meine Kinder würden keine roten Haare bekommen, ich würde nie eine liebende Schwiegermutter haben.
Ich opferte so viel, aber blieb unsicher, ob ich denn etwas gewann. Sofort schalt ich mich für diesen Gedanken. Ehrliche Liebe von Draco, war das nicht auch etwas wert?

Ich durfte mich nicht nach den Dingen sehnen, die in diesem Moment gestorben waren, denn sie waren nun einmal nicht mein Schicksal.
,,Danke dir. Ich bin froh, dich zu kennen. Bin froh, dich meinen besten Freund und", ich schluckte, ,,meine erste Liebe zu nennen. Geh zu Lavender. Sag ihr das, was du mir auch gesagt hast... wenn sie dich wirklich liebt, wird sie verstehen."

Eine kleine Stimme in meinem Kopf flüsterte: ,,Aber sie wird dich niemals sosehr lieben wie ich es getan habe. Bevor ich den einzigen Menschen kennengelernt habe, der mir ebenbürtig ist."

Spring affair ~ DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt