3.)

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Sofort änderte sich die Atmosphäre in der kleinen Kammer, wurde angespannt und gezwungen.
Ich wandte den Blick ab. Wollte Ginny nicht mehr in die Augen sehen.
,,Wieso willst du das wissen?", fragte ich und ärgerte mich darüber, wie belegt meine Stimme klang.

,,Nicht ich will es wissen. Ron", gab sie zurück. Dann strich sie sich die roten Haare aus dem Gesicht.
,,Hör mal zu. Ich erzähle meinem Bruder nichts, was du nicht willst, immerhin bist du meine beste Freundin. Aber ich muss das wissen, glaub mir."

Ich überlegte. Ginny hatte mir auch immer von ihren Schwärmen und kleinen Liebschaften erzählt, wieso sollte ich ihr dann nicht von meinen Gefühlen für Ron erzählen?
Sie war immerhin- wie gesagt- meine beste Freundin und besten Freunden erzählte man von so etwas.

Ich holte tief Luft: ,,Ich... ich bin in Ron verliebt. Stark verliebt. Verdammt, es ist so, als hätte man einen Kanister Benzin in meinem Inneren ausgeleert und angezündet."
,,...Benzin?- ach egal. Jedenfalls", sie zögerte, ,,wie sage ich das jetzt am besten?... ich erzähle dir jetzt eine ganz kurze Geschichte. Nur kurz."

Ich lächelte ungeduldig. Es war klar, dass die Hexe kein Benzin kannte und somit den Vergleich nicht nachvollziehen konnte. Dennoch wusste ich nicht, weshalb sie mir jetzt Geschichten erzählen wollte. Musste sie mich sosehr auf die Folter spannen?
Wenn Ron mich lieben würde, hätte er das zu Hause erzählt und dann hätte es mir die Rothaarige ebenfalls erzählt.
Wieso begann sie jetzt mit Geschichten?
Ganz einfach.
Sie wollte mir erklären, weshalb Ron mich nicht liebte.

,,Beginnen wir. Ronald Weasley, geboren vor ziemlich genau fünfzehn Jahren, war früher nie wirklich beliebt.
Und dann war da dieses eine Mädchen. Lavender akzeptiere ihn eben so wie er war und es begann eine klassische Kindergarten-Romanze.
Als sie dann in die Volksschule kamen, verloren sie sich aus den Augen. Und in Hogwarts warst dann so.
Lavender war furchtbar eifersüchtig. Mit nur elf Jahren liebte sie ihn schon mehr als ihr Leben- er bemerkte es nur nicht. Er verbrachte viel Zeit mit dir und Harry. Einmal kam sogar eine Eule mit einem Heuler von Lavs Mutter, indem sie sich darüber beschwerte.
Ron ignorierte es.
In der dritten verbrachten sie wegen einem Schulprojekt wieder mehr Zeit mit einander und es kam so wie in einem schlechten Film."

Das rothaarige Mädchen machte eine bedeutungsvolle Pause.

Ich wusste was jetzt kam. Die ganze Zeit über hatte ich es geahnt, hatte während ihrer Erzählungen nervös die Hände in meinen Jackentaschen vergraben, um die Neuigkeiten abzuwarten.

,,Sie verliebten sich ineinander", flüsterte ich beinahe tonlos.
Natürlich.
War es nicht immer so? In Büchern, in Filmen, immer dasselbe. Held und Heldin.
In Spring Affair würde es dasselbe sein.

,,Ja. Und ich weiß auch warum", sagte Ginny, während sie mich Freundin musterte, um meine Reaktion herauszufinden.
Doch ich stand wie unter Schock.
Kälte breitete sich von meinem Herz ganz langsam in meinem ganzen Körper aus, fror alles ein, es war wie ein harter Winter oder ein Sturz ins kalte Wasser.
Genau das war es.
Winter.
Genauso erbarmungslos und kalt fühlte sich mein Körper an, alles in mir schrie nach Wärme, meine Lungen wollten Luft, doch mein Körper hatte verlernt zu atmen.

,,Er fühlt sich dumm neben dir. Bei Lav kann er sein, wer er ist: naiv und ein wenig beschränkt. Bei dir kann er das nicht sein. Ich weiß, Mine, dass du jemanden besseren verdienst, jemanden, der genauso klug wie du ist."
Wie funktioniert noch einmal atmen? Sprechen?
Da war nur Kälte.
Meine Lippen wurden taub und klamm, der Druck immer größer.

,,Sein wir doch mal ehrlich. Ron ist nicht einmal annähernd so wie du. Er hat dich nicht verdient und von mir aus soll er immer bei seiner Lav versauern, aber bitte raste jetzt nicht aus oder so. Darf ich Ron davon erzählen?", fragte Ginny.
Sie schien ernsthaft besorgt um mich zu sein, was ich ihr nicht verübeln konnte.
Ich war mit Sicherheit kreidebleich.

,,Und jetzt kannst du ein wenig weinen", fügte sie hinzu. Doch mir war nicht nach weinen. Eher nach hysterischem Lachen.
Einige Jahre war alles gut.
Und dann brach auf einmal so vieles über mir zusammen.
Wieso mir?
Wieso jetzt?
Ein Haus aus Träumen, gebaut aus Freude und Leid, zusammengebrochen wie eines aus Karten. Was hatte ich schon eine Zukunft?
Die Welt war unfair, was hatte ich jemals bekommen? Eine halbverrückte Mutter, ich war mitten in den Turbulenzen rund um Harry und nun das hier.

,,Nein, passt schon", widersprach ich hartnäckig. Alles war ok. Alles. Mein Leben war zerstört, ewiger Winter angebrochen.
Ginny sah mir nicht mehr in die Augen.
Als unsere Blicke sich versehentlich streiften, konnte ich darin so viele Gefühlsregungen erkennen: Sorge, Mitgefühl, Entschlossenheit, Wut.
,,Red dann mal mit Ron. Als Freundin bist du ihm unglaublich wichtig."

So war das also?

Jetzt verstand ich Annemare. Ich wäre ein Nichts ohne Ron und Harry, sie waren meine besten Freunde, und doch tat ich mir nur selbst weh, indem ich ihnen immer noch treu blieb, nach allem, was geschehen war.
Es tat mir weh, fraß mich von Innen auf, doch davonrennen war ebenfalls keine Option. Harry und Ron brauchten mich.
Und ich brauchte sie.

,,Was ich dir außerdem noch sagen wollte... die Gefühle von Ron sind echt. Ich... kann das einschätzen, immerhin ist er mein Bruder. Der liebt Lav wirklich, obwohl man das kaum glaubt", meinte Ginny noch und trat verlegen vom einen Bein aufs andere..
Sie war nervös, sehr nervös, denn nun hatte sie eine schwere Entscheidung vor sich: mich, ihre beste Freundin, oder Ron, ihrem Bruder.
,,Das ist mir klar. Danke Ginny, dass du es mir erzählt hast. Das... ändert einiges."

Immer noch rang ich nach Atem. Die Wände der kleinen Kammer engten mich ein, ließen mir keine Luft, zwängten mich ein. Ich musste hier raus.
Sofort.
Sonst würde ich an all dem ersticken, was da in mir brodelte, der Schmerz schnürte meine Brust zu.

Bemüht ruhig öffnete ich die Türe und zwang meine Lippen, zu Lächeln. ,,Danke, wirklich", sagte ich noch, dann stürzte ich nach draussen.
Das gleißende Licht nahm mir im ersten Moment das Sehvermögen, so dunkel war es in dem Raum gewesen.
Und endlich konnte ich wieder atmen.

Der Schock verflog, nur der höllische Schmerz blieb und riss weiterhin ungehindert mein Innerstes auseinander. Was war das? So hatte ich noch nie gefühlt.
Und nun tat es mehr weh, als alles, was ich je gespürt hatte.
Als ich vor zwei Jahren von dem Basilisken in Stein verwandelt worden war, hatte es sich anders angefühlt. Langsam aber sicher waren meine Körperteile zu Stein geworden, es war ein kaltes, taubes Gefühl gewesen, doch am schlimmsten war die Panik gewesen.

Nun war da nur Schmerz.

Purer, wahnsinniger Schmerz, der mich nicht sehen und nicht hören ließ, mir die Sinne raubte und alles, was noch von mir über war, in ein tiefes Loch der Verzweiflung riss.
Und ich ertrank.
Ertrank an all diesem Schmerz, all dieser Dunkelheit und Kälte.

Das Schlimmste an der Liebe war nicht der Hass, es war die Hoffnung, die verloren ging. Hoffnung starb schließlich zuletzt, doch letztendlich starb sie.

~ by 

Spring affair ~ DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt