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Der Schneefall hatte aufgehört, stattdessen schien nun die Sonne, als wolle sie mich verhöhnen.
Kaum dass ich außer Sichtweite war, begann ich auch schon zu weinen. Ich hatte einen Fehler begangen.
Ich hätte nie mit Draco auf ein Date gehen dürfen, aber nun war es zu spät, ich musste unbedingt Abstand halten.

Wie nahe stand ich ihm? Was hatte er getan, dass ich ihm in so kurzer Zeit so nahe gekommen war?
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Was hatte ich nur angerichtet? Wenn Harry das nur erfahren würde....und Ron, oh mein Gott.

Mir war es egal, dass manche Schüler mich komisch ansahen, wie ich vollkommen aufgelöst durch Hogsmeade rannte.
Ich wollte nur nach Hause.
Spring Affair.
Warum hatte ich mich wegen einem verdammten Buch auf ihn eingelassen? Aber er hatte ja verdammt noch mal nichts falsches gemacht!

In letzter Zeit war er so süß, so freundlich... aber er war Draco Malfoy!
Der Erzfeind meines besten Freundes.
Slytherin.
Todesser-Eltern. Der Junge, an den ich meinen ersten Kuss verloren hatte.

Aber dann wurde mir etwas anderes klar und ich musste unter Tränen lächeln. Wenn Ginny und der Rest der Mädchen das nächste Mal über Küssen reden würden, könnte ich mitreden.
Noch nie hatte sich etwas in meinem Leben so richtig und falsch gleichzeitig angefühlt, wie seine warmen Lippen auf meinen.
Erst jetzt wurde mir auch klar, wie sehr ich ihn mit meiner Reaktion verletzt haben musste.

Sollte ich zurückgehen...?
Aber nein, vielleicht war das keine gute Idee. Wer wusste schon, wozu er in der Lage war, wenn er wütend war.
Es war sicherlich besser, zu warten. Ich stand auf. Es war ja nur ein Kuss, redete ich mir ein, nur ein Kuss unter Freunden.

Nichts besonderes.
Nichts, worüber es sich zu nachdenken lohnte.

Die nächsten Stunden verbrachte ich alleine in der Bibliothek. Irgendwie hoffte ich, dass auch Draco hier auftauchen würde, doch das tat er nicht.
Während all dieser Zeit ging mir der Kuss nicht aus dem Kopf.
Mit einer Tasse heißem Tee in der Hand schlenderte ich durch die Bibliothek.
Beerenzaubertee. Machte meine Mutter immer im Winter, wenn ihre Depressionen schlimmer wurden. Darin schmeckte man die Antis nicht, die sie nehmen musste, behauptete sie.

Auch ich trank diesen Tee gerne. Der Geruch erinnerte mich an mein Zuhause und an Momma.
Bis her hatte ich mir jedes Mal, wenn ich nach Hogwarts gegangen war, einen Jahresvorrat Teebeutel zugelegt.

Doch heute war vieles anders als sonst.
Als ich gedankenverloren einen Schluck nahm, war der Tee heißer als gedacht. Vor lauter Schreck zuckte ich zusammen, weshalb ich mich mit dem kochenden Getränk überschüttete. Es lief mir auf die Finger.
Ich ließ die Tasse fallen, sie zerschellte am Boden in lauter Keramik-Splitter.

Mit Tränen in den Augen kniete ich mich zu Boden und sammelte die Scherben auf. Mein Mund und die Stellen, an denen ich von dem heißen Tee berührt worden war, brannten wie die Hölle.
Die Haut war leicht gerötet.
Sollte ich wegen so einer Kleinigkeit zu Madame Pomfrey gehen? Nein, die hatte sicher besseres zu tun, als dumme, tollpatschige Viertklässlerinnen zu behandeln.

Plötzlicher Schmerz ließ mir die Tränen in die Augen schießen. Ich hatte mich an einer der Scherben geschnitten.
,,Dummes, dummes Mensch", schalt ich mich selbst,
,,nur weil ein hübscher Junge dich Kätzchen nennt und dich ein wenig streichelt wirst du direkt zu einem mondäugigen Kalb? Reparo."

Die Scherben flogen langsam in die Höhe und setzten sich auf einen Winker mit meinem Zauberstab wieder zu einem Ganzen zusammen.

Später, als ich die Brandwunde unter kaltes Wasser gehalten hatte und mir ein Pflaster auf den Finger geklebt hatte, ging ich zum Abendessen.
Wie immer saß ich neben Ron und Harry. Die beiden waren außergewöhnlich leise. Es gab Hühnchen. Der Rothaarige stopfte das Fleisch in sich.

Angewidert sah ich ihn an. Fielen mir nun zum ersten Mal seine schlechten Charaktereigenschaften auf?
Die Geräusche, die er beim Kauen machte, störten mich.
Ich selbst hatte wenig Appetit. Immer wieder sah ich zu dem Tisch der Slytherins.
Da saß Draco.
Aber er würdigte mich keines Blickes mehr.

Seine Haut schien noch blässer als sonst, seine Augen waren leicht gerötet, als hätte er geweint.
Gedankenverloren fuhr der Blonde mit der Gabel in seinem Essen herum.
Pansy, die neben ihm saß, legte Draco die Hand auf die Schulter und streichelte leicht auf und ab.
Ich fühlte etwas, was ich nicht erwartet hätte und gleichzeitig unglaublich falsch war.

Eifersucht.
Heiße, glühende Eifersucht.

Hatte Draco sie auch auf diese leidenschaftliche Art geküsst?
Waren seine Hände auch an ihr entlanggeglitten?
Hatte seine Zunge ihre auch so berauschend liebkost? Ohne, dass ich es wirklich merkte, ließ ich die Gabel los.
Klirrend fiel so auf den Teller, das Geräusch riss mich aus meinen Gedanken.

Alarmiert drehten sich Ginny und Harry zu mir um. Die Rothaarige folgte meinem Blick und lächelte wissend. Was? Ich hatte ihr doch gar nichts gesagt!
Sie durfte nichts wissen!
Ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.

,,Findest du das auch mega ekelhaft, wie Pansy sich an das Frettchen ranschleimt?", fragte Harry und verzog das Gesicht sichtlich angewidert.
Ich nickte.
,,Zum Kotzen."
Und das war nicht einmal gelogen.

Währenddessen drehte der Blonde den Kopf zu Pansy.
Er unternahm nichts dagegen, dass ihre Hand immer noch auf seinem Rücken lag. Stattdessen beugte er sich leicht vor und rutschte ein Stück zu ihr, so dass sich ihre Oberschenkel berühren mussten.
Draco lächelte.
Der Slytherin hob langsam die Hand und strich Pansy eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht.

,,Baah", kommentierte Ginny, ,,aber sie passen gut zusammen. Beide solche Vollidioten."
Mit einem Lächeln im Gesicht legte Draco der anderen die Hand auf den Fuß, ein wenig oberhalb vom Knie. Er leckte sich über die Lippen, während sie leise kicherte.
Das war ein Schock.

Schlimmer als das Erlebnis, bei dem ich Ron und Lavenders Kuss beobachtet hatte.
Die Eifersucht trieb mir glühende Stacheln ins Herz, sie verbrannte mich von Innen.
Ich senkte den Blick.
Fixierte das Hühnchen.
Zwang mich, die Gabel in das Essen zu spießen, zu meinem Mund zu führen, zu kauen und herunter zu schlucken.

Auf einmal war ich mir nicht mehr so sicher, für wen ich jetzt Gefühle hatte.

Spring affair ~ DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt