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Hatte man zuvor auf meine neuen Ohrringe gestarrt, nun war mein Hals viel interessanter. Ich hörte leises Tuscheln und die Blicke meiner Mitschüler klebten geradezu an mir.
Noch nie war mir etwas so unangenehm gewesen. Ich war nicht mehr Hermine Granger, die Streberin, ich war auf einmal ein neues, interessantes Tier in einem Zoo.

Den Kopf eingezogen nahm ich neben Harry Platz. Er zog die Augenbrauen hoch, als wolle er mich fragen, ob das mein Ernst sei.
,,Ja", flüsterte ich nur.
Mein von Blutergüßen bedeckter Hals kribbelte, aber es fühlte sich gut an.
Draco war wirklich toll als Freund.
Ich musste lächeln.
Einen Tisch neben mir saß Lavender.
Und sie sah gar nicht erfreut aus.

Wie alle anderen auch hatte sie ihren Blick auf mich geheftet und musterte die Flecken ungläubig. War der Streit mit ihr wirklich erst heute Morgen passiert?
Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an.

Der Unterricht war langweilig, alles in mir wollte zum Mittagessen, um Draco zumindest sehen zu können.
Sein Lächeln wärmte mich von Innen, so wie die Sonne den Schnee des Winters schmolz. Ich musste unwillkürlich grinsen.
Es sah vermutlich bescheuert aus, aber ich strahlte.
Harry schüttelte nur den Kopf.
Einzig und alleine er wusste wahrscheinlich, was gerade in meinen Gedanken vorging.

,,Ich beende den Unterricht für heute. Gehen Sie Mittagessen", sagte Professor McGonagall. Erleichtert stand ich auf und räumte meine Sachen zusammen, nur um mich dann sofort auf den Weg in die große Halle zu machen.
Nicht, weil ich so Hunger hatte.

Ich wurde aufgehalten.

,,Ähm... hey, Hermine", ein tomatenroter Ron drängte sich mir in den Weg.
Ich war zuvor so in Gedanken versunken gewesen, dass ich zuvor gar nicht bemerkt hatte, dass er da war.
Der Rothaarige räusperte sich.
,,Also...", stammelte er, ,,ich... ich wollte mich dafür entschuldigen, dass Lav...- Oh! Sind das etwa Knutschflecken?"

,,Ähm... ja. Das sind -", ich unterbrach mich selbst, als er nickte. ,,Ja... ja."
Wir waren nicht imstande, ein Gespräch zu führen, ohne, dass einer von uns stotterte. Und in diesem Fall stotterten wir beide.
,,Ron, es ist okay. Es ist okay."
,,Ähm... ja."
Dann drängte er sich an mir vorbei.

,,Ich will dich als Freundin nicht verlieren, Hermine, aber momentan...", flüsterte er und ich war mir nicht sicher, ob ich mir das nicht nur eingebildet hatte.
Bei Ron und Lavenders Kuss war mein Herz das erste Mal gebrochen, bei diesen Worten brach es das zweite Mal.
All die behelfsmäßigen Nähte, mit denen Draco versuchte, mich zusammenzuhalten, rissen.

Ich brachte keinen Ton heraus, als er an mir vorbeieilte, ohne mich noch eines einzigen Blickes zu würdigen.
War das Eifersucht?
Es hatte eher wie Bedauern ausgesehen.

,,Wieso?", flüsterte ich.
Harrys Hand auf meiner Schulter erinnerte mich daran, dass ich nicht alleine war. ,,Geh zu Draco", sagte er.
,,Seit wann nennst du Draco nicht mehr Malfoy?" ,,Seit er erkennt, was für ein tolles Mädchen meine beste Freundin ist- ganz anders als ein gewisser anderer Junge."

Ich lächelte.
,,Draco spielt das doch nur. Er fühlt nichts für mich."
,,Was auch immer, alleine, dass er das für dich spielt, ist schon mehr, als viele andere für dich getan hätten. Wir haben uns echt in ihm getäuscht." Ja, das hatten wir.

Das Mittagessen war uninteressant, immer wieder schielte ich zum Slytherin-Tisch und strahlte wie ein Honigkuchenpferd, wenn mein Blick den des Blonden traf.
Man könnte mich für frisch verliebt halten.
Was ja nicht einmal so abwegig wäre.
Auch hier hörte das Gemurmel nicht auf.

Diese Streberin, wer küsst die denn...
Gott, mit wem hatte die denn was?...
Hermine Granger, wohl doch nicht mehr so unschuldig, was?...
Oh. Mein. Gott. Was ist das?...
Macht sie jetzt auch nicht hübscher...
Bei Merlins Bart, die hat sie doch sicher selbst gemacht!...

Während des ganzen Essen starrte mich Ron unverhohlen an. Ich errötete unter seinem Blick.
,,Hör bloß nicht hin", flüsterte Harry. Der Schwarzhaarige sah unheimlich wütend aus. ,,Weißt du schon wegen dem Weihnachtsball?", fragte er verzweifelt,
,,Ich habe nämlich keine Ahnung... ich würde ja gerne Cho fragen, aber ich trau mich nicht. Und sie geht ja mit Cedric aus. Und der wiederum hat mir heute erst den Tipp gegeben, ich solle das goldene Ei im Bad öffnen."

,,Wegen dem Weihnachtsball: noch hat mich niemand gefragt. Ich würde Cho einfach fragen, selbst wenn sie dich korbt, was soll schon passieren?", antwortete ich.
Das goldene Ei.
Ein Rätsel.
Hm.

,,Soll ich dir im Bad helfen?", fragte ich. Es interessierte mich schon, was mich hinter dem wunderschönen, filigran gearbeiteten Ei versteckte.
Harrys Wangen röteten sich leicht. ,,Nein... nein. Du musst nicht mit ins Bad kommen, ich mache das schon", sagte er. ,,Aber vielleicht habe ich eine Idee", gab ich zu Bedenken.

,,Nein, das wäre echt unangenehm, es reicht, dass Myrte immer auftaucht."
,,Okay."
Ich wollte ihn ja auch nicht nackt sehen. Ob er wohl auch so Muskeln wie Draco hatte? Um Himmels Willen, nein, das ging mich gar nichts an.

,,Der wie vielte ist heute?", fragte ich, weil mir nichts besseres mehr einfiel, ich aber auch nicht wollte, dass eine Stille erstand.
,,Der zweite Dezember."
,,Ach ja."
Nur mehr drei Wochen bis Weihnachten.

Ich wollte nicht nach Hause.
In London bedeutete Weihnachten Kekse aus dem Supermarkt, Entschuldigungen und Streit. Die Wohnung war ungeschmückt, meine Mutter teilweise noch bis spät Abends in der Praxis und wenn sie dann nach Hause kam, war sie müde und schlief beinahe auf der Stelle ein.
Hier, in Hogwarts, roch es nach frischen Plätzchen, Mandeln und Zimt. Das ganze Schloss war festlich geschmückt, jeder war glücklich.

Konnte ich Mutter fragen, ob ich dieses Jahr hier bleiben dürfte? Oder wäre sie gekränkt?
Ich beschloss, mir darüber später Gedanken zu machen, denn in dem Moment fiel mir eine wichtige Sache ein.

Mit wem sollte ich denn zum Ball gehen?

Spring affair ~ DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt