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Ich war ihm so nahe gewesen.
So verdammt nahe.
Aber das war nicht das Schlimmste, denn immerhin war er auch nur ein Mensch, wenn auch ein ziemlich hochnäsiger- dachte ich zumindest. In letzter Zeit hatte er mir sehr häufig eine weiche Seite gezeigt, eine freundliche Seite.

Nein, das war nicht so schlimm.
Das schlimme war, wie gut es mir gefallen hatte, in seinen Armen zu liegen. Ich hatte schon oft Harry umarmt und es hatte sich nie so angefühlt, wie bei Draco.
In vollen Zügen hatte ich es genossen.
Mehr, als ich es genießen dürfte.

Es war Freitag, morgen war unser "Date" in Hogsmeade.
Da wir noch einiges an Hausübung auf hatten und ich morgen vermutlich keine Zeit aufbringen würde, musste ich sie heute noch machen.
Langsam schwanden die Kopfschmerzen und machten einem watte-ähnlichen Zustand Platz.

Ich schloss die Kabine auf und ging dann los, um mich umzuziehen. Es war erst sieben Uhr. Zwar war mir schlecht, aber ich hatte Hunger.
Soweit ich wusste hatte ich mich gestern nur einmal übergeben- ich wurde rot im Gesicht, als mir die Szene langsam einfiel.

Ich konnte ihm nie wieder in die Augen schauen. Nie wieder.

Und wie er mich getragen hatte... was ich gesagt hatte... für wie billig musste er mich bitte halten? Komisch, denn eigentlich war ich das genaue Gegenteil von gestern: zurückgezogen, unaufgeschlossen und kindisch.
Nicht so... flittchenhaft. Wieso war ich gerade vor ihm so peinlich? Das war ja nicht normal.

Mein Herz schlug aufgeregt, als ich an ihn dachte und an seine blonden Haare.
An unser Date morgen.
An sein Lächeln.
An seine seit neuestem freundliche, aufgeschlossene Art.

So stellte ich mir mein Ideal von einem Jungen vor.
Naja, nicht Draco, sondern nur einen Jungen, der ihm ähnlich war. Ehe ich es bemerkte, huschte ein kleines Lächeln über mein Gesicht.
Mit den Fingern strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. Sie zitterten leicht.
Was war nur mit meinem Körper los?
Wieso reagierte ich nur so unglaublich stark auf ihn? Das konnte doch nicht normal sein!

Mit kaltem Wasser wusch ich mir das Gesicht, doch ich hatte nach wie vor tiefe dunkle Ringe unter den Augen und meine Haut war blass, die einzigen äußerlichen Merkmale, die auf meinen verkaterten Zustand hinwiesen.
In dem Spiegel starrte mir ein bleiches Mädchen entgegen, doch ihre Wangen glänzten rötlich und ihre Augen strahlten.

Ich verließ die Toilette, zog mir dann eine neue Garnitur Schuluniform an, da die alte vollkommen verknittert war und überdeckte mit einem klitzekleinen bisschen Make-up die Blutergüße unter meinen Augen.
Meine Haare konnte ich mit einem einfachen Kämm-Zauber bändigen und außerdem fiel mir trotz dem Kater alles ziemlich einfach.
Ich ging wie auf Wolken.

Es störte mich nicht, wie Ron bis über beide Ohren strahlte, als Fleur Delacour auf einer Duftwolke aus überteuertem, französischen Parfüm vorbeischwebte und ihm ein kokettes Lächeln zuwarf.
So langsam hatte ich den Verdacht, dass Ron jedes hübsche, weibliche Wesen, so dumm es auch sein mochte, rein aus Prinzip schon einmal mochte.

Vielleicht lag es auch daran, dass sie eine halbe Veela war. Angeblich. Oder daran, dass ihr süßer, französischer Akzent sie so unglaublich charmant wirken ließ. Ich fand zwar, dass sie wie eine Witz-Figur klang, aber jedem das seine.

Und dann war da noch Viktor.
Viktor, der unmissverständlich Interesse an mir zeigte. Viktor, der mir vollkommen egal war, weil mein Kopf vollgestopft mit zwei unglaublich attraktiven Jungs war.
Wie machte ich ihm das am besten klar? Ich wollte nicht, dass er sich falsche Hoffnungen machte.

Ron schien sich nicht an gestern erinnern zu können. Er hatte außerdem nichts davon bemerkt, dass man mich von dem Fest weggezerrt hatte.
Das war die erste Beruhigung. Der Rothaarige hasste Draco. In meiner Fantasie war er immer eifersüchtig, wenn dieser mich anlächelte oder mir mit kleinen Gesten zeigte, dass er mich zumindest nicht mehr nicht leiden konnte.
In der Realität ließ sich Ron stundenlang über die Hochnäsigkeit des blonden Slytherins aus. Heute bemerkte ich zum ersten Mal, dass mich das störte.

Er hatte Ron doch nichts getan! Ja, er hatte ihn mehrmals als Blutsverräter bezeichnet und ja, ich war mehr als einmal von ihm Schlammblut genannt worden, aber Draco gab sich auch unglaubliche Mühe, es für mich wieder gut zu machen!
Also sagte ich gar nichts.
Zum ersten Mal war ich nicht seiner Meinung. Etwas zwischen uns hatte sich bei dem Kuss mit Lavender verändert, war zerbrochen.

Komischerweise schmerzte mein Herz zwar noch, wenn ich daran zurück dachte, mit welcher Zärtlichkeit und Leidenschaft er sie geküsst hatte, es war aber erträglich.
Harry meinte, er habe immer noch keine Idee, was er mit dem goldenen Ei anfangen solle und ich auch nicht.

Außer dem Trimagischen Turnier, Quidditch und Malfoy gab es keine Gesprächsthemen zwischen uns drei.
Ich merkte selbst, wie ich mich von ihnen entfernte und ich fand es schade. Sie waren mir vier Jahre sehr gute Freunde geworden.
Innerhalb von zwei Wochen stellte ich alles in Frage, was ich jahrelang geglaubt hatte.

Am Abend kam eine Molly mit der schlichten Botschaft: Ich freue mich auf morgen, Kätzchen. D.M.
Ich hatte Zuckerplätzchen, extra für sie und streichelte minutenlang ihr weiches Gefieder. Sie war wunderschön.
Molly würde sich gut mit Hedwig verstehen, schoss mir durch den Kopf, sie beide schienen einen eigenen Kopf zu haben.

Ich schnappte mir Feder und Pergament und begann zu schreiben.

Ich mich auch. Treffen wir uns direkt nach Stundenende? Und willst du wirklich nur über Spring Affair sprechen?
Bzw, ich hab meine Erinnerungen wieder. Du brauchst mich also nicht anlügen.
H.G.

~~~

Ach, ich habe dich nicht angelogen. Ich habe dir nur nicht die ganze Wahrheit erzählt.
Vielleicht will ich nur über Spring Affair reden, vielleicht auch nicht.
Tja.
Morgen findest du es heraus.
Wie gesagt, direkt nach der Stunde vor der Bibliothek.
Dein Draco

~~~

Nicht die Wahrheit erzählen ist auch eine Art von Lügen, Malfoy. Das solltest du wissen. Ich würde jetzt eigentlich gerne schlafen gehen und Molly ist auch schon ganz müde vom ständigen Hin- und Herfliegen.
Gute Nacht!
H.G.

~~~

Gute Nacht und träum von mir ♡

War das etwa ein Herz?

Spring affair ~ DramioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt