✧ IV ✧

204 11 3
                                    

°°°
If you can dream - and not make dreams your master
If you can think - and not make thoughts your aim
If you can meet with Triumph and Disaster
And treat those two impostors just the same
°°°
~~~Rudyard Kipling~~~

P.o.V PHILOMENA
Schließlich war die Feier zu Ende. Alle hatten die Festhalle verlassen und versammelten sich auf dem Platz, um sich nun von ihren Kindern zu verabschieden, nachdem sie die Koffer ihrer Schützlinge in die Zimmer gebracht hatten.
Mein Gepäck war bereits von unserem Fahrer nach oben gebracht worden. Es kam mir seltsam vor, dass er mein Zimmer noch vor mir gesehen hatte. Bis zu den Sommerferien würde ich nun jeden Tag in diesem Raum schlafen.

Meine Eltern und ich hatten vereinbart, dass ich bis Weihnachten auf Welton bleiben würde. Die Herbstferien wären ohnehin zu kurz und somit wäre weder einen Besuch meinerseits noch meiner Eltern zu denken. Außerdem müsste ich mich an eine neue Umgebung gewöhnen, da wäre es meinem Wohlbefinden wohl eher abträglich, wenn ich meinen Aufenthalt hier unterbrechen würde. Das hatten sie zumindest gesagt. Aber ich kannte meine Eltern schon zu gut. Es war einfach so, dass sie mich nicht sehen wollten.
Als George noch gelebt hatte, hatte ich sie schon nicht sehr häufig gesehen, aber die Ferien hatten wir immer zusammen verbracht. Zu Weihnachten hatten wir die ganze Familie eingeladen und im Sommer waren wir in eines unserer Ferienhäuser gefahren.
Aber seit Georges Tod gingen sie mir aus dem Weg. Sie wollten mich nicht sehen. Wenn sie mich anblickten, sahen sie ihn. Deshalb kam es ihnen gerade recht, dass die Welton Academy ihren Schülern anbot, auch die Feiertage bei ihnen zu verbringen. 

Mit ernstem Gesichtsausdruck sah ich zu meinem Vater. Er war ungeduldig. Das erkannte man daran, dass er mit dem Fuß auf dem Boden tippte. Er wollte endlich heimfahren. Aber meine Mutter hatte darauf bestanden zu warten, bis Mr. McAllister, der Lateinlehrer, mich abholte. Suchend sah ich mich nach ihm um. Doch um mich herum befanden sich nur Schüler und ihre Eltern. In den Gesichtern der kleineren Jungs konnte ich die Furcht sehen. So hatte ich mit größter Wahrscheinlichkeit auch an meinem ersten Tag in Kingston ausgesehen. Aber mit jedem weiteren Jahr war es mir leichter gefallen, dort zu bleiben.

"Miss Harding?", hörte ich hinter mir jemanden sprechen. Schnell drehte ich mich um. Ein eher kleinerer Mann kam in mein Blickfeld. Er war etwas kräftiger gebaut und hatte einen großen Brustkorb. "Ja, Sir? Sie müssen dann wohl Mr. McAllister sein?", erkundigte ich mich freundlich lächelnd. 

"In der Tat.", erwiderte er, "Ich wurde beauftragt, Ihnen Ihr Zimmer zu zeigen und Sie in unsere Schulregeln einzuweisen. Sie sind dann wohl die Eltern von Miss Harding." Mein Vater hob etwas penibel den Kopf und richtete seine Krawatte. Mit einem dezent überheblichen Lächeln quittierte er: "So ist es wohl... Nun, da Sie hier sind, sehe ich keine Notwendigkeit, noch länger zu bleiben."

Mit diesen Worten hatte er sich umgedreht und war auf unseren Wagen zugegangen. Bevor er sich abgewendet hatte, hatte er mir noch einmal zugenickt. Mr. McAllister hatte er nicht einmal mehr eine kleine Geste zugedacht. Stumm blickte ich ihm nach und sah gerade noch, wie unser Fahrer ihm die Tür öffnete und er in den Wagen stieg. Meine Mutter stand immer noch vor mir. Ihr Kleid tadellos gebügelt und die Haare hochgesteckt.
"Dein Vater hat recht, es ist Zeit zu gehen.", erklärte sie, "Du wirst uns keine Schande machen. Enttäusche uns nicht! Auf Wiedersehen, Mr. McAllister."

Und schon war sie ebenso schnell verschwunden wie mein Vater. Mit großen Schritten stolzierte die große Frau auf das Automobil zu, während die Kieselsteine unter den Schuhen mit den dicken Absätzen knirschten.
Zumindest sie hatte sich von meinem neuen Professor verabschiedet. Mit einer Eleganz, die ich eindeutig nicht vererbt bekommen hatte, stieg sie in den Wagen. Knallend wurde die Tür vom Auto zugeschlagen und schließlich hörte man den Motor aufheulen.
Die Leute auf dem Platz drehten sich um. Einige flüsterten sich gegenseitig etwas zu. Es passierte nicht jeden Tag, dass der Senator und seine Frau auftauchten. Als der Wagen wendete, fuhr er dicht an mir vorbei. Doch durch die getönten Scheiben war es mir nicht möglich hindurchzusehen und einen letzten Blick auf die beiden Menschen zu erhaschen, die sich meine Eltern nannten.

Dead Poets In Love \ Club der toten Dichter Fan Fiktion~DPS-Charakter X OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt