~~~
And all my days are trances,
And all my nightly dreams
Are where thy grey eye glances,
And where thy footstep gleams
~~~
°°°Edgar Allen Poe°°°P.o.V NEIL
Gedankenverloren ließ ich mich auf mein Bett sinken. Durch das Fenster in unserem Zimmer schien bereits das Mondlicht. Der Himmel selbst war rabenschwarz und wirkte wie eine Decke, besetzt mit Edelsteinen.
Schwer atmete ich ein und aus. Was für ein unglaublicher Tag. Ich hatte noch nicht ganz begriffen, was mit mir passiert war. Ein Hochgefühl wie dieses hatte ich noch nie erlebt.Ich wollte Romeo und Julia eigentlich nicht spielen, und schon gar nicht mit Philomena zusammen. Ich konnte mir kaum etwas Unangenehmeres vorstellen. Aber es kam anders. Ich entdeckte mich neu. Es war, als wäre ich in eine komplett andere Welt eingetaucht.
Ich war nicht mehr Neil Perry. Ich war jemand anderes. Jemand Neues, der sich von seinen tiefen Gefühlen für das Mädchen leiten ließ, das er begehrte. Jegliche Anspannung war verschwunden.
Jegliche Nervosität hatte sich verflüchtigt. Vor mir war nicht mehr Philomena Harding, sondern Julia. Julia von den Capulets, meinen Todfeinden. Julia am Balkon. Ich war mit meiner Rolle verschmolzen. Ich hatte Romeo nicht einfach gespielt, ich war Romeo.
Was auch immer passiert war, es hatte mir gefallen. Es gefiel mir, mal jemand anderer zu sein als Neil. Der langweilige Neil, der Welton abschließen und dann sein Leben als Arzt fristen würde.Schwer atmete ich ein und aus, die Augen auf die Decke fixiert.
"Todd?", fragte ich in die Stille des Raums hinein.Von der gegenüberliegenden Seite des Raumes vernahm ich ein Rascheln. Langsam drehte ich meinen Kopf in die Richtung des Geräuschs. Durch das halbverdunkelte Zimmer hindurch sah ich meinen Zimmerkameraden, wie er sich zu mir umdrehte und die Decke etwas zurückschlug, um mich besser sehen zu können. Seine blonden Haare standen zu allen Seiten ab.
Müde murmelte er: "Ja,... was ist denn...?"Grinsend sah ich zu ihm hinüber. Wie konnte er jetzt müde sein? Wie konnte irgendjemand jetzt müde sein?
"Hast du... hast du jemals etwas getan und gewusst, dass du einfach dafür gemacht bist?", flüsterte ich ihm zu, ohne das Lächeln von meinen Lippen zu bekommen.Verwirrt blinzelte mich der Junge mir gegenüber an. Langsam schien er etwas wacher zu werden. Unsicher schüttelte er den Kopf und entgegnete mir leise: "Also... ähm... ich denke nicht..."
Ruckartig setzte ich mich auf und machte es mir im Schneidersitz bequem, sodass ich meinem Freund gegenüber saß.
"Ich schon, Todd! Heute!", erklärte ich und bemühte mich, nicht laut aufzuschreien. "Hab ich dir schon erzählt, dass ich mich für den 'Sommernachtstraum' bewerben will? Ich habe einen Flyer gefunden. Ich glaube, das habe ich dir noch nicht erzählt, jedenfalls...", kurz atmete ich wieder tief ein. Ohne es zu merken, hatte ich immer schneller gesprochen., "...heute haben Philomena und ich gemeinsam geprobt, damit ich mich etwas auf das Vorsprechen vorbereiten kann, und es war unglaublich! Das kann ich dir sagen.
Wir haben gespielt, und es war einfach toll. Es war, als sollte ich schon immer genau das machen. Ich musste nicht einmal mehr auf den Text schauen, es war, als wären Romeos Worte meine."Nun richtete sich Todd ebenfalls etwas auf und stützte sich leicht auf seinen Ellbogen. Mit zusammengezogenen Augenbrauen betrachtete er mich.
"Romeo?", wiederholte er meine Worte skeptisch, "Wie... wie 'Romeo und Julia'?"
Eifrig nickte ich und zog mir dabei die dicke Daunendecke über die Füße.
"Ja, genau.", bejahte ich die Worte meines Mitbewohners. "Um ehrlich zu sein, hatte ich am Anfang enorme Angst davor.
Ich meine, 'Romeo und Julia'... Du verstehst mich doch. Und das auch noch mit Philomena zu spielen... Aber es warso anders, als ich zunächst gedacht habe. Es hat mir nichts mehr ausgemacht. Es war einfach... magisch. Ich glaube, ich habe meine Bestimmung gefunden, Todd. Ich muss einfach schauspielern!"Stumm sah mich der Junge an, ich wusste, dass er etwas sagen wollte. Es lag ihm auf der Zunge. Misstrauisch bohrte ich nach: "Was ist denn?"
Unsicher senkte Todd den Kopf. "Ich meine... also ich will nicht... Weiß dein Vater davon?"
Mein Vater... ja, das war wahrlich kein leichtes Thema. Aber zurzeit war es noch nicht von Belang. "Vergiss meinen Vater erst mal. Er ist noch nicht wichtig. Bis jetzt war ich noch bei keinem Vorsprechen... Ich habe noch nicht einmal eine Rolle. Und wer weiß, ob ich überhaupt eine bekomme."
Die Erwähnung meines Vaters hatte die Stimmung zwar etwas gedrückt, aber dennoch hatte ich immer noch ein Grinsen auf den Lippen.
An meinen Vater hatte ich nun schon länger nicht mehr gedacht. Vielleicht hatte ich es unterbewusst verdrängt. In letzter Zeit war ich nicht unbedingt gut auf ihn zu sprechen. Aber natürlich würde ich ihm das niemals beichten. Nicht ihm und keinem sonst.
Außer womöglich Philomena. Ja, Philomena, sie würde es verstehen. Und Todd... er wahrscheinlich ebenso.
Beide hatten herrische Väter, die über ihre Leben bestimmten, als wären sie Gott persönlich. Beide waren nur ein weiterer Bauer in einem Schachspiel, den man ohne weiteres opfern konnte, oder eine Puppe in einer Vitrine. Schön und lieblich anzusehen, von zierlicher Gestalt und dennoch nur eine Zierde. Etwas, womit man vor seinen Freunden prahlte, aber nicht mehr beachtete, wenn keiner mehr da war, der sie neidisch beäugen konnte. Den eigentlichen Zweck verfehlend.Verunsichert räusperte sich Todd. In seinen blauen Augen spiegelte sich Unsicherheit.
"Neil?", erkundigte er sich zaghaft, nicht wissend, wie er mein langes Schweigen deuten sollte, "Ich wollte dich nicht verärgern... Was ich eigentlich meinte, war, mach dir noch nicht zu viele Hoffnungen. Nolan kann... Dein Vater... Du verstehst doch, was ich meine... Ich mache mir nur Sorgen um dich."
Er wollte mich nicht verletzen. Von allen Menschen auf der Welt er am wenigsten. Für ihn war nur wichtig, dass es mir gut ging. Er beabsichtigte nicht, mir in irgendeiner Weise weh zu tun. Weil er mein Freund war. Mein wahrhaftiger Freund. Einer, von dem man wusste, dass man ihn das ganze Leben haben würde.
Das war mir in diesem Moment klar geworden."Todd?", wisperte ich ihm so leise wie möglich zu. Er antwortete nur mit einem kaum vernehmbaren Raunen. "Ich möchte, dass du weißt, dass du mein bester Freund bist", flüsterte ich in die Dunkelheit des Raumes, "Versprich mir, dass wir zwei, egal was auch passieren mag, niemals getrennte Wege gehen."
Wie finster es auch sein mochte, Todds verblüfftes Gesicht war so deutlich zu sehen wie ein Leuchtfeuer. Sprachlos starrte er mich an. Einzelne Strähnen fielen ihm ins Gesicht und es schien, als wäre er erstarrt. Für kurze Zeit regte er sich nicht, dann schluckte er schwer.
Leise, stotternd antwortete er mir: "Neil... Ich... ich verspreche es." Mehr Worte schien er fürs Erste nicht mehr aus sich herauszubekommen. Zögerlich strich er sich die Haare, die ihm ins Gesicht gefallen waren, zurück. Ein leichtes Lächeln breitete sich wieder auf meinem Mund aus. Mein bester Freund wirkte immer noch sehr gefasst. Die Lippen fest aufeinander gepresst saß er nun aufrecht im Bett, fast so, als ob er etwas zurückhielt.
"Ist etwas? Du wirkst so, als ob dich etwas bedrückt.", erkundigte ich mich besorgt, "Du kannst es mir gerne sagen... Du kannst mir wirklich alles sagen."
Mit seinen tiefblauen Augen schaute er zu mir auf. Sie leuchteten im Schein des Mondes wie die einer Katze und wirkten auch ebenso scheu.
"Es ist... es ist nicht so wirklich wichtig. Es ist nur...", begann er zögerlich, während er unsicher an seinem Nachthemd zupfte, "Neil... Ich hatte noch nie einen besten Freund."Mein Mund öffnete sich für einen kurzen Augenblick vor Erstaunen, dann schloss ich ihn wieder. War das wahr? War es wirklich wahr? Todd hatte noch nie in seinem Leben einen besten Freund gehabt?
'Wie konnte das sein?', fragte ich mich.
Immerhin war er der warmherzigste Mensch, den ich kannte. Jemand, der sich um einen sorgte und das Wohl seiner Freunde über sein eigenes stellte. Wie war es nur möglich, dass dies niemand sehen konnte?"Jetzt hast du ja einen. Und mich wirst du ganz bestimmt nicht so schnell los. ."
Stumm nickte der Junge mit seinem Kopf. In seinem Gesicht lag so etwas wie Zufriedenheit. Dann hallte Todd Andersons Stimme ein letztes Mal durch den Raum. Kaum ein Flüstern. Wie ein Windhauch, der sanft über das Laub der Bäume strich.
"Danke..."
DU LIEST GERADE
Dead Poets In Love \ Club der toten Dichter Fan Fiktion~DPS-Charakter X OC
FanficSeit jeher war die Welton Akademie ein Internat für Jungen. Doch dies sollte sich im Jahr 1959 ändern... Das erste Mädchen wurde auf die Schule zugelassen. Aber nicht nur dieses Ereignis sollte die Leben einiger Schüler verändern. An jenes Jahr wür...