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And the sunlight clasps the earth
And the moonbeams kiss the sea:
What is all this sweet work worth
If thou kiss not me?
°°°
~~~Percy Bysshe Shelley~~~

P.o.V Todd
Unaufmerksam überflog ich die Seiten des Buches.
Sehr wohl! Unaufmerksam.
Immer wieder blickte ich zu unserer Zimmertür, durch welche vor einiger Zeit schon Philomena und Neil verschwunden waren. Ich war abgelenkt und unkonzentriert.
Was war so wichtig, dass die beiden das Zimmer verlassen mussten? Dass sie es nur im Geheimen besprechen konnten?
Schon lange war mir klar, dass Neil und das Mädchen eine besondere Verbindung hatten. Dass sie auf eine Art und Weise beisammen waren, die stärker war als eine normale Freundschaft. Und jedes Mal, wenn ich daran dachte, bekam ich ein Stechen in meiner Brust. Es war unangenehm, und in meinem Mund hinterließ es einen bitteren Geschmack.

Natürlich war mir bewusst, was diese Reaktionen hervorrief:
Der Neid.

Die bittere Wahrheit, welche mir ins Gesicht schlug. Jene Wahrheit, die mir schon von dem Augenblick an klar gewesen war, als mein Herz das erste Mal wie wild gegen meinen Brustkorb gehämmert hatte.
Leise seufzte ich auf und ließ mich tiefer in meine Matratze sinken. Langsam blätterte ich weiter in meinem Buch, dessen Einband mit weichem, braunem Leder gebunden war.

Das Tageslicht war bereits etwas zurückgegangen und flutete den Raum mit den letzten Sonnenstrahlen. Wieder wanderte mein Blick in Richtung der Tür. Diese wurde nur noch zur Hälfte von der Sonne bestrahlt.
Besorgt legte ich meinen Kopf schief. Mein Zimmerkamerad und unsere Freundin waren schon eine Zeit lang nicht mehr anwesend. Neils Bett stand kalt und leer an der Wand, dem meinen gegenüber.
Die Decke war unordentlich zurückgeschlagen worden. Obwohl er nach unserer strapaziösen Lerneinheit über die Maßen erschöpft gewesen war, hatte er sich sofort nach dem Philomena ihn gebeten hatte, mit ihr zu kommen, aus seinem Bett erhoben und war ihr breit lächelnd, wenn auch noch dezent ermüdet, hinterhergelaufen. Auf seine eigene Art liebte er das Mädchen ebenfalls... Ebenfalls...
Eine Taubheit breitete sich in meinen Händen aus und zog sich zu meinen Unterarmen hinauf. Verkrampft legte ich das Buch mit dem Rücken nach oben beiseite.

Ich hatte nicht ein einziges Wort davon gelesen. Stattdessen grub ich meine Finger tief in das weiße Laken, auf welchem ich es mir bisher bequem gemacht hatte, und dachte daran, wie Neil vor wenigen Tagen meinen Brief gefunden hatte.
Wie heiß mir geworden war und wie ich plötzlich das Gefühl gehabt hatte, einfach umzukippen und mit meinem Kopf auf dem harten Holzboden aufzuschlagen. Dies war natürlich nicht der Fall gewesen, aber seit jenem Vorfall kreisten meine Gedanken beinahe permanent um das Mädchen mit dem wunderschönen Lächeln, das in den meisten Klassen, die ich besuchte, den Platz vor mir besetzte und mir so viel Inspiration zum Schreiben gab.

Verträumt schloss ich meine Augen und dachte daran, wie sie mit ihren zarten Händen langsam über die meinen gestrichen hatte. Es war der Abend gewesen, an dem wir getanzt hatten... Dieser Abend, an dem sich die Haare in meinem Nacken gesträubt und meine Atmung unbeschreiblich beschleunigt hatte. An dem alles begonnen hatte. Unaufhörlich hatte mein Herz gehämmert und so wild getobt, dass ich die Befürchtung gehabt hatte, dass man es durch den seidigen Stoff meines Anzugs noch spüren konnte.
An diesem Abend war ich ihr voll und ganz verfallen... und mir eine Sache klar gemacht:
Dass ich Philomena Harding mehr mochte, als sie es tat und auch jemals tun würde. Dass ich für sie wohl auf der Stelle mein Herz herausgerissen hätte, wenn sie es denn von mir verlangt hätte. Aber diese übermannende Liebe zu dem Mädchen war nicht erst an diesem Abend erblüht.

Vorsichtig und heimlich hatte ich, wie auch jeder andere Junge auf Welton, mehr als einen Blick riskiert.
Wie denn auch nicht? Solange meine Erinnerungen zurückreichten, war ich auf einem reinen Jungeninternat gewesen. Und für Mädchen, wie ich sie ab und an in den Ferien kennengelernt hatte, war ich, Todd Anderson, doch nur ein Junge, der nicht mehr als ein paar Worte stammeln konnte. Er war nicht weiter von Bedeutung. Der jüngere Bruder eines Adonis, der ohnehin nicht viel zu bieten hatte. Aber bei Philomena war es anders...

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