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Brother of all, with generous hand,
Of thee, pondering on thee, as o'er thy tomb, I and my Soul,
A thought to launch in memory of thee,
A burial verse for thee.
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~~~ Walt Whitman ~~~P.o.V TODD
Jungen über Jungen strömten in die Große Halle von Welton. Sie schienen wie eine enorme Flutwelle durch die Gänge zu fluten und jede Ecke auszufüllen. Nichts schien vor ihnen sicher zu sein.
Obwohl wir alle aus den gehobenen Kreisen und den angesehensten Familien kamen, waren wir im Verhalten nicht viel anders als Jungen aus der Arbeiterklasse. So dachte ich zumindest. Noch nie war ich bei einem Gespräch mit jemandem, der nicht auf eine renommierte Privatschule ging, weiter gekommen als bis zum gegenseitigen, freundlichen Nicken. Wenn es denn überhaupt so weit kam...Zumeist hielt man uns für die hoch gestochenen und arroganten Kinder der Oberschicht, welche nur abfällig auf alles und jeden herabblickten, und bei manchen von uns mochte dies wohl zutreffen. Jedoch nicht bei allen. Knox, Pitts, Neil, nun ja... Charlie womöglich ein bisschen, aber dennoch. Keiner meiner Freunde, die ich hier auf Welton kennen gelernt hatte, hielt ich für hochnäsige Spießer.
Aber die abschätzenden Seitenblicke entgingen keinem von uns. Manche mochten meinen, dass wir anders waren. Dass wir uns gänzlich unterschieden, aber jeder, der dies behauptete, musste nur einen Blick in unsere Schule werfen. So verschieden konnten wir gar nicht sein.Hektisch drängelten sich die Jungen nach vorne, um den besten Platz zu ergattern. Ein Chaos ohne gleichen und inmitten des Chaos das Auge des Sturms. Der windstille Punkt, der sich in Welton befand:
Philomena Harding, das einzige Mädchen, welches aus einem mir unerklärlichen Grund der Pol der Ruhe war. Um sie herum verhielten sich alle meine Schulkollegen anders. Ob sie sie nun gut kannten oder auch nicht, das spielte keine Rolle.
Sobald sie sie erblickten, wurden ihre Bewegungen langsamer und bedachter. Sie schubsten sich nicht, sondern glitten vorsichtig an ihr vorbei. Manch einer warf ihr im Vorübergehen einen interessierten Blick zu.
Sie kümmerte sich um niemanden von ihnen, auch nicht um jene, die etwas älter waren und schon eine gewisse Ähnlichkeit mit James Dean, Gregory Peck und wie sie sonst alle hießen, die in den Hollywoodfilmen mitspielten, hatten.
Im Gegenteil! Nicht ein flüchtiger Blick wurde ihnen zu Teil. Sie lachte in unserem Kreise und schien keinen Gedanken an jene zu verlieren, die nicht zu uns gehörten.Schließlich drängelten wir uns ebenfalls in die Große Halle und suchten zwischen den zahlreichen Schülern eine Holzbank, die noch nicht okkupiert worden war und auf welcher wir alle Platz fanden. Dicht aneinander gedrückt hatten wir schließlich einen Sitzplatz gefunden. Er befand sich zwar in der hinteren Hälfte der Halle, aber wir hatten dennoch eine gute Sicht auf das Podium.
Mit Ausnahme von Philomena, welche sich etwas strecken musste, um den Kopf von Mr. Nolan sehen zu können, der gekleidet in weißem Hemd, Krawatte und Welton-Blazer bereits vorne thronte und mit wachsamen Augen seine Schützlinge beobachtete.Er beobachtete nicht direkt mich, das war mir natürlich klar, aber manchmal kam es mir so vor. Ein tiefes, dumpfes Gefühl breitete sich dann in meinem Körper aus. Nolan hatte etwas an sich, das mir nicht gefiel. Es schien mir, als wäre er das dunkle Spiegelbild zu Mr. Keating.
Seufzend lehnte ich mich zurück und ließ mich tiefer in das dunkle Holz sinken. Für einen kurzen Moment blickte ich mich um. Zu meiner Linken war gähnende Leere. Ich hatte mich am Rand niedergelassen. Zu meiner rechten hatte Neil seinen Platz gefunden, so wie es für uns eben üblich war.Zu Beginn des Schuljahres hatte ich es niemals für möglich gehalten, dass ich zu jemandem eine so tiefgehende Freundschaft aufbauen könnte. Oder besser gesagt, dass jemand wie ich mit jemandem wie Neil und den anderen Jungen des Clubs mithalten könnte.
Nach Neil hatte Knox sich niedergelassen und zwischen ihm und Charlie saß Philomena, die sich mit all ihrer gegebenen Kraft bemühte, Charlie davon abzuhalten Knoten in die bunten Fäden der Gesangsbücher zu machen.
Fest hielt sie seine Hände in ihrem Griff, doch Charlie schien dies nicht wirklich unglücklich zu machen. Er saß mit einem beinahe zufriedenen Ausdruck in den Augen neben dem Mädchen, dessen Haare nun in einem sauberen Zopf auf ihrem Rücken lagen.
Pitts, der das Vergnügen hatte, einen Platz neben Charlie ergattert zu haben, beugte sich zu Philomena, um ihr etwas zuzuflüstern, was sie zum beinahe lautlosen Lachen brachte.Plötzlich spürte ich einen liebevoll gemeinten, aber dennoch leicht schmerzenden Stoß gegen meine Schulter. Kopfschüttelnd richtete ich auf und lenkte mein Augenmerk auf Neil, der mich durch unseren Größenunterschied etwas von oben herab angrinste.
"Nicht starren, du kleiner Romeo", säuselte er mir zu, während ich aufgrund des mir neu verliehenen Spitznamens nur die Augen verdrehte.
"Dir ist schon klar, dass in der Geschichte beide sterben, oder Neil?", fragte ich meinen übertrieben grinsenden Freund.
Auf seinen Lippen lag annähernd immer ein selbstzufriedenes Lächeln, als wüsste er bereits etwas, das mir nicht klar war. Manchmal machte es mir Angst. Meistens, wenn es sich mit diesem übereifrigen, wagemutigen Glitzern in seinen Augen vermischte.
"Das schon...", lenkte er keineswegs ernüchtert ein, "aber dafür hatte Romeo Sex mit Julia."Anzüglich wackelte er mit seinen Augenbrauen. Meine Augen weiteten sich, und für einen kurzen Moment drehte ich meinen Kopf wieder so, dass ich eine gute Sicht auf Philomena hatte, die sich gerade eine lose Strähne, die aus ihrem Zopf gerutscht war, hinter die Ohren strich. Sie lächelte.
Normalerweise hätte ich diesen Anblick in stiller Seligkeit an mir vorüberziehen lassen, aber Neils Worte hallten in meinen Gedanken wider. Ich spürte förmlich, wie mir die Röte in mein bleiches Gesicht schoss. Meine Wangen und meine Stirn wurden heiß.Ertappt drehte ich meinen Körper in Richtung des Podests und senkte meinen Kopf. Als hätte Neil meine Gedanken erraten, was er womöglich auch genau getan hatte, hielt er sich mit einer Hand den Mund zu, um ein lautes Lachen zu vermeiden, und legte die andere auf meine Schulter. Noch immer die unbarmherzige Hitze in meinem Gesicht fühlend, schob ich sie wieder von mir.
"Neil, du kannst doch nicht-", versuchte ich, beschämt von meinem Gedankengang, gegen den Jungen zu protestieren, welcher mir allerdings noch, ehe ich anfangen konnte, das Wort abnahm."Pst! Sieh nur, Todd! Es geht los."
Wie ein kleiner Junge, der sich an den Ärmeln seiner Mutter festkrallt, zog er an meinem Hemd. Ich hob meinen Kopf und erblickte, dass Nolan sich direkt vor dem Rednerpult platziert hatte und vernahm ein überdeutliches Räuspern von dem gealterten Mann. Alle Schüler in dem Raum waren von einem Augenblick auf den anderen still wie erschossene Singvögel.Nolan ließ einen kurzen erhabenen Blick über uns alle schweifen, dann sprach er: "Meine Schüler, es ist mir ein Vergnügen, Sie alle heute in dieser Halle begrüßen zu dürfen. Manche von Ihnen haben bereits Ihr letztes Jahr auf unserer hervorragenden Schule angebrochen. Für andere unter Ihnen wird dies nächstes Jahr der Fall sein.
Nichtsdestotrotz, ist es auch für Sie ein nicht unwichtiger Vortrag, den unser Gast heute halten wird. Denn auch für Sie wird die Zeit kommen, in welcher Sie sich für Ihr Wunsch-College bewerben werden. Um ihnen einen Vorgeschmack auf diese Zeit und auch das alltägliche Leben nach Welton zu geben, haben wir einen unserer ehemaligen Schüler, den Besten seines Jahrgangs, Kapitän der Soccer- und der Rudermannschaft und des Debattierklubs, Herausgeber des Jahrbuches und Schulsprecher, eingeladen.
Bitte begrüßen Sie mit mir... Mr. Jeffrey Anderson!"Erstaunt reckte ich meinen Kopf. Ich wollte besser sehen können
Lautes Klatschen ertönte rings um mich herum. Ich spürte die Blicke einiger meiner Freunde auf mir liegen, aber diese kümmerten mich im Moment kein bisschen. Meine Augen lagen auf dem großen, blonden Jungen, welcher versteckt neben einem der vorderen Wandteppiche gestanden hatte.
Hocherhobenen Hauptes und mit sicheren langen Schritten stieg er auf das Podest. Er trug ein weißes, einfaches Hemd, darüber einen edlen Anzug in einem schlichten Schwarz gehalten, doch auf der linken Seite, direkt über seiner Brust, prangte das Harvard-Abzeichen. Das repräsentative Schild, gefüllt mit bezeichnendem 'Harvard-Rot'. Ich konnte sie zwar von meinem Sitzplatz aus nicht sehen, aber darin befanden sich die drei geöffneten Bücher mit den Lettern V, E, R, I, T, A und S.Veritas... Die Wahrheit...
Und die Wahrheit war, dass mein großer Bruder zu einem echten Harvard-Studenten geworden war. Er hatte eine gänzlich neue Ausstrahlung bekommen. Das Zeichen auf seiner Brust ließ Menschen für einen Moment den Atem anhalten. Jeff war zu einem echten Mann geworden. Jemand, dem man bewundernde Blicke zuwarf, wenn man ihn in einem Café sitzen oder auf der Straße schlendern sah.Mit leicht geöffnetem Mund erblickte ich meinen Bruder, der ein freundliches Lächeln in die Menge warf und dann Mr. Nolan die Hand schüttelte. Er richtete sich seinen Anzug und schritt dann an das Podest. Seine Mundwinkel weit nach oben gezogen. Sein Sieger-Lächeln, wie mein Vater es immer genannt hatte.
Das Lächeln, das ich nicht hatte.
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Dead Poets In Love \ Club der toten Dichter Fan Fiktion~DPS-Charakter X OC
FanfictionSeit jeher war die Welton Akademie ein Internat für Jungen. Doch dies sollte sich im Jahr 1959 ändern... Das erste Mädchen wurde auf die Schule zugelassen. Aber nicht nur dieses Ereignis sollte die Leben einiger Schüler verändern. An jenes Jahr wür...