Wo die Zeit scheinbar nie vergeht

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Allein der Montag zog sich schon quälend langsam hin. Eigentlich machte mir die Arbeit im Radiosender viel Spaß, aber heute kam ich einfach nicht voran.
Dabei war meine Aufgabe mir bisher ziemlich leicht gefallen. Am Vormittag musste ich einmal pro Stunde eine Polizei- oder eine Pressemeldung zu einer Nachricht umformulieren und diese anschließend an die Nachrichtensprecherin weitergeben. Sie sah sich das alles nochmal an und änderte, was nicht passte. Zwischen den Nachrichten suchte ich nach Themen für Beiträge und nach Interviewpartnern. Nachmittags so ab 2 Uhr konzentrierte ich mich voll und ganz auf die Beiträge für den nächsten Tag. Das hieß vor allem die Interviews schneiden und eintexten. Eingesprochen wurden die Beiträge dann meistens von einer Moderatorin. Nur manchmal musste ich für ein Kollegengespräch hinters Mikrofon.
An jedem anderen Tag gingen mir diese Aufgaben leicht von der Hand, sodass ich noch nicht einmal über Überstunden nachdenken musste. Heute schienen die unausweichlich auf mich zu zukommen.
Es war nie wirklich einfach, jeden Tag sieben verschiedene, aktuelle und auch noch lokale Themen zu finden und dazu auch noch Interviewpartner ans Telefon zu bekommen. In dieser Woche war absolut nichts los, über das man berichten könnte.
Nur mit Mühe konnten wir uns in der Redaktion auf die Themen für den nächsten Tag einigen. Nach der Konferenz setzte ich mich sofort ans Telefon und versuchte, Interviewpartner zu den Themen zu finden. Die brauchten wir, damit in unseren Beiträgen auch Expertenmeinungen zu hören waren.
Bis zu meiner Mittagspause hatte ich allerdings erst vier Interviews geführt, fehlten also immer noch drei. Heute wollte es nicht so richtig laufen.
Seufzend snackte ich einen Apfel, während ich nebenbei weiterarbeitete. Ich würde mir auch später noch etwas Anderes zu essen holen können. Jetzt musste ich mich auf die fehlenden Interviews konzentrieren.
Eine Stunde später hatte ich endlich alles zusammen, was ich brauchte. „Ich geh schnell in die Mittagspause.", sagte ich zu meiner Kollegin, nein eigentlich Chefin. Sie war selbst noch nicht lange beim Sender, doch sie moderierte und gestaltete das Programm. Allerdings mochte sie es nicht, wenn wir anderen sie als Chefin bezeichneten. Sie sah sich mit uns auf einer Ebene. „Alles klar.", meinte sie nur abwesend und konzentrierte sich weiter auf ihr Skript für morgen.
Die Pause tat mir gut und vor allem war es schön, etwas in den Magen zu bekommen. Das stärkte meine angekratzten Nerven und ließ mich meine schlechte Laune zumindest ein bisschen vergessen.
Allerdings nicht für lange, denn die Arbeit begann quasi erst so richtig, als ich mich wieder an meinen Rechner setzte. Stundenlang bearbeitete ich jetzt die Interviews. Das hieß, dass ich alle „Ähs" und „Ähms" sowie Logik- und Grammatikfehler und Überflüssiges beziehungsweise Doppeltes herausschnitt und das Gesagte in entsprechend kurze und prägnante Töne brachte. Wenn ich diese Töne hatte, schrieb ich einen Text dazu, der die Übergänge zwischen den Tönen bildete und diese erklärte.
Der Text wurde dann eingesprochen und anschließend wurde alles zu einem fertigen Beitrag zusammengesetzt.
Das alles machte ich jeden Tag sieben Mal. Als ich heute endlich fertig wurde, war es schon halb sechs am Abend. Normalerweise arbeitete ich bis halb fünf.
Die meisten meiner Kollegen waren schon nach Hause gegangen und auch ich packte jetzt endlich meine Sachen.
Jetzt, wo ich den ganzen Abend allein verbrachte und mich meine Arbeit nicht mehr ablenkte, holten mich meine trüben Gedanken vor allem in Bezug auf Luca ziemlich schnell wieder ein.
Ich hatte mit meinem Chef gesprochen, denn ich brauchte ja einen freien Tag. Er war nicht wirklich begeistert. Am liebsten wäre es ihm, wenn ich gar nicht nach Österreich fuhr, denn an diesem Wochenende fand irgendein Konzert oder so in Osnabrück statt, wo er mich gern hingeschickt hätte.
Allerdings war ich ja quasi „nur" die Praktikantin und in meinem Vertrag standen keine Arbeitszeiten am Wochenende. Auch wenn ich eigentlich nichts dagegen gehabt hätte, auch am Wochenende zu arbeiten. Aber an DIESEM Wochenende war es eben schlecht.
Fast eine Stunde lang hatte mein Chef tatsächlich versucht, mir das Auszureden. Das war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Ich sagte ihm sofort, dass es für mich nicht zur Debatte stand, DASS ich fuhr, sondern eben nur WANN.
Schließlich gab mein Chef auf und willigte ein, dass ich am Donnerstag nach der Mittagspause gehen durfte. Unter der Bedingung, dass vorher alles vorbereitet war und ich einen der Motorradfahrer als Studiogast in den Sender holte. Beides bedeutete, dass ziemlich viel Arbeit auf mich zukam. Aber lieber so als gar nicht fahren.
Ich hatte also schon mal die erste Hürde überwunden. Den freien Tag bekam ich. Als nächstes musste ich mir überlegen, wie ich nach Österreich kam. Sowohl für meine Familie als auch für Marec wäre es ein riesiger Umweg, wenn sie mich hier in Osnabrück abholen würden.
Außerdem musste ich am Montag auch wieder auf Arbeit sein. Vielleicht sollte ich mit meinem Auto fahren. Da gab es nur das Problem „Spritgeld". Als Praktikant verdiente ich nichts und meine Eltern wären sicher nicht begeistert, wenn sie zweimal die Tankfüllung nach Österreich und wieder zurück zahlen müssten.
Vermutlich würde ich es wieder machen wie am Sachsenring. Mit dem Auto nach Hause fahren und dann in das Auto meines Vaters hüpfen, um mit denen nach Österreich zu fahren.
Jetzt musste ich irgendwie noch drei Wochen überbrücken, bis endlich das nächste Rennwochenende kam. Alle meine Freunde waren in Thüringen oder im Fall von Marec in Frankfurt. Hier in Osnabrück musste ich mich also immer irgendwie anders beschäftigen.
Meistens lief das auf Essen und Lesen hinaus, was für meine Figur aber nicht wirklich förderlich war. Vielleicht sollte ich doch ab und zu ein bisschen Sport machen. Das sollte auch die Langeweile vertreiben.
Also suchte ich mir eine Jogginghose und ein Top aus dem Koffer und entledigte mich meines Arbeitsoutfits. Das bestand heute aus einer einfachen, schwarzen Jeans und einer dunkelblauen, ärmellosen Bluse im Vokuhila-Style.
Da hatte mein Chef am Anfang auch einen riesen Aufstand um nichts gemacht. Beim Vorstellungsgespräch hieß es nämlich, man müsse ganz dringend in sehr seriöser Kleidung erscheinen. Meine Kollegen kamen größtenteils in Jeans und T-Shirt. Manchmal auch mit schlichter Bluse. Aber keiner nahm es mit dem Businesslook so ernst und solange man halbwegs ordentlich aussah, sagte der Chef auch nix.
Bevor ich mein Hotelzimmer verließ, band ich meine Haare zu einem straffen Pferdeschwanz zusammen und schlüpfte in meine pinken Sneaker. Nach einem letzten Blick in den Spiegel, fragt mich nicht warum, ließ ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen und trabte die Treppe nach unten.
Ich hatte in der Nähe des Hotels, in dem ich vom Sender für die Dauer des Praktikums untergebracht worden war, einen Park gefunden und dort wollte ich jetzt hin.
Nachdem ich erstmal meine Muskeln gedehnt hatte und eindeutig gemerkt hatte, dass ich zu wenig Sport trieb, stöpselte ich mir meine Kopfhörer in die Ohren und begann zu laufen.
Ich war nie ein sportlicher Mensch gewesen. Eigentlich war ich sogar ziemlich unfallgefährdet, wenn ich dann doch mal Sport machte. Allerdings ging es wohl nicht ganz ohne und da war ein bisschen Joggen mit guter Musik im Ohr noch das Angenehmste.
Leider hatte ich beim Laufen ziemlich viel Zeit, um nachzudenken. Dabei drängte sich ein Gedanke in den Vordergrund: Vielleicht wollte Luca mich ja auch gar nicht wiedersehen. Ich konnte es ja nicht wissen. Vielleicht war ich eben ein netter Zeitvertreib für ein Wochenende gewesen, damit er sich die Rennen nicht allein anschauen musste. Möglich wäre es.
Je weiter das Wochenende am Sachsenring zurücklag, desto unwirklicher erschien mir das alles. Ich konnte einfach nicht verstehen, wieso er mich überhaupt angesprochen hatte.
Andererseits war da dieser Moment beim Quali gewesen. Dieser Moment, in dem allein sein Blick ausgereicht hatte, um mir eine Gänsehaut über den Körper zu jagen...

Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, mindestens alle zwei Tage mal ein paar Meter zu laufen. Danach fühlte ich mich doch tatsächlich besser und vor allem konnte ich dann schneller einschlafen und die ganzen wirren Gedanken, die sich mir abends immer aufdrängten, in den Hintergrund schieben.
So überlebte ich schließlich auch die zweite Woche nach dem Sachsenring und stand wieder vor der Frage, wie ich das Wochenende über die Bühne bringen konnte, ohne zu viel nachzudenken.
Ich hatte nämlich festgestellt, dass mich das Nachdenken traurig machte. Denn dann überlegte ich, wie ich Luca wiedersehen könnte und eigentlich musste ich mir doch eingestehen, dass es eher unwahrscheinlich war, ihm überhaupt nochmal persönlich zu begegnen, geschweige denn, dass er sich dann an mich erinnerte.
Verdammt, war es nervig, wenn alle Freunde so weit weg wohnten! Die einzige Ablenkung, die mir blieb, waren Bücher ohne Ende oder Sport. Ersteres machte sich ziemlich unangenehm in meinem Budget bemerkbar und Sport hasste ich eigentlich abgrundtief. Und das schon seitdem ich denken konnte.
Also ging ich am Freitag nach Feierabend eine Runde joggen, die Runden wurden auch mit jedem Tag größer, und verkrümelte mich nach der anschließenden Dusche eigentlich sofort mit einem guten Buch in mein Bett.
Es war erst 18.30 Uhr und ich hatte mich schon im Schlafanzug in meine Decke gewickelt.
Nur irgendwie wollte mich das Buch heute nicht so richtig fesseln. Meine Gedanken drifteten ab. Lilia hatte Luca gegoogelt. Was hatte sie dabei gefunden?
Ich angelte mir den Laptop von dem Stuhl neben dem Bett und schaltete ihn ein. Es dauerte nur zwei Minuten, bis ich im Internet war und ‚Luca Marini' in die Suchleiste eintippte. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Wie 18 benahm ich mich nicht gerade.
Schon die ersten Bilder, die auf dem Bildschirm erschienen, zauberten mir ein Lächeln ins Gesicht. Zwischen den zahlreichen Fotos von Luca auf verschiedensten Motorrädern fanden sich nur wenige, auf denen er ohne Helm zu sehen war. Und von denen war eigentlich nur eins aktuell. Alles andere waren Kinderfotos oder mindestens zwei Jahre alt.
Doch dieses eine Foto zeigte ihn lächelnd. Es war nicht das Lächeln, mit dem er mich angesehen hatte. Seine Augen leuchteten nicht mit. Trotzdem strahlten diese Augen und stachen aus dem Foto heraus. Sie waren so besonders. Diese Farbe hatte ich noch nie gesehen.
Wie lange ich verträumt das Bild vor mir anstarrte, wusste ich nicht. Das Klopfen an meiner Tür ließ mich erschrocken zusammenfahren. Wer war das bitte?
Ich klappte den Laptop zu und stand auf. Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich schon im Schlafanzug war, öffnete ich die Tür.
Zeit zum Reagieren hatte ich nicht, als ich von zwei starken Armen vom Boden hochgerissen und durch die Luft gewirbelt wurde.
Es kam mir nicht mal ein erschrockenes Quietschen über die Lippen und das schien auch mein „Angreifer" zu bemerken. Langsam ließ er mich wieder zu Boden rutschen und jetzt endlich konnte ich auch mal richtig erkennen, wer da eigentlich vor mir stand.
„Marec!", okay, da war das Quietschen, „Was machst du denn hier?!?" „Dich besuchen.", antwortete er grinsend. „Wie bist du hierhergekommen?", fragte ich weiter.
Erst schob mich Marec in mein Zimmer und schloss die Tür hinter sich, dann antwortete er geduldig: „Mit Bus und Bahn." „Das war doch sicher sau teuer!" „Ja schon, aber meine Eltern mussten mich immerhin nicht fahren.", er zuckte mit den Schultern und warf sich dann auf mein Bett. Den Laptop schob er unsanft zur Seite.
Grinsend ließ er den Blick über mich wandern und meinte dann: „Was ist, Kleine? Willst du so mit mir in die Stadt?" „Wie bitte?", mir war nicht ganz klar, was er meinte.
Er lachte nur. „Los, zieh dich um.", wies er mich an und deutete mit dem Kopf auf meinen Koffer. Ich seufzte: „Wohin willst du mich denn entführen?" „Keine Ahnung.", er fand die Chipstüte neben dem Bett, „Ich bin nicht von hier. Du musst dich auskennen." „Ach, muss ich das?" Der Meinung war ich nämlich mal so überhaupt nicht. Ich wohnte hier ja nicht richtig und ich wollte ja auch nicht bleiben.
Aber als guter Gastgeber hatte ich natürlich trotzdem eine Idee. Aus meinem Koffer wühlte ich ein dunkelblaues Top und eine enge, cremefarbene Hose. Das zog ich mir schnell über und schlüpfte dann in meine Sneaker.
„Okay, mit dem Auto oder mit dem Bus?", fragte ich Marec schließlich. Die Antwort kam prompt: „Bus." „Okay, dann können wir maximal bis 1. Dann fährt nämlich der letzte. Danach erst morgen früh um 5 wieder." „Dann lass uns doch den um 5 nehmen.", grinste Marec mich an und schnappte sich meine Tasche vom Boden.
Ich zeigte ihm den Vogel und erkämpfte mir die Tasche zurück, während ich entgegnete: „Spinner. Lass uns doch erstmal schauen, wie es überhaupt wird."
Er hatte mit beiden Händen das eine Ende meiner Tasche umschlossen, ich das andere. Mit einem Ruck zog er mich an der Tasche ganz dicht zu sich heran. Dann senkte er etwas den Kopf und raunte halblaut neben meinem Ohr: „Du hast mich mit und ich habe dich mit. Es kann also nur super werden."
Die Gänsehaut breitete sich quälend langsam über meinen Körper aus. Ich konnte quasi jedes Haar einzeln spüren, wie es sich aufstellte. Meine Haut kribbelte immer noch in seiner Nähe.
Ich räusperte mich, entriss ihm endgültig die Tasche und nahm mir noch eine dünne Jacke mit. Wieso war ich jedes Mal, wenn er bei mir war, wieder so durcheinander? Konnte das nicht endlich mal aufhören?
Aber Marec hatte mich nie kalt gelassen, von Anfang an nicht. Schon als ich ihn vor fünf Jahren an der Rennstrecke kennengelernt hatte, war ich in seiner Gegenwart ganz besonders schüchtern gewesen. Zu dieser Zeit war ich allgemein noch unglaublich schüchtern. Erst im letzten Jahr hatte ich das größtenteils abgelegt und konnte inzwischen ganz gut aus mir rausgehen.
Das lag wohl zum größten Teil an Marec und Lilia. Die beiden halfen mir, aus mir herauszukommen und brachten mich dazu, über meine Grenzen hinauszugehen.
Mein wahres Ich kam anfangs vor allem an der Rennstrecke zur Geltung, was wohl einer der Gründe für meine unbändige Liebe zu diesem Sport war. Doch inzwischen konnte ich das auch im Alltag immer mehr ausleben.
Die nächste Bushaltestelle war direkt vor dem Hotel. Ich ließ mich auf einen der Plastiksitze in dem kleinen Häuschen fallen, während Marec den Fahrplan studierte. Er warf ein Blick auf sein Handy und zog die Stirn in Falten.
„Lass uns laufen.", meinte er dann und schob sein Handy wieder in seine Hosentasche. Mir entgleisten die Gesichtszüge wahrscheinlich völlig, so wie er mich auslachte. „Ist das jetzt dein Ernst?!?", er nickte nur, „Das dauert eine Stunde!"
Jetzt legte er den Kopf schief und setzte seinen schönsten Hundeblick auf. Es sah echt lustig aus, wie er versuchte, mich von unten herauf anzublinzeln, obwohl er so viel größer war. Er bettelte mich regelrecht an: „Ach, komm schon. Zurück nehmen wir dann den Bus oder ein Taxi oder so. Aber hin können wir doch laufen."
Ich seufzte und gab schließlich nach. „Zurück werden wir dann aber fahren müssen. So viel Bewegung an einem Tag ist nicht gut für mich.", brummte ich vor mich hin.
Wenn er es gehört hatte, ging Marec nicht darauf ein. Er grinste nur schief vor sich hin und beobachtete mich, wie ich mich langsam von meinem Sitzplatz auf die Beine quälte.
Zielstrebig lief ich los in Richtung Innenstadt. Marec folgte mir, aber nach ungefähr 200 Metern fragte er skeptisch: „Und du weißt, wo wir lang müssen?" „Ich fahre den Weg jeden Tag. Natürlich weiß ich, wo wir lang müssen.", entgegnete ich und schubste ihn spielerisch gegen die Schultern. Gespielt verzog er vor Schmerz sein Gesicht und jaulte: „Au! Womit habe ich das denn verdient?" „Das war dafür, dass du mir nicht vertraust."
„Ähm, Kleine. Ich vertraue dir schon, nur ist dein Orientierungssinn eben nicht der beste.", leider hatte er damit absolut recht.
Doch das konnte ich trotzdem nicht auf mir sitzen lassen: „Deswegen laufen wir auch den gleichen Weg, den ich jeden Tag fahre! Inzwischen sogar ohne Navi. Und wenn du Angst hast, dass du dich verläufst, hast du ja noch dein Handy." Er lachte nur und legte seinen Arm um meine Schultern.
Der Weg in die Osnabrücker Innenstadt zog sich unglaublich in die Länge. Den größten Teil liefen wir auf einer Straße, die sich ziemlich endlos anfühlte. Aber Marec neben mir quatschte unermüdlich auf mich ein und störte sich auch nicht daran, dass ich meistens nur mit einem „Hm." auf seine Geschichten reagierte.
Irgendwann stellte er mit einem Blick auf sein Handy fest: „Also die Stunde ist gleich um und so langsam krieg ich auch echt Hunger." „Du hast immer Hunger.", gab ich schmunzelnd zurück. „Das sollst du doch nicht verraten!", lachte Marec und legte sich einen Finger an die Lippen, „Also, wie weit ist es noch?"
„Nur noch die Ecke da vorne, dann einmal über die Straße und die Straße dann hinter. Dann sind wir da.", erklärte ich und deutete mit der Hand die ungefähre Richtung an. Marec seufzte gespielt leidend: „Hätten wir doch nur den Bus genommen!" „Du wolltest laufen!", entgegnete ich sofort.
Und tatsächlich waren wir nur knappe zehn Minuten später tatsächlich da und suchten uns eine ruhige Ecke im Biergarten der Ganztageskneipe, für die ich mich entschieden hatte. Es war eine Restaurantkette, die ich allerdings erst hier kennengelernt hatte. Dafür hatte ich das angenehme Ambiente und die netten Leute sofort ins Herz geschlossen. Außerdem schmeckte das Essen einfach fantastisch. Und es gab einige extravagante Getränke.
Marec sah sich um und schien auch nicht ganz abgeneigt von meiner Wahl. Wir saßen quasi mitten in der Fußgängerzone und nicht weit entfernt von meinem Arbeitsplatz.
Wir bestellten uns zuerst jeder einen Cocktail und stießen auf den Abend an. Ich hatte einen einfachen Caipirinha, während Marec sich für einen Solero entschieden hatte.
„Na dann...", meinte ich und nahm mein Glas. Marec tat es mir gleich und ergänzte: „Dann... auf einen schönen Abend."
Als wir unsere Gläser aneinander stießen, sah er mir tief in die Augen. So tief wie wahrscheinlich noch nie zuvor.

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