Marec saß auf der leicht feuchten Wiese. Seine Beine hatte er lang ausgestreckt und er stützte sich hinter seinem Rücken auf seinen Händen auf. Ich saß auf seinen Beinen, denn er war der Meinung, dass ich mir sonst die Hose versauen würde.
Wir hatten eine ruhige Stelle gefunden, ein ganzes Stück weg von dem ganzen Trubel, der an diesem Wochenende hier herrschte. Irgendwo in der Ferne konnte man den schallenden Bass vom Ankerberg hören und die bunten Lichter erhellten die Nacht. Aber hier in unserer unmittelbaren Umgebung war alles still. Hier war keine Spur der Menschenmassen, die sich über den Tag hier getummelt hatten und die sich jetzt auf dem Ankerberg vergnügten.
„Morgen gehen wir auf den Ankerberg.", grinste Marec, „Wir beide." Ich lachte auf und erwiderte: „Ja, das habe ich schon so eingeplant."
Kurz blieben wir stumm, aber dann fügte ich noch hinzu: „Kilian kommt vielleicht mit." Auch Kilian kannte ich noch vom Minibike. Wir hatten uns immer gut verstanden, aber eine wirklich enge Freundschaft war nie daraus geworden.
Marec zuckte mit den Schultern und sagte: „Okay." Doch bevor er seinen Blick abwandte, glaubte ich zu erkennen, dass er das gar nicht so okay fand. Wir kannten uns gut und konnten meistens ziemlich gut einschätzen, wie es dem anderen ging. Gut, er konnte das bei mir wahrscheinlich noch besser als ich bei ihm.
Plötzlich sagte er: „Felix will vielleicht auch mit. Ich hatte ihm noch nicht zugesagt, weil..." Er beendete den Satz nicht. Felix war letztes Jahr mit Marec zusammen aus dem Minibike Cup aufgestiegen.
Marec fixierte einen Grashalm neben ihm auf dem Boden. Er wollte um jeden Preis meinen prüfenden Blick vermeiden.
Doch schon im nächsten Moment wendete er sich wieder mir zu und grinste mich breit an. Als er seinen Blick in meinen versenkte wurde sein Lächeln weicher. Das wäre der Moment, in dem ich noch heute Mittag Herzklopfen bekommen und mir nichts mehr als einen Kuss gewünscht hätte.
Jetzt erwiderte ich einfach nur seinen Blick und lächelte warm.
Diese Verbindung zwischen uns beiden war wichtiger für mich als alles andere. Es gab niemanden, den ich so brauchte wie ihn. Er war in meinen dunkelsten Momenten an meiner Seite gewesen und hatte mich im Arm gehalten, als ich es sonst keinem erlaubte. Selbst wenn ich nicht reden wollte, er brachte mich dazu und danach ging es mir immer besser. Wenn ich ihn nicht hätte, dann hätte ich sicher schon so manches Mal aufgegeben.
Und das Herzklopfen war wieder da. Meine Handflächen wurden feucht. Zitternd wischte ich sie mir an der Hose ab, in der Hoffnung dass er es nicht bemerkte.
Vorsichtig ließ Marec seine Fingerspitzen über meine Unterarme gleiten. Eine Gänsehaut breitete sich von meinen Armen über meinen ganzen Körper aus. In diesem Moment war ich so unendlich dankbar dafür, dass ich auf seinem Schoß saß. Wenn ich jetzt stehen würde, dann würden ganz sicher meine Knie nachgeben.
Ein einzelner Regentropfen fiel genau zwischen uns. Und dann wurden es immer mehr Tropfen, die auf unsere Körper prasselten. Ich hob den Kopf und ließ mir den Regen aufs Gesicht fallen. So ein warmer Sommerregen hatte für mich schon immer eine faszinierende Wirkung.
Ich spürte erst, dass Marec sich mir näherte, als ich seinen warmen Atem auf meinen Lippen spüren konnte. Unwillkürlich öffneten sich meine Lippen leicht und meine Lider sanken nieder. Marecs Hand wanderte von meinem Arm nach oben an meine Wange.
Ganz langsam, Millimeter für Millimeter zog er mich zu sich. Ich konnte seinen Mund schon fast auf meinem spüren. Meine Lippen kribbelten schon voller Erwartung. Tief in meinem Bauch flatterten tausende Schmetterlinge umher.
Und dann war es endlich so weit. Marec überbrückte den letzten Abstand zwischen unseren Lippen und...
Das lautstarke Klingeln meines Handys riss uns aus diesem vertrauten Moment heraus. Ich riss die Augen auf und auch Marec zog sich schlagartig zurück.
Mit zittrigen Fingern fummelte ich mein Handy aus der Tasche und sah auf das Display. Es war Marecs Mutter.
Ich wischte über das Display und meldete mich: „Hi." „Hallo. Ist Marec bei dir?", wollte sie wissen. „Ist er.", sagte ich leise und schielte aus den Augenwinkeln zu ihm herüber. Irgendwie schien es, als könnte er noch nicht so richtig begreifen, was gerade fast passiert war.
„Bringst du ihn her?", fragte seine Mum unvermittelt, „Er muss ja morgen fahren." „Ja, natürlich. Bis gleich.", damit legten wir auf.
Marecs Blick verriet mir, dass er wusste, wer angerufen hatte. „Sie hat ein Talent dazu, immer dann zu stören, wenn es am wenigsten passt.", murrte er leise. Seufzend erhob ich mich von seinen Beinen und ging nicht weiter auf seine Bemerkung ein: „Los, lass uns gehen. Ich will nicht, dass du morgen wegen mir das Rennen versaust." „Wenn, dann gewinne ich wegen dir.", das Grinsen auf seinem Gesicht war jetzt ziemlich großspurig und ließ mich zögern.
„Ja, ist klar.", lachte ich schließlich. Das war wieder der Marec, den ich kannte. Er hielt nicht viel von Gefühlen.
Auf dem ganzen Rückweg zum Fahrerlager wirkte es ziemlich normal zwischen uns. Wir neckten uns gegenseitig, manchmal fiel ein ernst gemeintes Kompliment. Aber als wir schließlich vor seinem Zelt standen, war es doch anders.
Ich hob langsam den Blick von meinen Füßen, denn ich hatte Angst vor dem, was ich in seinen Augen finden könnte. Doch als unsere Blicke dann verschmolzen, war da nichts als Wärme. „Gute Nacht.", flüsterte ich unsicher.
Noch viel unsicherer als ich trat Marec einen Schritt vor und legte seine Arme um mich. Er zog mich zögerlich in eine Umarmung, die ich bereitwillig erwiderte. „Träum was Schönes.", hauchte er neben meinem Ohr. Dann ließ er mich los und verschwand im Zelt.
Damit war ich allein. Ich stand noch einige Minuten verwirrt mitten im Fahrerlager, bevor ich mich schließlich dazu entschied, ins Bett zu gehen und diesen merkwürdigen Tag hinter mir zu lassen. Morgen würde sicher alles ganz anders aussehen.
Oder auch nicht. Die halbe Nacht hatte ich wach gelegen und an Marec gedacht. Und wenn ich gerade nicht an Marec dachte, dann an Luca Marini.
Als gegen 8 Uhr der Wecker im Wohnwagen klingelte, stöhnte ich genervt auf und vergrub meinen Kopf unter dem Kissen. Ich war noch nicht bereit zum Aufstehen.
Meine Eltern ließen mich zum Glück in Ruhe, die wussten wie ich war. Mein Bruder auch. Ganz kurz hatte ich die leise Hoffnung, dass ich noch ein paar Stunden Schlaf bekommen könnte.
Die währte allerdings nicht lange, denn die Tür des Wohnwagens wurde schon wieder aufgerissen. Ich knurrte genervt und drehte mich um.
„Hey, was soll das denn jetzt?!?", diese Stimme gehörte nicht zu meiner Familie, aber ich kannte sie. Sehr gut sogar. So ganz verstehen konnte ich das allerdings noch nicht. Mein Gehirn schlief noch.
Nur zögerlich drehte ich meinen Kopf zur Tür und versuchte zu erkennen, wer dort stand. Meine Augen waren nur kleine Schlitze. Trotzdem konnte ich dieses Grinsen erkennen.
„Was machst du hier, Pole?", fragte ich total verpennt. Meine Stimme war noch kratzig und rau vom Schlafen.
Marec lachte leise und setzte sich auf die Bettkante. Er störte sich schon lange nicht mehr an seinem Spitznamen, der, welch Überraschung, an seine polnische Herkunft angelehnt war und ausnahmsweise mal nicht von mir stammte. „Eigentlich...", erklärte er leise, „wollte ich mit dir frühstücken gehen, aber jetzt bin ich mir da gar nicht mehr so sicher."
Ich fummelte irgendwie mein Kissen unter meinem Kopf hervor, warf es auf ihn und murrte: „Gib mir 5 Minuten. Ich muss mich ja wenigstens anziehen." „Also von mir aus kannst du auch so gehen.", meinte er amüsiert, als er die Wohnwagentür hinter sich zu zog.
„Das würde dir so passen.", knurrte ich, doch ein Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. Ich zog mir schnell ein helles Top und eine enge, dunkelblaue Jeans an und schlüpfte dann in meine pinken Sneaker.
Dann fummelte ich noch meine Sonnenbrille aus einem der Fächer und öffnete die Wohnwagentür.
Draußen strahlte die Sonne vom Himmel und es war jetzt schon angenehm warm. Aber eben nur warm. Der Sommer in diesem Jahr war nicht unbedingt das, was ich als Hitzewelle bezeichnen würde. Wenn wir heute noch 20 Grad erreichten wäre ich überrascht.
Marec lehnte am Wohnwagen neben dem Tisch, an dem meine Familie frühstückte. Sein Shirt war etwas nach oben gerutscht und ich musste mich zwingen, da nicht hin zu sehen. Ich wusste, dass mir gefallen würde, was ich sah.
„Oh, schau mal wer auferstanden ist.", witzelte mein Vater. „Ha ha, seeeeeehr lustig.", murmelte ich vor mich hin. Keine Ahnung ob er mich gehört hatte.
Hatte er: „Ich mach doch nur Spaß, Schnecke." „Ich weiß.", ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen.
Der Pole, so nannte ich Marec in meinen Gedanken ständig, (na gut auch wenn ich mit meinen Freundinnen oder meiner Mutter über ihn sprach) war inzwischen zu mir gekommen und hielt mir einen Arm hin. „Traust du dich, mit mir mitzufahren?", fragte er ganz nah an meinem Ohr. Oha. Nein eigentlich nicht. „Klar.", erwiderte ich und zog die Augenbrauen nach oben.
Er führte mich grinsend zu einem schwarzen E-Scooter, mit dem er ständig durch das Fahrerlager düste. „Okay.", sagte er schließlich und stieg auf, „Mach es wie in Italien. Und halt dich gut fest." Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen.
Als ich dicht hinter ihm stand, schlang ich meine Arme um seine Taille und lehnte meine Stirn an seinen Rücken. Unter meinen Fingern konnte ich seine harten Bauchmuskeln spüren. Ich genoss einfach diesen Moment, denn ich wusste, sobald er anhielt war auch der Moment vorbei und ich würde wieder auf Abstand gehen müssen.
Wenn Marec und ich allein waren, dann war es leicht für uns ein Gesprächsthema zu finden. Ein bisschen schwieriger wurde das, wenn die anderen Fahrer dabei waren. So richtig kompliziert war es aber nur, wenn seine Eltern dabei waren.
Die saßen beim Frühstück allerdings nur wenige Tische neben uns, deswegen sprach Marec nur ziemlich leise und unverfänglich mit mir. Wenn er überhaupt sprach. Meistens herrschte eine angenehme Stille, die man wohl auch als gefräßiges Schweigen bezeichnen konnte.
Nach dem Frühstück wollte ich endlich mal an die Strecke. Ich war inzwischen seit fast einem Tag hier und hatte noch kein einziges MotoGP-Motorrad gesehen. Na ja zumindest nicht fahrend. Marec lachte mich aus, als ich ihm das sagte, doch er begleitete mich.
Draußen vor dem Fahrerlager war schon wieder kein Durchkommen mehr. Menschen über Menschen drängten sich über die Straße, rempelten sich an und waren doch einfach alle so unglaublich friedlich. So entspannt, als wäre das hier ihre Droge.
Es war zumindest meine. Von der Strecke her drangen Motorengeräusche zu uns durch. Ich atmete tief ein. Es war, als könnte ich dieses Prickeln in der Luft einfach in mich aufsaugen und in meinem Körper verwandelte es sich dann in einen äußerst ausgeprägten Adrenalinschub.
Marec packte plötzlich meine Hand und zerrte mich quer über die Zufahrtsstraße, die später am Tag auch die Junior-Cupper mit ihren Bikes wieder überqueren mussten. „Komm, vielleicht kommen wir ja in die Boxengasse.", rief er mir zu. Da machte ich mir wenig Hoffnung. Die war gut bewacht und außerhalb der Junior-Cup-Sessions brauchten auch wir die speziellen Paddockkarten, um diesen Bereich betreten zu dürfen.
Das sah leider auch die Security so, also suchten wir uns einen Platz am Zaun. Wir standen direkt gegenüber der Boxengasse ein bisschen höher als die Strecke war. Die Start- und Zielgerade erstreckte sich genau vor uns und in diesem Moment rauschte eine orangefarbene Kalex an uns vorbei.
Unwillkürlich fragte ich Marec: „Konntest du erkennen, wer das war?" „Ich denke Marini.", erwiderte der mit einem angespannten Blick auf eine riesige Leinwand, die geradeso noch in unserem Blickfeld stand.
Meine Finger krallten sich in die Maschen des Zaunes. Das Blut in meinen Adern dröhnte in meinen Ohren. Mein Herzschlag beschleunigte sich mit jedem vorbeirasenden Motorrad. Die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der die Fahrer auf ihren Bikes an uns vorbeizogen, ließ Schwindelgefühle in mir aufkommen und riss mich in einen Taumel des Glücks. Das hier war mein Zuhause.
Ich wusste, dass Marec direkt hinter mir stand. Ich spürte ab und zu seine Berührungen. Doch das war in diesem Moment nicht wichtig.
Wieder kam die Kalex von Luca Marini an uns vorbei. Mein Blick blieb an dem Motorrad kleben. Solange wie es möglich war, sah ich dem jungen Italiener hinterher.
Die Session der Moto2 wurde nur kurz darauf abgewunken. Nach einer kurzen Pause würde endlich der Moment kommen. Der Moment, in dem ich das erste Mal an diesem Wochenende die charakteristische 46 sehen würde. Der Moment, auf den ich seit einem Jahr wartete. Der Moment, für den es jeder Kilometer von Osnabrück bis hierher wert war.
Gegenüber in der Boxengasse konnte ich sehen, wie zwei Yamahas vor die Boxen geschoben wurden. Hinter der einen folgte sofort der Fahrer. Seine Lederkombi hatte das gleiche Blau wie sein Motorrad, aber eines seiner Beine war rot. Jorge Lorenzo, nicht unbedingt der, auf den ich gewartet hatte.
Gerade als Lorenzo losfahren wollte, rauschte die orangene Honda an ihm vorbei, die ich auch gestern schon gesehen hatte. Neben mir begann Marec breit zu grinsen.
Endlich trat auch der Mann vor seine Box, der gleich auf der Strecke unglaubliche Begeisterungsstürme auslösen würde. Doch bevor er auf sein Motorrad stieg, beugte er sich nach vorn und legte seine Hände an seine Stiefel. Dann hob er kontrolliert sein Bein über den Höcker der zweiten Yamaha und ließ sich auf den Sitz sinken.
Schließlich entfernte die Crew den Ständer des Motorrades und Valentino Rossi begab sich auf die Strecke. Allerdings nicht ohne vorher noch einmal im Stehen seine Kombi zurecht zu rücken.
Ich liebte den Klang der Yamaha. Das war fast wie das Schnurren einer wilden Raubkatze, die zwar den Fahrer auf ihrem Rücken duldete, aber ihn jeden Moment mit ihrem unbändigen Temperament überraschen und überrumpeln konnte. Dieser Sound ergriff von mir Besitz und ließ mich nicht wieder los.
Die Honda dagegen kreischte. Wenn die über die Gerade an uns vorbeibretterte, wünschte ich mir fast solche großen Lärmschutzkopfhörer, wie ich sie bei den Kindern beobachtet hatte.
Ein Blick auf die Uhr ließ uns unseren Ausflug abbrechen, denn Marec musste sich auf sein Rennen vorbereiten. Auf dem ganzen Rückweg fühlte ich mich leicht, so leicht wie ein bunter Schmetterling. Ich könnte vor Marec her hüpfen, nur wäre ihm das wahrscheinlich ziemlich peinlich. Und mir auch.
Im Fahrerlager herrschte eine angespannte Atmosphäre. Die Nervosität der Fahrer war schier greifbar. Neben mir wurde auch Marec langsam ziemlich hibbelig. „Ich geh noch ein bisschen Musik hören. Wir sehen uns nachher auf der Strecke.", verabschiedete er sich.
Ich kehrte zu meinem Wohnwagen zurück und bereite mich auf meine Weise auf das Rennen vor. Das hieß, ich kontrollierte nochmal, dass der Nagellack nirgends abblätterte und besserte wenn nötig die Kanten aus. Nach dem Rennen brauchte ich sie eh nicht mehr. Aber jetzt sollten meine Nägel ordentlich aussehen. Dann holte ich das knielange, schwarze Kleid aus dem Schrank und schlüpfte hinein. An der Taille gab es an jeder Seite einen Ausschnitt, durch den man meine Haut sehen konnte. Am Bauch und am Rücken verdeckte etwas Spitze im Gittermuster auch nicht wirklich viel. Solche Spitze war auch über dem Dekolleté und als Träger angebracht. Als das Kleid saß, schlüpfte ich in meine schwarzen High-Heels, die an den Fersen mit Nieten besetzt waren.
Neben mir zog sich eine Freundin meines Bruders um, die ihm den Schirm halten würde. Zu ihren schwarzen Hotpants und dem neon-grünen Top trug sie schwarze Sandalen, die genauso viel Absatz hatten wie meine Schuhe.
„Also die schönsten Grid Girls haben die beiden schon mal.", stellte mein Vater fest, als wir beide aus dem Wohnwagen traten. Ich lächelte ihn nur an und meinte: „Ich geh mir mal meinen Schirm holen." Den hatte nämlich Marec bei sich.
Mit dem Schirm in der Hand machte ich mich auf den Weg zum Treffpunkt. Da die Jungs und Mädels sich erst hier sammeln würden, standen sie schon hier ein paar Minuten in der Sonne. In der Startaufstellung dann auch nochmal.
Als Marec neben mir zum Stehen kam, reichte ihm sein Vater sofort seine Trinkflasche. Sie wechselten noch einige Worte auf Polnisch, bevor meine Mutter anfing schon jetzt tausende Fotos zu machen. Die Motoren knurrten um mich herum. Jeder war ungeduldig. Der Start rückte immer näher.
Der Weg in die Boxengasse erschien mir auf meinen hohen Schuhen irgendwie noch länger. Marecs Vater lief die ganze Zeit neben mir und grinste mich an. „Dass du in den Schuhen überhaupt laufen kannst...", schmunzelte er, als wir endlich Marecs Startposition erreicht hatten.
Es dauerte nicht lang, bis die Fahrer um uns herum auf ihre Positionen fuhren. Dieser Moment war der schlimmste für mich. Nur mit einem Schirm bewaffnet zwischen all den in Lederkombi gekleideten Rittern auf ihren motorisierten Pferden. Es war nicht selten, dass einer mal ziemlich knapp an mir vorbeifuhr oder mich sogar ein bisschen streifte.
Als Marec stand, trat ich an seine Seite, spannte den Schirm auf und zauberte mein schönstes Lächeln auf meine Lippen. Die beste Umschreibung für ein Grid Girl war immer noch Schirmständer mit Dauerlächeln. Und das setzte ich so gut wie möglich um. Hier am Sachsenring arbeiteten sich noch viel mehr Fotografen durch die Startaufstellung als das sonst der Fall war. Bei jedem musste das Lächeln absolut perfekt sitzen. Während sich die Fahrer auf den bevorstehenden Start konzentrierten, ließ ich meinen Blick schweifen und stellte fest, dass die Tribünen sogar noch relativ gut gefüllt waren. Nicht so gut wie zur MotoGP aber immerhin.
Ein schriller Pfiff riss mich aus meinen Gedanken. Ganz vorne an der Startampel wurde ein Schild hochgehalten, auf dem stand „1 Minute". Das hieß, jeder musste von der Strecke runter. Außer die Fahrer natürlich.
In der Boxengasse konnten wir uns den Start aus Sicherheitsgründen nicht direkt von der Boxenmauer aus anschauen, sondern mussten hinter einer weißen Linie stehen bis der Start vorbei war.
Die Motorräder kehrten aus der Einführungsrunde zurück und begaben sich zurück auf die richtigen Startplätze. Ich konnte absolut nichts sehen, deshalb lauschte ich einfach auf die Motoren.
Nervös ließen einige Fahrer die Motoren kurz hoch drehen. Dann taten das auf einen Schlag alle. Die Ampel war an.
Völlig auf den Start konzentriert bemerkte ich nicht, wie sich mir jemand näherte, bis eine unbekannte Stimme neben mir sagte: „Hi."
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Italian Dream
FanfictionFür sie ändert sich an einem Wochenende das ganze Leben. Für ihn auch, nur weiß sie das nicht und wird es so schnell auch nicht erfahren. Oder doch? Luca Marini ist ein junger, ambitionierter Motorradrennfahrer, gerade frisch in die Weltmeisterschaf...