Ich rückte den Riemen meiner Umhängetasche zurecht und verließ das Flughafengebäude. Die Abendsonne knallte mir ins Gesicht. Sofort wurde mir heiß und ich hoffte, dass ich Luca schnell finden würde. Bei ihm konnte ich bestimmt duschen gehen.
Tatsächlich konnte ich Luca schnell unter den vielen Gesichtern ausmachen. Lässig lehnte er an einem glänzenden schwarzen Audi. Die Sonnenbrille auf seiner Nase versteckte seine Augen vor mir, doch das strahlende Lächeln auf seinen Lippen verriet mir, dass er mich entdeckt hatte. Automatisch breitete sich ein glückliches Grinsen auf meinem Gesicht aus.
„Hey, gioia mia.", begrüßte er mich mit rauer Stimme. Er nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. Ich schlang meine Arme um seinen schlanken, muskulösen Oberkörper und atmete seinen so vertrauten Duft ein.
Luca vergrub sein Gesicht an meinem Hals und verharrte so einige Sekunden. „Hallo, tesoro.", flüsterte ich, „Schön wieder bei dir zu sein." Als wir uns das letzte Mal in Misano gesehen hatten, hatte ich ein paar italienische Kosenamen aufgeschnappt. Ein paar hatte mir auch Vale verraten. Jetzt musste ich es nur noch schaffen, mir diese auch zu merken und richtig zu verwenden. Doch Luca sagte nichts, also schien es richtig gewesen zu sein.
Plötzlich löste er sich von mir und trat einen Schritt zurück. Sanft legte er beide Hände an meine Wangen. Dann beugte er sich zu mir herunter und legte seine Lippen auf meine.
Seufzend schlang ich meine Arme um seinen Nacken. Von meinen Lippen aus breitete sich ein wohliges Kribbeln über meinen ganzen Körper aus. Tief in meinem Magen bildete sich ein heißer Klumpen, der seine Hitze durch alle meine Adern aussandte. Oh, er hatte mir so gefehlt.
„Ich habe dich vermisst.", keuchte ich ihm atemlos ins Ohr, als wir uns schließlich lächelnd voneinander lösten. „Ich dich auch.", erwiderte er sanft, „Wollen wir los?" Ich nickte schnell.
Luca öffnete mir die Beifahrertür des Audis und wartete bis ich eingestiegen war, um die Tür hinter mir wieder zu schließen. Dann ging er um das Auto herum und setzte sich hinters Steuer. Während er das Auto in den spanischen Verkehr einfädelte, ließ ich die Umgebung auf mich wirken.
Es dauerte nur ein paar Minuten, dann fuhren wir schon auf das Gelände der Rennstrecke. Luca fuhr bis zum Fahrerparkplatz. Von dort waren es nur ein paar Meter bis zu seinem Motorhome.
„Was hältst du von Abendessen?", fragte er, während er die Tür aufschloss. Oh ja, mein Magen hatte sich schon im Flugzeug gemeldet. Begeistert stimmte ich ihm zu: „Essen klingt super!" „Ich habe alle Zutaten für Wraps hier.", meinte er und ließ uns rein.
Ich steuerte direkt auf die Küche zu. Luca bog zuerst ins Badezimmer ab, doch ich kannte mich hier inzwischen ganz gut allein aus. Neben einem Schneidbrett und einem Messer verteilte ich noch mehrere Schüsseln auf dem Tisch. Aus dem Kühlschrank holte ich Schinken- und Käsewürfel, Paprika, Tomaten und Gurken. Zwiebeln fand ich in einem der Regale, ebenso wie eine Packung Champignons. Wow, Luca wollte mich wohl echt verwöhnen. Schnell wusch ich mir die Hände und das Gemüse. Dann begann ich schon mal mit dem Schneiden.
Nur wenig später stieß auch Luca dazu. Er stand plötzlich ganz dicht hinter mir. Ich spürte seinen warmen Atem hinter meinem Ohr und hielt in meiner Bewegung inne. Leicht ließ ich den Kopf zur Seite sinken. Luca drückt mir sanft seine Lippen auf den Nacken und streichelte mit seinen Fingern meine Seiten.
Obwohl das Blut in meinen Adern brodelte und mein Herz hüpfte und tanzte, konnte ich doch scheinbar cool sagen: „Wir sollten weitermachen. Du willst mich nicht hungrig erleben." Luca lachte leicht auf und trat einen Schritt zurück. „Du hast recht.", meinte er und öffnete den Besteckkasten, „Das will ich wirklich nicht."
Während ich weiter schnippelte, rührte er eine unglaublich leckere Joghurtsauce an. Danach half er mit dem Gemüse. Aus einem Schrank holte er noch ein Glas Peperoni.
Als alles bereit war, kamen die Wraps für kurze Zeit in den Ofen. Noch warm befüllten wir sie. Etwas ungeschickt versuchte ich, meinen Wrap irgendwie in eine essbare Form zu bekommen. „Warte,", unterbrach Luca meine Bemühungen, „hier, ich zeig's dir." Damit zog er sich meinen Teller zu sich heran. Mit flinken Finger klappte er den unteren Teil des Wraps nach oben. Darüber faltete er zuerst die linke und dann die rechte Hälfte des Wraps.
„So, cuore mio. Jetzt geht das mit dem Essen ganz leicht.", und er hatte recht. Ich bedankte mich ein wenig verlegen und genoss meinen von Luca gefalteten Wrap.
Nach dem Essen und dem Küche aufräumen wurde es schon langsam dunkel draußen. „Möchtest du duschen?", fragte Luca mich völlig unvermittelt. Für einen Moment war ich sprachlos. Das machte ihn nervöser als nötig: „Ich hätte dich das schon vorhin fragen sollen. Du willst dir doch sicher die Reise abwaschen. Also ich meine, zumindest mir geht es immer so..." „Ich würde gern duschen gehen.", ich überspielte sein kopfloses Geplapper einfach. Das entspannte ihn am schnellsten wieder.
Nachdem ich jetzt wieder sauber war, kuschelte ich mich zu Luca in sein frisch bezogenes Bett. Das hatte sich heute einfach so ergeben. Er war schon ziemlich müde gewesen und ich hatte auch nichts dagegen, ein wenig früher zu schlafen.
Doch soweit waren wir noch lange nicht. Zusammengekuschelt lehnten wir am Kopfteil seines Bettes. Ich erzählte ihm gerade von meiner ersten Woche im Studium: „Es war ja im Grunde nur die Orientierungswoche. Man hat mal alle Leute gesehen, mit verschiedenen in Gruppen zusammengearbeitet und zumindest schon mal Anschluss gefunden. Am Montag geht es dann richtig los."
„Und? Bist du nervös?", fragte Luca, während er mit seinen Fingern beruhigende Kreise auf meine Schulter zeichnete. Ich nickte: „Klar bin ich nervös. Immerhin hängt davon meine Zukunft ab. Wenn ich mit dem Studium daneben liege, fange ich wieder bei null an." „Das denke ich nicht.", erwiderte er gedankenverloren, „Bei null wärst du, wenn du nichts wüsstest. Nicht was du willst, aber auch nicht, was du nicht willst. Und wenn das Studium nicht passt, dann weißt du wenigstens, was du nicht willst."
„So habe ich das noch nie betrachtet.", gab ich zu und sah die ganze Sache mit einem Mal doch viel entspannter.
Und es gab noch etwas positives: „Die meisten Leute, die ich bis jetzt kennengelernt habe, waren mir auch echt sympathisch. Ich denke, ich werde viel Spaß haben." „Das ist gut.", brummte Luca zustimmend, doch sein Blick wirkte nicht völlig damit im Einklang.
Ich wollte das Thema wechseln, also drehte ich mich so, dass ich ihm direkt in seine wunderschönen Augen sehen konnte. „Wann machen wir eigentlich mit unserem Italienisch-Unterricht weiter?", fragte ich unschuldig und erwischte ihn damit völlig unvorbereitet. Er sah mich verblüfft an und hielt in seinen Streicheleinheiten inne.
„Was möchtest du wissen, gioia mia?", fragte er mich schließlich. Ich überlegte eine Weile, bevor ich mich entschied: „Was sage ich, wenn ich dich als Kuschelbär bezeichnen möchte?" Ich musste über seine Reaktion lachen. Er zog seine Augenbrauen zusammen und schnaubte. Widerwillig antwortete er: „Coccolone."
Wie ich es liebte, wenn er Italienisch sprach. „Coccolone?", wiederholte ich und Luca nickte bestätigend. Ich schmiegte mich an seinen Körper, legte mein Kinn auf seinem Brustkorb ab und sah zu ihm auf. „Mein coccolone.", hauchte ich.
„Dolce cuoricino amato.", flüsterte er mit kratziger Stimme. In meiner Brust klopfte mein Herz so schnell und so laut, dass es den ganzen Raum mit seinem Klang erfüllte.
Ganz langsam strich Luca mit seinen Fingern über meine Haut, ließ seine Hand wandern, von meiner Schulter bis zu meiner Wange. Dann hob er meinen Kopf ein wenig an, er selbst senkte den Kopf zu mir herab.
Wie sehr mich dieser Moment kurz vor einem Kuss von innen strahlen ließ. Mein ganzer Körper kribbelte. Ich stand absolut unter Strom. Lucas Blick auf mir war weich und warm, erfüllte mich von innen heraus mit purer Glückseligkeit. Die Sehnsucht nach seinen Lippen packte mich. Ließ meinen Atem schnell und flach werden. Ich spürte Lucas warmen Atem auf meinen Lippen.
Und dann legte er seine Lippen sanft auf meine. Für einen Moment verharrten wir so, dann begann er zärtlich meine Lippen mit seinen zu liebkosen. Ich erwiderte den Kuss.
Es war wie ein Tanz. Wir bewegten uns miteinander, in völligem Einklang. Unsere Bewegungen ergänzten sich perfekt.
Luca stupste mit seiner Zunge sanft gegen meine Unterlippe. Seufzend öffnete ich meine Lippen ein wenig. Luca vertiefte den Kuss, ließ sanft seine Zunge in meinen Mund gleiten. Vorsichtig tasteten wir uns heran, doch das hielt nicht lange an. Der Kuss entwickelte sich schnell, wurde heißer.
Ich schob meine Hand in seine Haare und krallte mich darin fest. Luca brummte, umschlang mich mit seinem Arm und zog mich noch näher zu sich.
Schließlich lösten wir uns voneinander. Zitternd stieß ich einen lang gezogenen Atemzug aus und öffnete langsam meine Augen wieder. Luca sah mich mit glühendem Blick an. Ich brauchte eine Weile, bis mein Atem sich wieder beruhigte. Mein Herz schlug noch immer Purzelbäume.
„Wir sollten schlafen.", hauchte Luca und ich schnurrte zustimmend. Wir rutschten uns im Bett zurecht, dann nahm er mich in den Arm und ich kuschelte mich an seine Schulter.
Luca vergrub sein Gesicht in meinen Haaren und atmete tief ein. „Ich genieße deine Nähe so unglaublich.", sagte er sanft, „Warum kann ich nicht einfach in deiner Nähe wohnen?" „Weil es nie einfach ist, tesoro.", seufzte ich, während ich die Haut zwischen seinem leicht nach oben gerutschten Shirt und seinen Boxershorts streichelte. Auch Luca seufzte tief.
„Denk jetzt nicht weiter darüber nach.", meinte ich und kuschelte mich noch näher an ihn, „Du musst dich aufs Fahren konzentrieren. Versuch zu schlafen. Gute Nacht, coccolone." Ich spürte Lucas Nicken und hörte seine Antwort: „Du hast recht, anima mia. Schlaf gut, gioia mia."
Vor dem dritten Freien Training gingen Luca und ich noch eine Weile spazieren. Wir waren heute Morgen beide sehr früh aufgewacht und hatten nach dem Frühstück noch ziemlich viel Zeit gehabt.
Wir blieben in der unmittelbaren Umgebung der Strecke, hatten nicht mal das Gelände verlassen. Trotzdem war es überraschend ruhig. Hinter den Naturtribünen sah es kaum noch aus wie das Gelände einer Rennstrecke. Die Sonne brannte schon wieder vom Himmel.
Unvermittelt fragte mich Luca: „Was hältst du davon, wenn wir heute Abend essen gehen? Ich kenne da eine ganz schicke Tapas-Bar gar nicht weit weg." „Gern.", antwortete ich. Während wir so weiter schlenderten, griff Luca zaghaft nach meiner Hand. Ich ließ es einfach zu und wagte nur ganz langsam, meine Finger zwischen seine rutschen zu lassen. Doch er zog sich nicht zurück. Er fasst sogar noch etwas fester zu und zauberte mir so ein glückliches Lächeln aufs Gesicht.
Nach einer Weile kehrten wir ins Fahrerlager zurück. So langsam füllten sich die Tribünen und bald würde das Training der Moto3 beginnen. Nach einem kurzen Stopp in Lucas Motorhome begaben wir uns auf direktem Weg in die Box. Seit meinem letzten Besuch war das Team mir gegenüber wenigstens nicht mehr offen feindselig. Ich wurde größtenteils einfach ignoriert und damit konnte ich gut umgehen.
Das Training verlief mehr als gut für Fabio. Er war der Schnellste. Luca und ich hatten uns seine Runden an der Boxenmauer angesehen. Ich blieb dort auf einem der Stühle sitzen, während Luca sich zur Vorbereitung seines Turns in seine Box zurückzog.
Nach einer kurzen Pause fuhren die MotoGP-Piloten auf die Strecke. Während ich so das Treiben in der Boxengasse beobachtete, fühlte ich mich so langsam echt zuhause. Das geschäftige Gewimmel war mir inzwischen nur allzu bekannt.
Plötzlich stieß mir jemand seinen Ellenbogen in die Rippen. „Hey, da bist du ja!", rief Fabio ein bisschen zu dicht an meinem Ohr. Ich zuckte erschrocken zusammen.
„Hey, Fabio.", ich stieß erleichtert die Luft aus. Fabio setzte sich auf den Stuhl neben meinem und drehte uns mit einem geschickten Schwung um, sodass wir die Bildschirme sehen konnten. Dort aktualisierten sich die Zeitenlisten mit jeder neuen Runde.
Unvermittelt fragte Fabio: „Wie läuft's bei euch beiden?" „Gut, sogar sehr gut.", lächelte ich, „Es ist zwar nicht ganz einfach, wenn wir uns nur alle paar Wochen mal sehen, aber dafür freue ich mich umso mehr, wenn ich dann wieder bei ihm sein kann." „Ich wusste doch, dass ihr zusammengehört.", zuckte Fabio grinsend mit den Schultern.
„Ja ja, der große Fabio hat es schon immer gewusst.", winkte ich schmunzelnd ab. Ich konnte ihm ja nicht mal böse sein. Ohne ihn wäre es vielleicht nie zu dem Kuss mit Luca gekommen. Und ohne diesen Kuss hätten Luca und ich nie miteinander gesprochen und wären niemals zusammengekommen. Tja, so wie es aussah, hatte Fabio wohl den Kuppler gespielt. Irgendwie war ich ihm jetzt dankbar.
„Und Fabio,", wechselte ich das Thema, „was gibt es neues bei dir?" Fabio wurde plötzlich ganz rot und senkte den Blick auf seine Schuhe. „Weißt du... es ist... also... ähm...", stotterte Fabio und schob sich verlegen die Hand in den Nacken. Ich lachte und meinte amüsiert: „Was ist denn los, Fabio? Du bist ja richtig sprachlos!" Wenn das möglich war, wurde Fabio sogar noch röter.
„Ja, also...", begann er von vorn, „Ich habe jemanden kennengelernt." „Oh wie schön! Erzähl mir mehr!", begeistert ergriff ich seine Hände. Dabei fiel mein Blick auf den Endstand des Freien Trainings. Vale hatte den 9. Platz rausgefahren. Gerade in diesem Moment fuhr die Moto2 auf die Strecke. „Okay, okay.", er löste seine Hände aus meinem Klammergriff und fuhr sich durch die Haare.
Dann begann er zu erzählen: „Also, ihr Name ist Aurelie. Sie ist die Tochter eines Freundes meiner Mutter. Ich habe sie letzte Woche bei einem Grillfest ihrer Familie kennengelernt. Sie ist unglaublich hübsch und so lieb. Ich finde sie einfach unglaublich toll." „Und? Hast du schon mit ihr gesprochen?", hakte ich nach. Resigniert schüttelte er den Kopf: „Ja, nein. Also ich habe mit ihr... nur ein paar Wort gewechselt. Ich war irgendwie total eingeschüchtert."
Ich seufzte: „Och Fabio. Hast du wenigstens ihre Nummer?" Fabio ließ den Kopf hängen und schlug die Hände vors Gesicht. „Du hast nicht ernsthaft denselben Fehler gemacht wie ich?!?", geschockt riss ich die Augen auf.
„Doch...", jammerte er. „Oh nein, Fabio.", ich nahm ihn tröstend in den Arm. Er kuschelte sich an mich und schniefte. Ich streichelte ihm eine Weile den Rücken. „Kannst du nicht vielleicht deine Mutter fragen?", schlug ich vor, doch Fabio meinte weinerlich: „Das kann ich doch nicht machen! Meine Mutter wäre ganz sicher nicht begeistert."
In diesem Moment tauchte Luca hinter ihm auf. Er tippte Fabio auf die Schulter und scherzte: „Hey, kuschelst du mit meiner Freundin?" Fabio zuckte erschrocken zurück und wischte sich mit einer Hand übers Gesicht.
„Nein, nein.", er gestikulierte erklärend, „Wir haben nur gerade über ein Mädchen gesprochen, das ich letztens kennengelernt habe. Aber... ich habe vergessen, sie nach ihrer Nummer zu fragen." „Oh, Fabio, nein! Das ist ein ganz blöder Fehler, das weißt du doch!", Luca legte seinen Arm um mich und warf mir einen vielsagenden Blick zu.
„Das weiß ich selbst!", blaffte Fabio, doch gleich danach schlich sich der traurige Ausdruck zurück auf sein Gesicht. Ich nahm eine seiner Hände in meine und sagte: „Ist schon okay, Fabio. Du wirst sie bestimmt bald wiedersehen. Immerhin kennt sie deine Mutter. Und sie lebt doch bestimmt in der Nähe, oder nicht?" „Leider nein.", seufzte er, „Sie lebt bei ihrer Mutter in Portugal." „Oh.", entwischte es mir verblüfft. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Unerwartet stand Fabio auf und rieb sich über den Nacken. „Ja, aber ist auch egal. Ich... muss dann jetzt auch los, mich aufs Qualifying vorbereiten." Dann ließ er uns allein.
„Oh man, der war ja richtig neben der Spur.", stellte Luca mit einem undefinierbaren Blick hinter Fabio her fest. Ich tippte ihm auf die Nase und sagte: „Aber du weißt doch selbst, dass so eine vergessene Telefonnummer einen echt verrückt machen kann."
„Ja.", lächelte er mich an, „Das weiß ich sehr genau."
Die Qualifyings hatte ich mir auf einer der Naturtribünen angesehen. Da konnte ich ganz nebenbei auch die Sonne genießen. Die Startplätze für morgen standen inzwischen fest. Fabio startete von der 8. Position, Vale war Sechster und Luca fuhr vom 27. Platz los.
Jetzt war ich auf dem Weg zurück zu Lucas Motorhome. Ich wollte ihm nach seinem Turn erst noch ein wenig Zeit lassen, damit er sich mit seinem Team besprechen konnte. Deshalb schlenderte ich völlig entspannt die Wege entlang und brauchte so fast eine dreiviertel Stunde bis ins Fahrerlager.
Luca ließ mich rein und nahm mich in den Arm. Dann küsste er mich zur Begrüßung. Weich strichen seine Lippen über meine. Es blieb bei dieser federleichten Berührung, doch wir lösten uns trotzdem nur langsam wieder voneinander.
Meine Hände rutschten langsam von seinen Schultern und blieben auf seiner Brust liegen. Ich konnte spüren, wie sie sich mit jedem seiner Atemzüge hob und senkte. Warm umfingen seine Finger meine Hüfte, während er mir tief in die Augen sah. „Ich sollte mich umziehen gehen.", hauchte ich und trat einen Schritt zurück.
Luca ließ mit einem schweren Seufzer die Arme sinken und rieb sich mit einer Hand den Nacken. Nickend sagte er: „Ja, du hast recht. Ich werde mir auch noch eben was anderes anziehen."
Lächelnd wühlte ich ein schlichtes, figurbetontes weißes Kleid mit locker fallendem Rock aus meiner Tasche. Es hatte einen tiefen Rückenausschnitt und endete etwa eine handbreit über meinem Knie. Dazu suchte ich die weißen Pumps mit Keilabsatz, die ich schon seit einer ganzen Weile zu jedem Rennen in meiner Tasche herumschleppte. Sie hatten ein schmales Riemchen am Knöchel und der Absatz war mit Blumen verziert. Durch den Keilabsatz waren sie relativ bequem, obwohl sie ganz sicher um die zehn Zentimeter hoch waren.
Mit meinen Klamotten bepackt verzog ich mich ins Bad und überließ Luca sein Schlafzimmer. Nachdem ich mir das Kleid und die Schuhe angezogen hatte, widmete ich mich meinen Haaren. Ich ließ sie offen über meine Schulter fallen. Das wirkte zu dem Kleid einfach am besten. Anschließend schminkte ich noch dezent meine Augen und legte ein klein wenig Parfüm auf.
Als ich das Badezimmer verließ, stand Luca schon im Flur und rückte gerade sein Hemd zurecht. Es war hellblau und passte exakt zu der Farbe seiner Augen. Dazu trug er eine dunkle Jeans und seine weißen Nikes. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich die Schuhe sah.
In diesem Moment sah er auf und entdeckte mich. „Wow.", stieß er hervor, „Du siehst unglaublich gut aus." „Danke.", ich senkte verlegen den Blick, „Du siehst aber auch nicht so schlecht aus."
Luca schnaubte leise und sein Gesicht nahm die Farbe einer reifen Tomate an. Mit einer Hand strich er sich durch die Haare, sodass sie in alle Richtungen abstanden. Er räusperte sich und meinte dann: „Wollen wir dann losfahren?" „Ja, gern.", antwortete ich mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen. „Na dann ...", er griff nach meiner Hand und führte mich aus dem Motorhome.
Wir hatten das Auto schließlich doch stehen lassen und uns für ein Taxi entschieden. Die Bar war sehr einladend. Der Eingang wirkte recht klein und befand sich in einem Altbau direkt unter einem Balkon mit Eisengeländer.
Von drinnen aber war die Bar geräumig und gemütlich eingerichtet. Wir wurden sofort freundlich in Empfang genommen und an einen Zweiertisch im hinteren Teil des Raumes gebracht. Der Kellner reichte uns die Speisekarten und ließ uns allein, damit wir uns etwas aussuchen konnten.
Die Karte war auf Spanisch. Ich konnte nur raten, was dort stand. „Wie wäre es, wenn wir einfach die ganze Tapas-Karte nehmen und uns alles teilen?", schlug Luca kurz darauf vor. Ich nickte zustimmend: „Ja, das klingt gut." „Und dazu...", Luca überflog die Weinkarte, „... einen Monte Ducay Gran Reserva Pergamino?" „Ich habe echt keine Ahnung von Wein.", ich zuckte entschuldigend mit den Schultern.
Luca schmunzelte und erklärte: „Das ist ein Rotwein hier aus der Region. Den kenne ich auch nur, weil Vale und ich den letztes Jahr schon hatten." „Dann sollten wir den wohl nehmen.", meinte ich und legte die Karte beiseite.
Kurz darauf kam auch schon der Kellner zurück. Luca übernahm das Bestellen, während ich mich ein wenig umsah. Außer unserem war auch der Großteil der anderen Tische besetzt. Trotzdem herrschte eine angenehme Lautstärke und die Tische hatte genügend Abstand zueinander. Mehrere schick gekleidete Kellner flitzten dazwischen hin und her.
Über den Tisch hinweg griff Luca nach meiner Hand. Ich lächelte ihn verträumt an, als er seine Finger mit meinen verschränkte. Wir sahen beide kaum auf, als der Kellner uns den Wein brachte. Er schenkte zwei Gläser ein und ließ die restliche Flasche bei uns auf dem Tisch stehen.
Wir stießen an und tranken den ersten Schluck des wirklich köstlichen Weins. „Der ist wirklich gut.", meinte ich und trank gleich noch einen weiteren Schluck. Luca schmunzelte nur und wechselte das Thema: „Was hast du nächste Woche so vor?"
„Na ja, am Montag ist noch Feiertag.", erzählte ich, „Das heißt, da habe ich noch frei. Und am Dienstag sind dann die ersten Vorlesungen."
„Was ist das für ein Feiertag?", hakte Luca nach. Ich stockte. Ganz kurz hatte ich vergessen, dass Luca nicht aus Deutschland war und so unsere Nationalfeiertage auch nicht unbedingt wissen musste.
„Am 3. Oktober ist der Tag der Deutschen Einheit.", erklärte ich, doch sein verständnisloser Blick verriet seine Ahnungslosigkeit. Also gab ich Luca einen Crashkurs in deutscher Geschichte, auch wenn ich irgendwie das Gefühl hatte, dass ihn nicht mal die Hälfte davon wirklich interessierte. Na ja immerhin hatte er es jetzt mal gehört.
„Also hast du am Montag frei?", das war sein Fazit nach meinem ganzen Vortrag. Lachend schüttelte ich den Kopf und seufzte schließlich: „Ja, ich habe am Montag noch frei." „Tut mir leid, ich bin kein großer Geschichtsfreak.", er zuckte entschuldigend mit den Schultern, „Aber, worauf ich eigentlich hinauswollte, wenn du da noch frei hast, willst du dann noch hierbleiben? Vale, die Jungs aus der Academy und ich wollen am Sonntag nach den Rennen nach Barcelona fahren und noch einen Tag am Strand verbringen." „Das klingt gar nicht schlecht.", stimmte ich zu.
Dann tauchten auch schon drei Kellner bei uns am Tisch auf, allesamt voll beladen mit unserem Essen. Als sie alles abgestellt hatten, war kaum noch genug Platz zum Essen auf unserem Tisch.
„Haben wir uns das gut überlegt?", fragte ich, während ich mit großen Augen die diversen Teller betrachtete. Ich hatte keine Ahnung, was das alles war. Da war von Kartoffeln und Schinken bis hin zu Pilzen und Tintenfisch alles dabei. Luca zögerte keinen Moment länger, sondern zog den ersten Teller zu sich. Zu mir sagte er: „Such dir was aus. Wir essen einfach so viel, wie wir schaffen."
Überraschenderweise leerten sich die Teller recht schnell. Die Tapas schmeckten wirklich gut und da Luca die Hälfte davon aß, wirkten die Portionen gar nicht mehr so bedrohlich.
Am Ende waren nicht nur sämtliche Teller leer, sondern auch die Weinflasche. „Möchtest du noch etwas?", fragte Luca. Ich schüttelte den Kopf. Als er den Kellner um die Rechnung bat, fischte ich schon mein Portemonnaie aus meiner Handtasche. Doch Luca schob es wortlos aber bestimmt wieder zurück. „Ich zahle.", seine Tonlage ließ keinen Widerspruch zu.
Draußen war es inzwischen dunkel. Vor der Bar beleuchteten einige Straßenlaternen in ziemlich großen Abständen schwach die Straße. Luca bot mir seinen Arm an und ich hakte mich bereitwillig unter. Wir mussten ein paar Meter laufen, um zu dem bestellten Taxi zu kommen.
Nun, Luca war nicht nur Leistungssportler, sondern hatte außerdem morgen sein Rennen. Mit anderen Worten, die leere Weinflasche hatte zu großen Teilen ich verursacht. Das bekam ich jetzt deutlich zu spüren. Irgendwie schwankte ich auf meinen Schuhen mehr, als es zu Beginn des Abends der Fall gewesen war.
So kam es auch, dass ein nicht vorhandenes Hindernis auf der Straße mich zum Stolpern brachte.
Luca reagierte und fing mich auf, bevor ich Bekanntschaft mit dem Asphalt machen konnte. Für einen unendlich langen Moment hielt er mich fest an sich gedrückt und scannte mich mit seinen Augen ab. „Alles okay?", brachte er mit rauer Stimme hervor. Ich nickte nur und er lockerte seinen Griff wieder.
Beim Taxi angekommen öffnete er mir die Tür und ließ mich einsteigen. Dem Fahrer sagte er kurz und knapp, wo wir hin wollten, und setzte sich dann zu mir.
„Deine Schuhe sind echt nicht deine Freunde, oder?", meinte er völlig unvermittelt. Einen Moment lang machte er mich damit stutzig, doch dann wurde mir klar, dass er auf unsere erste Begegnung am Sachsenring und mein dortiges Schuh-Dilemma anspielte.
„Nun ja,", begann ich, „ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob sie mich böswillig verletzen wollen, oder sich einfach nicht mit Alkohol vertragen." „Und die Schuhe vom Sachsenring gehören zu welcher Gruppe?", fragte er mit einem verschmitzten Grinsen nach. Das war leicht zu beantworten: „Die sind ganz bösartig!"
„Warum ziehst du sie dann an?", das war das pure Unverständnis auf seinem Gesicht. „Weil sie schön sind.", erwiderte ich ernst, „Außerdem muss ich die ab und zu mal in die Schranken weisen." „Ich verstehe.", zwinkerte er mir jetzt zu, doch ich bezweifelte stark, dass er es wirklich verstand. Es war ja auch ziemlich bekloppt.
Die Fahrt war schneller wieder vorbei, als wir mit unserem Philosophieren über Schuhe fertig waren. Ich bekam gar nicht mit, wie Luca den Fahrer bezahlte, doch als ich ihm das Geld geben wollte, winkte er ab.
Ganz der Gentleman half Luca mir aus dem Auto und führte mich mit einem Arm um meinen Schultern bis ins Fahrerlager. Das Fahrerlager selbst war recht leer, doch in den verschiedenen Hospitalities brannte noch Licht und in einigen lief auch Musik. Auf dem Weg zu Lucas Motorhome kamen wir an einigen vorbei.
Plötzlich schnappte sich Luca meine Hand, koordinierte geschickt eine Drehung und zog mich wieder zu sich heran. Doch jetzt stand ich ihm in Tanzhaltung gegenüber. Ich war keine besonders gute Tänzerin, konnte mich maximal auf die Führkünste meines Partners verlassen.
Aber noch bevor ich ihn warnen konnte, begann Luca einen simplen Discofox, wenn auch in ordentlichem Tempo. Seine Hand auf meinem Rücken zeige mir ganz leicht und ohne viel Druck die richtige Richtung, sodass ich ihr nur noch folgen musste. Meine Füße machten von ganz allein die richtigen Schritte.
Nach einer Weile lenkte er mich in einige einfache Drehungen, deren Schwierigkeitsgrad er nach und nach steigerte. Irgendwann holte er mich nach jeder Drehung ein wenig enger an seinen Körper zurück, bis kein Blatt Papier mehr zwischen uns gepasst hätte.
Sein Oberschenkel glitt bei jedem Schritt ganz leicht zwischen meine und streifte die Haut unter dem Stoff. Bei jedem Atemzug berührte ich seinen Brustkorb. Bald lag auch seine Hand nicht mehr zwischen meinen Schulterblättern, sondern war gefährlich weit nach unten gerutscht.
„Wir sollten zum Truck zurück.", flüsterte er mir rau ins Ohr. Schon im nächsten Moment ließ er mich los und trat einen Schritt zurück. In der ersten Sekunde brachte mich das ein wenig aus dem Gleichgewicht, doch dann konnte ich ihm schnell zu seinem Motorhome folgen.
Luca ließ sich quälend viel Zeit beim Öffnen der Tür. Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen. Okay, vielleicht taten mir auch einfach langsam die Füße weh. Das erste, was ich tat, als wir im Motorhome waren, war das Ausziehen meiner Schuhe.
Schließlich zog Luca mich hinter sich her in die Küche. Aus dem Kühlschrank holte er eine Flasche Wasser und reichte sie mir. Es war die wortlose Aufforderung zu trinken. Ich widersprach nicht, denn ich wusste, dass er recht hatte.
Also setzte ich die Flasche an und ließ die kühle Flüssigkeit meinen Rachen hinab laufen. Ich war wohl etwas gierig, denn ein paar Tropfen schafften es, meinen Mund zu verlassen. Ganz langsam spürte ich sie auf meiner Haut, wie sie kalt meinen Hals herunter rannen und schließlich auf den Stoff meines Kleides trafen.
Luca nahm mir die Flasche recht schnell wieder ab, stellte sie unverschlossen außerhalb unserer Reichweite ab. Dann zog er mich plötzlich wieder ganz nah zu sich und presste stürmisch seine Lippen auf meine.
Ich erwiderte den intensiven Druck. Ganz von allein vergruben meine Finger sich tief in seinen Haaren. Ich spürte seinen festen Griff um meine Hüften, spürte die Wärme seiner Hände.
Die Hitze seines Körpers strahlte auf mich aus, als er mich noch näher zu sich zog. Ich musste nach Luft schnappen, als er seine Lippen der Spur der Wassertropfen folgen ließ. Automatisch neigte sich mein Kopf zur Seite und bot ihm so mehr Platz. Eine Gänsehaut bildete sich unter seiner Berührung und breitete sich auf meinem ganzen Körper aus.
Mein Herz schlug schnell und laut. Unser Atem vermischte sich, kurz bevor unsere Lippen erneut aufeinandertrafen.
Ohne Vorwarnung hob Luca mich plötzlich hoch und setzte mich auf dem Küchentisch wieder ab. Jetzt war ich diejenige, die ihn um ein paar Zentimeter überragte. Allerdings nicht viel, denn mit seinen 1,84 m war er mehr als 20 Zentimeter größer als ich.
Geschickt rutschte er zwischen meine Beine und setzte unseren Kuss fort. Mein Kleid rutschte bis zur Mitte meiner Oberschenkel nach oben.
Ich seufzte in den Kuss. Luca ergriff die Chance und tastete sich behutsam mit seiner Zunge vor. Als sie auf meine traf, explodierte ein Feuerwerk in meiner Brust. Es war wie ein unglaublich schwerer Druck, der in diesem Moment einfach von mir gesprengt wurde. Ich fühlte mich plötzlich so frei und leicht.
Dieses Gefühl verflog sofort, als sich die Tür zu Baldas Seite schwungvoll öffnete und dabei laut scheppernd gegen die Wand stieß. Erschrocken fuhren wir auseinander.
„Oh Sch...", stammelte Balda, „Ich wusste nicht, dass ihr schon wieder da seid." Damit trat er den Rückzug an und zog die Tür hinter sich wieder zu.
Doch die Stimmung von eben war jetzt zerstört. Luca trat einen Schritt zurück. Ich rutschte langsam wieder vom Küchentisch und hörte mich im nächsten Moment auch schon sagen: „Lass uns ins Bett gehen. Es war ein wirklich schöner Abend, tesoro." „Ja, fand ich auch.", Lucas Stimme hörte sich an, wie mit dem Reibeisen bearbeitet.
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Italian Dream
FanfictionFür sie ändert sich an einem Wochenende das ganze Leben. Für ihn auch, nur weiß sie das nicht und wird es so schnell auch nicht erfahren. Oder doch? Luca Marini ist ein junger, ambitionierter Motorradrennfahrer, gerade frisch in die Weltmeisterschaf...