Nach einer ausgiebigen Dusche gesellten Luca und ich uns wieder zu Valentino ins Wohnzimmer. Ich fühlte mich angenehm ausgepowert. Als wir auf die Couch krabbelten und uns aneinander kuschelten, bedachte Vale uns mit einem vielsagenden Grinsen.
„Habt ihr da oben randaliert?", fragte er schmunzelnd. Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Zum Glück sah Vale zu Luca... dessen Gesicht ungefähr die Farbe einer Tomate angenommen hatte.
Vales Blick wechselte von amüsiert über Verständnis hin zu einem dreckigen Grinsen und schelmischen Glitzern in den Augen. „Alles klar.", grinste er, „Ich frage nicht weiter, was ihr gemacht habt. Ich kann's mir denken." Luca brummelte in seinen nicht vorhandenen Bart: „Dann sei jetzt auch still." Vale lachte laut auf: „Ach, eigentlich wollte ich dir noch gratulieren, Bruderherz."
„Bruderherz?", ich verstand die Welt nicht mehr. „Ähm ja...", Vale sah mich ein wenig verständnislos an. Luca erklärte: „Ciccina, Valentino ist mein Halbbruder. Wir haben dieselbe Mutter." „Oh...", entwich es mir tonlos.
Jetzt ergab alles einen Sinn. Daher hatten die beiden also ihre Ähnlichkeit und jetzt wo ich so darüber nachdachte, auch diese ähnlichen Augen. Jetzt verstand ich auch, wieso Lucas Team so viel mit Vale zu tun hatte. Wie hatte ich das übersehen können?
„Wusstest du das nicht?", Vale schien richtig geschockt zu sein. Ein wenig verlegen schüttelte ich den Kopf. Spätestens jetzt hatten meine Wangen die gleiche Farbe wie Lucas noch vor einer Minute. Die plötzliche Stille wurde mir unangenehm. Unbehaglich rutschte ich auf der Couch hin und her und vermied den direkten Blick zu einem der Jungs.
Luca fing sich dann doch wieder und versuchte, das Thema zu wechseln: „Jetzt weißt du es ja. Wollen wir einen Film schauen?" „Ja gern.", mir fiel ein Stein vom Herzen. „Macht ihr mal.", winkte Vale ab und stand auf, „Ich muss noch mal ins Büro. Wir sehen uns heute Abend. Ich bringe Pizza mit." „Klingt gut. Bis später dann.", murmelte Luca, während er den DVD-Player startklar machte. „Bis dann.", winkte ich ihm noch hinterher.
Nach dem Film, dessen Titel ich sofort wieder vergessen hatte, lagen wir immer noch halb übereinander auf dem Sofa rum und zappten durch die Fernsehprogramme. Schlussendlich blieben wir bei der italienischen Version von Spongebob Schwammkopf hängen.
Von der Couch runter bewegten wir uns nicht wieder. Stefania legte sich auch einfach dazu, als sie von dem Treffen mit ihren Freundinnen zurückkam. „Das ist so ein richtiger fauler Sonntag heute.", meinte sie und schnappte sich ihr Buch.
„Was liest du denn?", fragte ich sie interessiert, da auch ich meine Zeit neben der Strecke am liebsten mit Büchern verbrachte. Stefania sah auf und drehte mir den Buchrücken zu. „Stolz und Vorurteil.", strahlte sie, „Das ist mein Lieblingsbuch. Ich habe es bestimmt schon 10 Mal gelesen." „Wirklich? Meins auch! Nur die italienische Version kenne ich leider nicht.", ich war begeistert von ihrem Geschmack. „Du kannst es dir gern mal ausleihen, wenn Luca dir Italienisch beigebracht hat.", scherzte sie.
Vale brachte am Abend tatsächlich noch Pizza vorbei, doch er verzog sich dann schnell wieder. Er hatte sich in den letzten Tagen ein wenig zu viel Zeit genommen und musste jetzt viel Büroarbeit nachholen.
Dafür genossen Luca, seine Mutter und ich einen entspannten Abend auf der Couch. Vale hatte auch Cecilia und Cesare wieder zu uns gebracht. Also gingen wir mit den beiden noch eine Runde Gassi, bevor wir schließlich ins Bett gingen.
„Was hältst du von einer Wiederholung von heute Vormittag?", fragte Luca in die Dunkelheit. Ich konnte seine Fingerspitzen auf dem schmalen Streifen nackter Haut zwischen meinem Schlafshirt und meinen Shorts spüren. Sein warmer Atem streifte meinen Hals und jagte kleine Schauer meinen Rücken hinunter. Es fehlten nur Millimeter, dann würden seine Lippen meine Haut berühren. Die feinen Härchen in meinem Nacken stellten sich auf. „Warum nicht.", flüsterte ich fast tonlos und verwickelte Luca in einen fordernden Kuss, der keinen Widerspruch zuließ.
Am Montag fuhren wir zu zweit nach Rimini und verbrachten den ganzen Tag damit, sämtliche Geschäfte leer zu kaufen. Das war natürlich übertrieben. Trotzdem blieb Luca geduldig an meiner Seite, während ich das erste Mal seit Ewigkeiten wieder ausgiebig shoppte.
Tatsächlich fanden wir sogar etwas für Luca. Ein schmales, geflochtenes Lederarmband fiel mir sofort ins Auge. Ich machte ihn nicht darauf aufmerksam, sondern kaufte es heimlich, um es ihm später als neuen Glücksbringer zu schenken.
Bevor wir uns am späten Nachmittag auf den Rückweg machten, hielten wir noch mal am Strand an. Das Wetter war zwar noch ganz schön, aber wirklich warm war es doch nicht. Nur knapp 15 Grad.
Trotzdem zogen wir unsere Schuhe aus und krempelten die Hosenbeine hoch, um noch ein wenig am Strand spazieren zu gehen. Der Sand war kühl unter meinen Füßen, aber doch noch angenehm. Ich vergrub meine Zehen tief im weichen Sand, während ich auf Luca wartete.
Als er fertig war, reichte er mir seine Hand. Ich nahm sie und verschränkte unsere Finger miteinander. Sie passten perfekt ineinander. Hand in Hand schlenderten wir hinunter zum Meer. Das Wasser war kalt, als es meine Knöchel umspülte. Und doch genoss ich das seichte Meerwasser.
Wir blieben stehen und sahen auf das Meer hinaus. Luca legte seinen Arm um mich und zog mich dicht an sich. So blieben wir eine ganze Weile, ließen uns den Wind um die Nase wehen und die Wellen unsere Füße unterspülen. „Ich habe das Meer schon immer geliebt.", seufzte ich verträumt und bewegte meine Zehen. Luca wandte seinen Blick zu mir und fragte nach: „Du hast es etwas weiter zum Meer, oder?" „Ein paar Stunden Fahrt waren es schon immer.", erwiderte ich, „Und selbst wenn ich näher dran leben würde, wäre es in Deutschland den Großteil des Jahres zu kalt am Wasser." „Da habe ich es hier ein bisschen besser.", schmunzelte er.
„Pass bloß auf, sonst wirst du mich gar nicht mehr los.", entgegnete ich neckend. Luca sagte nichts mehr darauf. Er zog einfach nur seinen Arm noch ein wenig fester um mich und sah mit einem Seufzer zurück aufs Meer.
Ein paar Minuten blieben wir noch, aber dann kehrten wir zum Auto zurück. Es wurde langsam dunkel und ich war vom langen Shoppingtag müde. Schon auf der Rückfahrt schlief ich auf dem Beifahrersitz ein.
Stefania war noch wach, als wir wieder zurück waren. So mussten wir dieses Mal zum Glück nicht im Dunklen durch das Haus wandeln, um in sein Zimmer zu kommen. Als ich dort meine Einkäufe in meinen Koffer einsortierte, fiel mir auch das Lederarmband wieder in die Hände.
„Ach Mist.", schimpfte ich. Das hatte ich Luca eigentlich noch am Strand schenken wollen. „Ist alles in Ordnung?", Luca tauchte hinter mir auf. Spontan entschied ich mich dazu, es ihm jetzt in die Hand zu drücken.
Ich stand vom Boden auf und streckte ihm meine Hand hin. „Das wollte ich dir eigentlich schon vorhin am Strand geben.", erklärte ich, „Aber ich hatte es im Auto vergessen." Luca nahm mir das Armband aus der Hand und besah es sich ganz genau. Es dauerte wahrscheinlich nur ein paar Sekunden, doch fühlte sich an wie Stunden. Ich wurde ein wenig ungeduldig.
Aber Luca schien einfach sprachlos zu sein. Er hob fragend den Blick und sah mich an. „Na ja, dein Glücksbringer ist doch kaputt gegangen und da dachte ich..." Luca brachte mich schnell zum Schweigen, indem er mich zu sich heranzog und mich stürmisch küsste.
Nach einem entspannten Tag, den ich zum größten Teil mit Lucas Freunden Matteo, Ricci, Paolo und Marco verbracht hatte, da Luca auf der Ranch trainiert hatte, entschieden wir uns für einen Kinobesuch. Ich war froh, dass die vier mich so gut aufgenommen hatten. So wurde mir auch dann nicht langweilig, wenn Luca mit der Academy trainierte. Cesare und Cecilia freuten sich auch immer, wenn ich mit ihnen spielte oder kuschelte.
Jetzt waren wir aber mit Luca auf dem Weg ins Kino. Die Jungs hatten sich einen Film ausgesucht. Ich ließ mich einfach überraschen. An der Kasse zahlte Luca unsere Tickets und bestellte gleich noch eine Maxi-Tüte Popcorn und einen Liter Cola. „Manchmal darf ich mir auch was gönnen.", zwinkerte er mir zu.
Eigentlich hätte ich vorher wissen müssen, dass meine einzige Beschäftigung aus Popcorn essen bestehen würde. Vom Film verstand ich kein Wort. Der war nämlich auf Italienisch. Was auch sonst, in Italien. Ganz abgesehen davon, dass es ein Actionfilm war, was überhaupt nicht mein Genre war.
So vertrieb ich mir die Zeit also mit Essen. Wenn ich wieder zurück in Deutschland war, hatte ich bestimmt fünf Kilo zugenommen. Wehmütig seufzte ich und lehnte mich an Luca. Der sah mich für einen Moment an, bevor er sich wieder zur Leinwand wandte. Aber er legte seinen Arm um mich.
Die Zeit war schon wieder zu schnell vergangen. Es kam mir vor wie gestern, dass ich aufgeregt vor seiner Tür stand, weil ich gleich Stefania kennenlernen sollte. Dabei war es jetzt schon wieder weniger als eine Woche, die Luca und ich noch Zeit füreinander hatten. Ich nahm mir vor, so viel seiner Nähe wie möglich zu tanken. Solange ich die Möglichkeit hatte, bei ihm zu sein, musste ich jede Sekunde nutzen. Ich rutschte noch ein wenig mehr zu ihm.
Nach dem Film verabschiedeten sich Paolo, Marco, Mattia und Ricci von uns. Luca und ich fuhren zu zweit nach Hause. „Hat es dir wenigstens ein bisschen gefallen?", fragte Luca nach, „Du warst so ruhig." „Das, was ich mir aus dem Kontext zusammenreimen konnte, war gar nicht so schlecht.", schmunzelte ich, denn mir war klar, dass Luca es einfach verpeilt hatte, dass ich nicht wirklich was von dem Film verstanden hatte.
Ihm schlief das Gesicht ein. „Shit!", rief er dann aus, „Warum hast du nix gesagt? Verdammt, da hätte ich auch selbst dran denken können." Er schlug sich die flache Hand vor die Stirn und schüttelte ärgerlich den Kopf.
„Ist schon okay, wirklich.", winkte ich ab. „Wir müssen wirklich Italienisch lernen.", schnaubte Luca noch, dann ließ er das Thema auf sich beruhen.
Das wollte er dann am nächsten Tag auch gleich umsetzen. Ich gab mir wirklich Mühe, mich auf das zu konzentrieren, was Luca mir beibringen wollte. Doch dass wir beide dazu auf seinem Bett saßen, machte das nicht unbedingt einfacher.
Es war einfach zu verlockend, hin und wieder ein Kissen nach ihm zu werfen. Das machte ich vor allem dann, wenn er sich über meine Aussprache amüsierte. Ich war nun mal Deutsche und das hörte man auch.
„Lach nicht! Sag mir lieber, wie es richtig geht!", jammerte ich und vergrub das Gesicht in einem Kissen, das ich gerade in der Hand hatte. „Okay, okay!", japste Luca, als er sich langsam wieder fing. Also wiederholten wir die Worte noch mal und diesmal lachte er tatsächlich nicht.
„Das war wirklich gut.", meinte er, „Nicht ganz akzentfrei, aber ich hab's verstanden." „Na wenigstens was.", maulte ich und legte meinen Spickzettel beiseite. Luca schien immer noch motiviert zu sein. Er saß mir gegenüber, die Beine verschränkt und die Haare herrlich verwuschelt. Sein T-Shirt hatte er schon länger ausgezogen. Das machte es für mich nicht unbedingt leichter.
Er streckte sich, mein Mund wurde ganz trocken, und fragte mich: „Womit machen wir weiter?" Ich musste mich räuspern, um ihm antworten zu können: „Was heißt: ‚Ich will dich küssen'?"
„Voglio baciarti.", antwortete Luca, ohne zu zögern. „Voglio baciarti.", wiederholte ich und rückte näher zu ihm. Sein Lob bekam ich nur auf halbem Ohr mit, während ich mich langsam über ihn lehnte: „Genau so." „Halt die Klappe.", forderte ich und erstickte seine Widerworte mit einem Kuss.
Luca ließ sich nach hinten umfallen und zog mich mit sich, sodass ich jetzt auf ihm lag. „So können wir gar nicht weiter lernen.", meinte er, als wir uns für einen Moment lösten. „Ich finde, wir haben genug gelernt.", sagte ich, „Jetzt will ich meine Belohnung." Luca lachte: „So ist das also." Dann küsste er mich wieder, doch diesmal ließ er seine Hände unter mein Shirt wandern.
„Wow, ich habe noch nie so gutes Eis gegessen!", ich war völlig überwältigt. Es war schon wieder ein Tag vorbei. Deshalb hatte sich Stefania heute extra Zeit genommen, um mich und Luca zum Eis essen einzuladen.
Sie war der Meinung, dass ich unmöglich Italien wieder verlassen konnte, ohne dieses Eis probiert zu haben. Und sie hatte nicht zu viel versprochen. Etwas so Leckeres hatten meine Geschmacksnerven noch nie kosten dürfen, zumindest wenn es um Eis ging. In den letzten Tagen hatte ich allerdings sowohl die beste Pasta als auch die beste Pizza meines Lebens gegessen. Wie war das mit den fünf Kilo mehr, wenn ich zurückkam? Ich sollte wohl lieber zehn daraus machen.
Von Vale hatten wir in den letzten paar Tagen nicht mehr viel gesehen. Er hatte sich kopfüber in seine Arbeit gestürzt. Nur Luca sah ihn ab und zu, wenn die beiden mit der Academy trainierten.
Doch er hatte es sich nicht nehmen lassen, heute mit uns Eis essen zu gehen. Cesare und Cecilia waren auch dabei. Ganz ruhig lagen die beiden unter dem Tisch und ließen sich gar nicht anmerken, dass sie auch da waren. Ich hatte recht schnell gemerkt, dass Vale eigentlich nur dazu da war, um die beiden zu verwöhnen. Sie waren gut erzogen, aber bei Vale fingen sie dann doch manchmal an nach Leckerlis zu betteln. Luca war da schon deutlich strenger und bei seiner Mutter probierten sie es gar nicht.
Der Tag verging ebenso schnell wie alle vorherigen. Ehe ich mich versah, war schon wieder Freitag. Ricci und Marco hatten Luca und mich zum Feiern eingeladen.
So standen wir jetzt also beide vor dem Spiegel und besserten die letzten Kleinigkeiten aus. Luca zupfte seit geschlagenen zehn Minuten an seinen Haaren herum, dabei fand ich sie am besten, wenn er gar nichts daran machte. Er sollte einfach immer den Frisch-Aufgestanden-Look tragen.
Ich hatte mich in letzter Minute noch mal für ein anderes Oberteil entschieden. Anstelle des schlichten, grauen Tops trug ich jetzt ein dunkelrotes T-Shirt in Wickeloptik und mit Fledermausärmeln. Dazu hatte ich eine schwarze, enge Jeans und passende Sneaker an. Ich wollte ja schließlich tanzen.
Luca sah in seinem schwarzen, eng anliegenden Shirt und der hellen Jeans wirklich heiß aus. Am liebsten würde ich es ihm gleich wieder ausziehen. Doch dafür blieb jetzt keine Zeit mehr. Ricci und Marco warteten schon.
Der Club war zum Glück nicht überfüllt. Auf der Tanzfläche war noch genug Platz, dass man durchaus eine Ecke finden konnte, in der man etwas ungestörter war. Mal sehen, ob ich Luca später zum Tanzen überreden konnte.
Doch fürs Erste holten wir uns etwas zu trinken. Luca blieb bei Alkoholfreiem. Ich wagte mich trotzdem an einen Negroni. Ricci hatte ihn mir als einen echten italienischen Klassiker empfohlen.
Eine ganze Weile gab ich mich damit zufrieden, mit den Jungs gemeinsam an der Bar zu stehen und ihren Scherzen zu lauschen. Ab und zu brachte ich mich ins Gespräch ein.
Irgendwann wollte ich dann aber doch endlich tanzen gehen. Ich war ja schließlich nicht hier, um mich zu betrinken und zu quatschen. Das konnte ich zuhause auf der Couch deutlich besser. Also leerte ich mein Glas, knallte es auf den Tisch und sah fragend in die Runde: „Ich geh jetzt tanzen. Kommt jemand mit?" Die Jungs schauten wie eine Kuh, wenn's donnert.
Davon ließ ich mich nicht beeindrucken. Schulterzuckend ließ ich die drei Spaßverderber stehen und ging zur Mitte der Tanzfläche.
Es dauerte nur Sekunden, wenn überhaupt, bis der Rhythmus der Musik von mir Besitz ergriff und meine Bewegungen zu steuern begann. Ich hatte genug Platz, um mich frei zu bewegen, und ich nutzte den Platz. Das war mir viel lieber als eng gedrängt an zig fremde Körper. So ließ ich die Musik weiter durch mich hindurch fließen, folgte den Bewegungen, die die Töne vorgaben.
Plötzlich stand jemand hinter mir. Ich fuhr herum und landete ein wenig unsanft an Lucas Brust. Seine Hände fingen mich sofort auf, bevor ich rückwärts stolpern konnte. Als ich mich wieder gefangen hatte, legte ich meine Hände in seinen Nacken und sah zu ihm auf.
„Wollten wir nicht tanzen?", fragte er und bewegte sich eher vorsichtig zur Musik. Ich ließ mich nicht zwei mal bitte. Meine Hüfte wackelte im Takt, während Lucas Hände sich über meinen Körper bewegten.
Seine weichen aber direkten Bewegungen machten es mir leicht, mich seinem Rhythmus anzupassen und eine Einheit mit ihm zu werden. Ich drehte mich und landete wieder in seinen Armen. Geschickt kamen wir uns mal näher, mal tanzten wir etwas weiter auseinander. Doch nicht für lang. Der Körperkontakt fehlte mir, sobald er nicht mehr da war.
Marco und Ricci betraten den ganzen Abend lang nicht ein einziges Mal die Tanzfläche. Luca und ich dagegen waren nicht wieder runter zu bewegen. Als der DJ gegen 5 Uhr morgens den letzten Song spielte, spürte ich dann doch so langsam, wie meine Knochen müde wurden.
Auf der Heimfahrt lagen Luca und ich mehr auf der Rückbank, als das wir saßen. Ich hörte zwar, dass Marco und Ricci sich vorne köstlich über uns amüsierten, doch es war mir egal.
Ich freute mich einfach nur auf das Bett. Luca ging es ganz ähnlich. Wir sprachen nicht mehr viel, als wir unter unsere Decke krabbelten. Noch bevor unsere Köpfe überhaupt richtig unsere Kissen berührten, waren wir eingeschlafen.
Muskelkater vom feinsten verhinderte, dass der Samstag sonderlich aktiv wurde. Doch ich störte mich auch nicht daran, einfach mit Luca auf der Couch zu liegen.
„Fabio hat mir gerade geschrieben.", durchbrach ich die Stille, „Er fragt, ob wir videochatten können." „Klar.", meinte Luca und erhob sich stöhnend von der Couch, um seinen Laptop zu holen. Seine schweren Schritte waren überdeutlich auf der Treppe zu hören.
Auch als er sich zurück auf das Sofa sinken ließ, gab er ein Ächzen von sich. „Ich dachte, du wärst fit?", neckte ich ihn. „Das schon. Aber ich habe gestern Muskeln beansprucht, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie habe.", konterte er, „Außerdem solltest du ruhig sein. Dir geht es immerhin nicht besser." „Leider wahr.", trotzdem konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Kurz darauf tauchte Fabio auf dem Bildschirm auf. Er sah noch ein wenig verpennt aus, als wäre er gerade erst aufgestanden, oder hätte die Nacht durchgemacht. Beides nicht unwahrscheinlich.
„Was gibt's?", fragte Luca nach einer knappen Begrüßung. Fabios Augen begannen zu strahlen. Wäre sein Gesicht nicht im Weg, würde er im Kreis grinsen. „Ich habe großartige Neuigkeiten!", kündigte er an. Ich lachte, doch Luca ließ seine Ungeduld raus: „Spann uns nicht auf die Folter, wir hatten 'ne lange Nacht." „Sieht man.", grinste Fabio. „Du siehst auch nicht besser aus.", knurrte ich.
„Also ich weiß ja nicht, was ihr die ganze Nacht gemacht habt...", Fabio machte eine Pause und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, „Aber ich... habe die ganze Nacht mit Aurelie gesprochen."
Jetzt hatte er meine volle Aufmerksamkeit: „Und?" Luca neben mir brauchte einen Moment länger, bis er verstand. Dann setzte auch er sich auf und fragte: „Und?" Fabio brach in schallendes Gelächter aus und japste nach Luft schnappend: „Wenn ihr euch gerade sehen könntet..."
„Ja, ja. Wir sehen dämlich aus.", winkte Luca ab und ich bettelte: „Jetzt erzähl schon!" Fabio wurde still und wartete, bis er wirklich unsere volle Aufmerksamkeit hatte. Dann ließ er die Bombe platzen: „Wir sind jetzt zusammen!"
Eine Sekunde lang fehlten mir die Worte. Dann freute ich mich lautstark für ihn und fiel Luca quietschend um den Hals. Der hatte damit nicht gerechnet und landete rückwärts auf der Couch. „Könnt ihr das später machen? Ich wollte euch nicht unbedingt zuschauen.", rief uns Fabios Stimme hinterher.
Schnell richteten wir uns wieder auf und zupften unsere Klamotten ein wenig zurecht. „Das ist super!" „Ist es.", bestätigte Fabio inzwischen wieder über beide Ohren grinsend.
„Aber mal was anderes.", wechselte er plötzlich das Thema, „Warum bin ich nicht zu eurer Kuschelstunde eingeladen?" Ich war sprachlos. Luca stammelte ein wenig herum, aber fand auch keine Worte. „Das war ein Scherz."
Ich atmete schon auf, doch da jammerte Fabio: „Aber ich will auch mal zu euch eingeladen werden." Luca schaltete schneller als ich: „Wie wäre es denn, wenn du zu Silvester her kommst? Wir wollen hier im Ort mit ein paar Leuten feiern und Vanessa will auch dabei sein." Wollte ich das? Darüber hatten wir noch gar nicht gesprochen. Perplex wie ich war, stimmte ich ihm erst mal zu.
Fabio war begeistert, schwärmte uns noch ein wenig von seiner Aurelie vor und verabschiedete sich dann.
Ruhe hatten Luca und ich trotzdem nicht. Nur ein paar Minuten später klingelte mein Handy. Auf dem Display leuchtete Marecs Name auf. Unsicher ob ich rangehen sollte, wiegte ich das Handy in meiner Hand.
Schließlich wandte ich mich zu Luca und fragte ihn: „Ist es okay, wenn ich da rangehe?" „Ja klar.", er zuckte mit den Schultern, aber rückte ein wenig von mir ab. Seufzend wischte ich über das Display und hob das Handy ans Ohr.
„Hallo.", meldete ich mich. „Hey, na?", Marec klang mir ein wenig zu unbeschwert, „Ich bin gerade unterwegs und wollte mal eben nachfragen, was du heute vorhast? Ich könnte vorbeikommen." „Das ist gerade nicht so einfach.", begann ich vorsichtig, doch er ließ mich nichts Genaueres erklären: „Wieso? Ich sitz doch quasi schon im Zug."
Ich legte mir genervt die Hand vor die Stirn. „Marec.", mahnte ich ein wenig gequält, „Ich bin nicht zuhause. Ich bin in..." „Wo bist du denn? Vielleicht kann ich da ja hinkommen.", unterbrach er mich.
„Marec! Ich bin in Italien!", entfuhr es mir lauter als beabsichtigt. Als es am anderen Ende still blieb, ergänzte ich: „Ich bin bei Luca." „Ja, wunderbar. Wo auch sonst?", fauchte er mich giftig an. Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. „Was soll das denn jetzt?" „Ich bin dir ja ganz offensichtlich nicht gut genug.", spuckte er aus, „Tut mir leid, dass ich keine Weltmeisterschaft fahre. Ich wusste nicht, dass man nur dann deine Aufmerksamkeit verdient!" „Fahr mal wieder runter!", schrie ich ihn an, „Hör auf, mir jedes Mal irgendwelche Scheiße an den Kopf zu werfen, oder melde dich nicht mehr!" Damit legte ich auf.
Seufzend warf ich das Handy in die Ecke der Couch und ließ die Schultern sinken. Augenblicklich war Luca an meiner Seite und legte seine Hände stärkend auf meine Schultern.
„Ist alles in Ordnung?", wollte er wissen. „Ja. Nein. Ach, ich weiß nicht.", ich fühlte mich merkwürdig unwohl, „Marec benimmt sich komisch. Schon eine ganze Weile." „Seitdem wir zusammen sind?", hakte Luca nach. Ich nickte bestätigend: „Da ist es besonders schlimm geworden."
Ich hörte ihn geräuschvoll ausatmen, bevor er meinte: „Kann es sein, dass er eifersüchtig ist?" „Worauf denn?" „Auf mich zum Beispiel?" „Das ist lächerlich.", fand ich, „Wir sind schon so lange befreundet und er hatte nie Interesse für mich." „Weißt du,", Luca lehnte sich zurück und zog mich mit sich, „mit uns Kerlen ist das manchmal komisch. Wir wollen immer das, was wir nicht haben können. Ich hatte halt Glück, dass ich dich zufällig doch bekommen konnte." „Da hattest du riesiges Glück.", schmunzelte ich und kuschelte mich an ihn.
Zwei Wochen waren wie im Flug vergangen. Ich saß im Flieger zurück nach Deutschland. Luca saß im Flieger nach Spanien. Jetzt mussten wir wieder ein paar Wochen ohne einander auskommen.
Die letzten vierzehn Tage hatten sich angefühlt wie ein paar Stunden und doch gleichzeitig auch wie viele Jahre. Wir waren uns so viel näher gekommen, hatten so viel voneinander gelernt.
In diesem Moment war ich überzeugt, dass diese Beziehung funktionieren konnte.
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Italian Dream
FanfictionFür sie ändert sich an einem Wochenende das ganze Leben. Für ihn auch, nur weiß sie das nicht und wird es so schnell auch nicht erfahren. Oder doch? Luca Marini ist ein junger, ambitionierter Motorradrennfahrer, gerade frisch in die Weltmeisterschaf...