Diesmal nicht

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Luca nutzte die Menschen, die auf der Straße zu unserem Fahrerlager unterwegs waren, als Pylonen, um die er Slalom fuhr. Und ich nutzte Luca als Angstgriff.
Ich hätte ihm wohl nicht sagen dürfen, dass wir schnell zurückmussten. Das hatte er anscheinend als Freibrief verstanden, den Rennfahrer raushängen zu lassen. Obwohl er mir doch versprochen hatte, das nicht mehr zu tun.
Irgendwie kam ich tatsächlich heil in unserem Teamzelt an. Ich war mir nicht sicher, wie Luca das geschafft hatte. So ganz genau wusste ich im Nachhinein auch nicht mehr, wie ich vom Roller in den Wohnwagen gekommen war. Aber da saß ich jetzt. Oder viel mehr kramte nach dem Kleid, welches Marec sich gewünscht hatte.
Gestern hatte ich bei meinem Bruder in der Startaufstellung gestanden. Allerdings hatte ich Marec versprochen, auch bei ihm zu stehen. Also musste ich das heute erledigen.
Luca hatte sich, kaum dass wir angekommen waren, Flo geschnappt. Die beiden saßen in einer ruhigen Ecke und hatten einen Streckenplan in der Hand.
Nachdem ich mich in ein royalblaues, trägerloses Kleid mit herzförmigem Ausschnitt und Volantrock gezwängt hatte, suchte ich nach meinen Schuhen. Es waren schwarze High-Heels, doch diesmal mit Keilabsatz aus Kork und einer Schnürung bis nach oben zum Fesselgelenk.
Die würde ich aber erst in der Startaufstellung anziehen. Bis dahin blieb ich bei meinen Turnschuhen.
Zufrieden mit meinem Outfit verließ ich den Wohnwagen. Die Schuhe stellte ich neben den Schirm und setzte mich an den Tisch. Von hier aus konnte ich Luca und Flo ganz gut beobachten.
Was auch immer sie gerade besprachen, es schien lustig zu sein. Luca hatte immer noch den Streckenplan in der Hand, doch auf den achtete im Moment keiner der beiden. Stattdessen kugelten sie sich vor Lachen, so gut das eben auf den Stühlen ging. Flo schnappte nach Luft, sagte etwas und im nächsten Moment lachte Luca noch heftiger. Es erwärmte mein Herz, die beiden so zu sehen.
Das Lächeln stahl sich einfach so auf meine Lippen. Ich konnte gar nichts dagegen tun. Allerdings wollte ich das auch nicht.
Marec ließ sich mit finsterer Miene auf den Platz neben mir fallen, und zwar genau so, dass ich mich nach vorn lehnen musste, um Flo und Luca weiterhin beobachten zu können. Er folgte meinem Blick und zog eine Augenbraue in die Höhe.
„Wie schön, dass die beiden Spaß haben.", bemerkte er. Der sarkastische Unterton in seiner Stimme blieb mir nicht verborgen. Aber ich beschloss, ihn zu ignorieren. Stattdessen seufzte ich: „Das finde ich auch." Ich konnte förmlich spüren, wie er die Augen verdrehte.
In diesem Moment beruhigten sich die beiden langsam wieder. Luca sah auf und begegnete meinem Blick. Sofort veränderte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht. Er lächelte mich an. Es war kein belustigtes Grinsen mehr, es war einfach ein glückliches Lächeln. Und das erwiderte ich.
Mein Bruder bemerkte meinen Blick jetzt auch. Er winkte mich zu sich. Ohne zu zögern, stand ich auf und schob mich an Marec vorbei.
Vor den beiden blieb ich stehen und sah sie an. In meinem Rücken konnte ich Marecs Blick ganz genau spüren. Er bohrte sich regelrecht durch mein Schulterblatt. Doch es waren Lucas Augen, die mich durcheinanderbrachten. Sie ließen die Gedanken in meinem Kopf herumwirbeln und brachten das Blut in meinem Körper in Wallungen. Mir wurde heiß.
Die Stimme meines Vaters riss mich schließlich aus meiner Trance. „Flo, ziehst du dich dann langsam an?", rief er herüber, während er immer noch an der KTM herumwerkelte.
Helft ihr beiden mir?", fragte Flo und sah erwartungsvoll zwischen Luca und mir hin und her. Luca zuckte mit den Schultern. „Klar.", meinte er und ich nickte nur zustimmend.
Erst nach und nach fiel mir ein, dass er vielleicht auch etwas brauchte, das er anziehen konnte. „Ich...", begann ich langsam, „hol dir eben deine Kombi." Damit rauschte ich auch schon davon. Flo rief mir noch hinterher: „Vergiss die Unterwäsche nicht!" Ach ja, die musste er ja auch noch drunter ziehen.
Ich wurde im Wohnwagen recht schnell fündig, da alles seinen Platz hatte. Flos lange Unterwäsche war in seiner Schublade. Die brauchte er, damit die Kombi nicht auf der nackten Haut scheuerte.
Die Kombi selbst hing in einem Schrank, in dem sich auch seine Stiefel, die Helme und die Protektoren befanden. Alles konnte ich nicht auf einmal tragen, also beschloss ich, Flo zuerst die Unterwäsche zu bringen und mich dann mit dem Rest zu beschäftigen.
Ich wirbelte herum und kollidierte mit irgendetwas... oder besser jemandem.
Oh, tut mir leid.", Luca riss seine Arme nach oben und hielt mich so fest. Ich bekam kein Wort raus. Einen Moment später ergriff Luca wieder das Wort: „Ich wollte dir eigentlich nur eben helfen."
Ähm okay...", ich war immer noch ein wenig durcheinander, „Alles klar. Dann bring ihm doch am besten das schon mal raus. Ich nehm eben die Kombi." Damit drückte ich ihm die Unterwäsche in die Hand und drehte mich wieder zu dem Schrank. Hinter mir hörte ich, wie Luca den Wohnwagen wieder verließ.
Es war jedes Mal wieder überraschend, wie schwer diese Lederkombi doch war. Wie konnte Flo sich darin überhaupt bewegen?
Als ich wieder draußen ankam, steckte Flo bereits in seiner Unterwäsche. Ich reichte die Kombi an Luca weiter, der ihm beim Anziehen half und ging wieder rein, um die Stiefel und die Protektoren zu holen.
Flo zog sich die Lederkombi bis zur Hüfte nach oben. Dann setzte er sich wieder auf den Stuhl und ließ seine Füße nacheinander in den Stiefeln verschwinden. An denen verschloss er zuerst den Reißverschluss, dann den Klettverschluss darüber. Anschließend stand er wieder auf und legte den Rückenprotektor an. Der wurde wie eine Weste angezogen und vorn sowohl mit einem Reißverschluss als auch mit Klett zugemacht. Damit sollte verhindert werden, dass er verrutschte. Jetzt zog er die Kombi richtig hoch und schlüpfte in die Ärmel. Luca half ihm dabei, denn allein verhedderte man sich schnell. Als Nächstes steckte Flo seinen Brustprotektor an die richtige Stelle und zog dann den Reißverschluss der Kombi nach oben.
Fertig angezogen sank er vollkommen entspannt zurück auf den Stuhl und blickte grinsend zwischen Luca und mir hin und her. Wir standen beide etwas unschlüssig vor seinem Stuhl.
Also...", erhob er schließlich seine Stimme, „Wir haben jetzt noch 20 Minuten. Entweder ihr bleibt weiter da stehen oder ihr setzt euch zu mir und erzählt mir von den Rennen heute. Ich habe davon nämlich kein Einziges gesehen." Luca reagierte zuerst. Er zog zwei Stühle heran. Davon schob er einen zu mir und den anderen nahm er selbst.
Dann packte Luca sein Talent als Berichterstatter aus. Nachdem er gefühlt jede Runde des Moto3-Rennens detailliert beschrieben hatte, erzählte er von seinem eigenen Rennen. Da konnte ich zwischendurch auch immer mal etwas beisteuern, da er ja nicht mitbekommen hatte, was im restlichen Feld vor sich ging. Das MotoGP-Rennen übernahm allerdings wieder Kommentator Luca ganz allein.
Flo nuckelte tiefenentspannt an seinem Getränk. Auch dann noch als er bereits auf dem Motorrad saß und den Helm aufgesetzt hatte. Sein Trinkschlauch ermöglichte das. So ruhig hatte ich ihn noch nie vor einem Rennen gesehen.
Er lehnte sich zu mir und sagte absichtlich auf Deutsch: „Ich mag die Strecke immer noch nicht, aber immerhin hab ich sie jetzt ein bisschen besser verstanden. Danke." „Für dich immer, Bruderherz.", erwiderte ich und legte einen Arm um seine Schultern.
Begleitet von Luca, meinen Eltern und Marecs Dad ging ich den Weg zur Boxengasse entlang. Marecs Mutter ging nie mit an die Strecke. Sie konnte es sich nicht ansehen, wenn ihr Sohn Motorrad fuhr.
In der Boxengasse angekommen reichte ich Flos Trinkflasche und den Schirm an Luca weiter. Ich selbst wechselte die Schuhe und übernahm den Schirm von Marecs Vater. Dann ging es auf die Strecke.
Heute stand ich vier Plätze weiter vorn als gestern auf P20. Bis Marec aus der Besichtigungsrunde zurück war, stand ich mit dem Rücken zur Startampel. So hatte ich Luca ziemlich gut im Blick. Und er mich. Ich war mir nicht sicher, was das in seinem Blick war. Er musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen, seine Lippen presste er aufeinander.
Doch mir blieb keine Möglichkeit, ihn länger zu analysieren. Marec erschien am Ende der Geraden und rollte auf seinen Startplatz. Das war mein Stichwort mich umzudrehen und meinen Platz als Marecs Schirmständer einzunehmen. Lucas Blick jedoch konnte ich mehr als deutlich spüren. Er ließ mir das Blut in den Adern gefrieren und löste ein unangenehmes Kribbeln in meinem Nacken aus. Trotzdem zwang ich mich zu einem Lächeln.
Gemeinsam mit Marecs Vater verließ ich die Strecke, doch draußen in der Boxengasse suchte ich gleich nach meinen Eltern und Luca. Also sofort nachdem ich die Schuhe wieder gewechselt hatte, versteht sich.
Ich fand sie direkt gegenüber der Forward-Box. Das Team war zwar schon fleißig dabei, alles abzubauen, doch Luca hatte sie dazu überreden können, zumindest den Kommandostand noch bis nach dem Rennen stehen zu lassen.
Als ich zu ihnen trat, verabschiedete sich der Mechaniker gerade von Luca. Er erkannte mich jedoch und begrüßte mich lächelnd: „Hi Vanessa. Was ist das für ein Rennen?" „Eine deutsche Nachwuchsklasse. Mein Bruder fährt hier.", erklärte ich. „Dann viel Glück deinem Bruder.", wünschte er noch, dann winkte er uns zu und ging zur Box zurück. „Danke!", rief ich ihm noch hinterher. Ich hatte ihn zwar erkannt, zumindest hatte ich ihn schon mal gesehen, doch ein Name wollte mir zu seinem Gesicht nicht einfallen.
Luca lächelte mich an, doch seine Augen lächelten nicht mit. „Ich glaube, Emanuele kann dich ganz gut leiden.", meinte er, ohne mich direkt anzusehen. Ich seufzte: „Wäre ja ganz schön, wenn nicht dein ganzes Team mich hassen würde." „Sie hassen dich nicht.", protestierte er, „Es ist einfach ein bisschen schwierig."
Das ließ ich mal so stehen, allerdings vor allem weil die Fahrer aus der Warm-Up-Lap zurückkamen und ihre Plätze in der Startaufstellung einnahmen.
Sie ließen die Motoren hochdrehen. Es klang wie mitten in einem Wespennest, so sehr brummten die KTM-Motoren. Die Haare auf meinen Armen stellten sich auf. Ich konnte das rote Licht der Ampel sehen. Dann ging sie aus.
26 KTMs schossen dicht an uns vorbei. Nur mit Mühe und weil er den einzigen grün leuchtenden Helm im ganzen Fahrerfeld hatte, konnte ich meinen Bruder mittendrin ausmachen. Was hieß mittendrin. Sein Start war grottig gewesen. Marecs ebenso. Die beiden kämpften beim Abbiegen in die erste Kurve noch darum, wer jetzt den letzten Platz übernahm. Ich konnte allerdings nicht sehen, wer die Nase vorn behielt.
Also die Starts müssen wir noch üben.", fand Luca und fuhr sich durch die Haare. Allein diese Geste brachte mich unwillkürlich zum Lächeln.
In den nächsten Runden kämpfte mein Bruder sich kontinuierlich nach vorn. Marec hatte wohl größere Schwierigkeiten. Als Flo schon wieder auf seinem Startplatz angekommen war, kämpfte Marec immer noch um Platz 25.
Luca riss mich plötzlich aus meinen Gedanken: „Wie stehst du zu Marec?" „Marec?", wie kam er denn jetzt auf den Polen? „Wieso Marec?", hakte ich noch mal nach, als er nix sagte. Seufzend wand sich Luca unter meinem Blick. Er sprach leise, kaum zu verstehen und das, wenn gerade kein Motorrad draußen vorbeifuhr: „Na ja, du stehst bei ihm in der Startaufstellung. Warum?"
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber ganz sicher nichts, was so einfach zu erklären war. „Er ist mein bester Freund.", erzählte ich, „Wir kennen uns schon ein paar Jahre und damals beim Minibike stand ich eigentlich ständig bei ihm in der Startaufstellung. Jetzt vor dem Wochenende hier hat er mich gefragt, ob ich das mal wieder machen würde." In diesem Moment dachte ich nicht an die Startaufstellung am Sachsenring.
Luca allerdings schon. „Und am Sachsenring?" „Das hatte ich ihm vor Jahren versprochen.", und zwar noch lange, bevor alles kompliziert wurde. Doch das war ein Teil der Geschichte, den Luca nicht erfahren sollte.
Etwa zur Mitte des Rennens zündete Marec den Turbo und er erreichte am Ende noch Platz 19. Da hatte Flo nicht mehr mithalten können. Er wurde 22. und beendete das Rennen damit einen Platz schlechter als das am Vortag. Trotzdem war er soweit zufrieden. Luca hatte ihn wieder in Empfang genommen und sofort damit begonnen, das Rennen zu analysieren.
Nach dem Rennen blieb nicht mehr viel Zeit. Das ganze Fahrerlager war am Einpacken. So auch wir. Wir hatten einen langen Heimweg vor uns und das Schlimmste für mich war, dass ich morgen arbeiten musste. Ich würde wohl die Nacht durchmachen müssen.
Um wenigstens ein bisschen Zeit herauszuholen, half ich so tatkräftig beim Einräumen wie selten. Doch auch Luca hatte es sich nicht nehmen lassen, uns zu helfen. Brav ließ er sich von meinem Vater Anweisungen geben und scheute sich nicht davor, schwere Kisten zu schleppen.
Als Luca gerade dabei war, in Papas Transporter Ersatzteilkisten zu stapeln, stand mein Vater plötzlich hinter mir. Er legte eine Hand auf meine Schulter und meinte: „Er gefällt mir. Kann nicht nur Motorradfahren, sondern auch ordentlich anpacken. Na gut, weiter geht's." Und schon verschwand er wieder und brachte Luca die nächste Kiste.
So dauerte es nicht lang, bis alles an seinem Platz verstaut war und wir bereit waren, aufzubrechen. Dann hieß es jetzt wohl wieder Abschied nehmen.
Mein Vater nahm Luca sogar in den Arm, als er sich in seinem typisch schlechten Englisch von ihm verabschiedete. Bei meiner Mutter allerdings war es Luca, der sie herzlich in eine italienische Umarmung zog und sich für die Gastfreundschaft bedankte. Mit Flo schlug er freundschaftlich ein und hielt ihn noch mal dazu an, seine Tipps zu befolgen. Marec und seiner Familie reichte er nur die Hand, dabei sahen weder er noch Marec sonderlich begeistert aus.
Dann stand er vor mir. Unschlüssig rieb er sich den Nacken. „Also dann...", begann ich. Ein Ruck ging durch seinen Körper und er zog mich in eine feste Umarmung. „Also dann, ciccina.", hauchte er an meinem Hals.
Es war so schwer, ihn loszulassen. Vor allem weil ich nicht wusste, wann ich ihn wieder zu Gesicht bekommen würde. Ich seufzte schwer und schob ihn ein wenig von mir. Luca legte eine Hand an meine Wange und tauchte mit seinen tiefen Augen in meine ein. „Wir werden uns bald wiedersehen. Das verspreche ich dir.", flüsterte er und ich nickte nur.
Tränen sammelten sich in meinen Augen. Doch ich wollte sie nicht zeigen. Also blinzelte ich und hoffte sie so zu vertreiben.
Er nahm mich wieder in den Arm und meinte: „Du wirst mir ziemlich fehlen." Wieder konnte ich nur nicken. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich schluckte schwer, um das drückende Gefühl zu vertreiben. Aber es brachte nichts. Stattdessen schaffte es nun tatsächlich eine Träne, über meine Wange zu laufen.
Alles wird gut.", sagte Luca mit samtiger Stimme, „Pass auf dich auf, anima mia." „Du auch auf dich, ja?", brachte ich schließlich hervor. Luca nickte und ließ mich dann los.
Ich strich mir eine Strähne meiner Haare aus dem Gesicht und sah zu ihm auf, versuchte, mir in diesem kurzen Moment sein Gesicht so gut einzuprägen, wie es eben ging. Noch einmal machte er einen Schritt auf mich zu und drückte mir einen federleichten Kuss auf die Wange.
Dann war es Zeit für mich. „Mach's gut, Luca.", flüsterte ich. Diesmal nickte er nur. Seine Augen strahlten nicht. Sie waren auch nicht hellblau. Es hatte eher etwas von Graublau. Die Farbe seiner Augen sah stürmisch aus.
Tief atmete ich durch, dann wandte ich mich um und ging zum Auto. Dort standen Marec und seine Eltern. Von denen verabschiedete ich mich allerdings nur mit einer schnellen Umarmung. Mehr war im Moment nicht drin.
Ich sah zurück. Luca stand immer noch dort, wo ich ihn eben stehen gelassen hatte. Er winkte mir mit einem halbherzigen Lächeln. Schwermütig erwiderte ich es. Dann stieg ich ein.
Mein Vater hatte gerade den Motor gestartet, als mir etwas einfiel. „Papa, warte!", rief ich aufgebracht und fummelte an meinem Gurt herum. Warum ließ der sich nicht lösen? Flo drückte schließlich den befreienden Knopf und rutschte zur Seite, sodass ich mich noch mal zur Tür durchkämpfen konnte. Denn leider hatte der Transporter nur auf einer Seite eine Schiebetür und an der Seite saß mein Bruder.
„Was ist los?", höre ich meinen Vater fragen, doch ich hatte keine Zeit darauf zu antworten. Ich stemmte die schwere Tür auf und sprang raus.
Und landete direkt in Lucas Armen. „Hey.", hauchte ich atemlos. Er grinste mich amüsiert an und erwiderte: „Hey." „Ich...", jetzt fehlten mir die Worte. Doch Luca übernahm. Er streckte mir einen Zettel entgegen. „Das wollte ich dir noch geben.", meinte er.
Zögerlich nahm ich den Zettel entgegen und faltete ihn langsam auf. Darauf standen in hektischer Handschrift einige Zahlen. „Meine Nummer.", erklärte Luca, „Dann müssen wir nicht warten, bis wir uns zufällig mal wieder in einer Boxengasse begegnen." „Das wollte ich dir auch gerade geben.", lächelte ich.
Er zog mich wieder in eine Umarmung und verabschiedete mich dann: „Komm gut zuhause an." „Du auch. Und grüß Valentino von mir.", ich löste mich von ihm und stieg zurück ins Auto.
Als wir schließlich vom Gelände des Red Bull Rings herunter fuhren, blickte ich mit einem Lächeln auf das Wochenende zurück. Es war ein schwermütiges Lächeln, aber am Ende blieb ein positives Gefühl. Ich hatte Luca nicht nur wieder getroffen, nein, ich hatte auch seine Nummer und das Versprechen, ihn wiederzusehen.
Beim Durchblättern meines Telefonbuchs fiel mir auch Valentinos Nummer wieder ins Auge. Aus irgendeinem Grund war ich mir sicher, dass ich die beiden Italiener nicht so schnell wieder loswurde. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als ich Lucas Nummer eingab und abspeicherte.

Es war bereits halb zwei in der Nacht, als wir schließlich zuhause ankamen. Ich hatte zwar ein wenig im Auto geschlafen, aber trotzdem war ich todmüde. Meine Mutter wollte mich dazu überreden noch ein wenig zu schlafen, doch ich musste jetzt noch weiter, sonst würde ich zu spät zur Arbeit kommen.
Also setzte ich mich in meinen BMW und trat die weitere Reise an. Eigentlich konnte man in der Nacht echt entspannt fahren. Es gab kaum Verkehr und die Autobahnen waren nicht mit Stau verstopft.
In den Morgenstunden, na gut es war ziemlich genau sechs Uhr, kam ich in Osnabrück an. Ich hielt noch kurz an meinem Hotel. Dort frühstückte ich, zog mir die passende Arbeitskleidung und dann ging der Tag eigentlich auch gleich weiter.
Meinem Chef fiel natürlich auf, dass ich müde war. Er zeigte mir deutlich, dass er nicht gerade begeistert von meinem Trip nach Österreich war. Doch als ich ihm nicht nur einen sendefähigen Bericht vom Wochenende vorlegte, sondern auch einen Interviewtermin mit einem Fahrer aus der näheren Umgebung von Osnabrück, war er zumindest etwas besänftigt.
Diana wollte alles wissen. Das konnte ich ihr nicht verübeln, doch ich war noch nicht in der Lage dazu. Erst mal musste ich wieder im Alltag ankommen und dafür brauchte ich eins, zwei Tage. Außerdem war ich viel zu müde, um die ganze Aufregung noch mal zu durchleben. Sie verstand das. Aber sie kündigte auch ein Verhör an, sobald ich fit dafür war. Lachend stimmte ich zu.
Den ganzen Tag über hatte ich nur auf den Abend gewartet. Nicht nur, dass jetzt endlich mein Bett auf mich wartete. Ich konnte jetzt auch in Ruhe überlegen, was ich Luca schreiben wollte. Er hatte mir seine Nummer ja ganz sicher nicht nur zum Spaß gegeben.
Nach einem ausgiebigen Abendessen, dass ich mir meiner Meinung nach definitiv verdient hatte, ging ich duschen und zog gleich meinen Schlafanzug an. Dann kuschelte ich mich unter meine Decke und holte mein Handy vom Nachttisch.
Ich scrollte durch meine Nummern, bis ich Lucas fand. Dann öffnete ich das Nachrichtenfeld und überlegte. Was sollte ich ihm schreiben?
Schließlich entschied ich mich.

- Hey, Luca. Ich wollte dir nur eben Bescheid sagen, dass ich gut angekommen bin. Bis bald, Vanessa. -

Ich wollte nicht krampfhaft auf eine Antwort von ihm warten. Deshalb legte ich das Handy weg und versuchte stattdessen zu schlafen. Das funktionierte auch ziemlich schnell, sodass ich Lucas Antwort tatsächlich erst am nächsten Morgen las.

- Hey, schön dass du dich meldest. Wie lange wart ihr denn unterwegs? Viel Spaß auf Arbeit, bellina. -

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