„Neben dir schlafe ich so viel besser.", das waren die ersten Worte, die ich am Morgen gehört hatte. Luca hatte früh aufstehen müssen. Schon um 7.30 Uhr hatte er die erste Teambesprechung. Da ging er allein hin. Doch bevor er sich tatsächlich aus dem Bett quälte, schmiegte er sich noch einmal an mich und flüsterte: „Schlaf noch ein bisschen. Ich bin in einer Stunde wieder da." Dann stand er auf.
Ich schlief tatsächlich noch mal ein. Allerdings war mein Schlaf unruhig und nicht mehr erholsam. Also stand ich eine halbe Stunde später auch auf. Nachdem ich mich für den Tag fertiggemacht hatte, clever wie ich war, hatte ich dieses Mal alles Nötige dabei, machte ich mich auf den Weg in die Küche des Motorhomes.
Ich schlich auf leisen Sohlen durch Flur und Wohnzimmer, bis mir klar wurde, dass das völlig unnötig war. Wenn Luca eine Teambesprechung hatte, war auch Balda nicht da. Trotzdem lauschte ich auf jedes Geräusch. Es war nichts zu hören.
Na gut, im Flur hörte man die Rufe einiger ungeduldiger Fans von draußen. Sonst war alles still.
Im Wohnzimmer lagen immer noch die Kissen auf der Couch durcheinander. Eine Wolldecke lag zerwühlt daneben und eine zweite befand sich noch zusammengelegt auf dem Boden. Aus unerklärlichen Gründen hatte ich plötzlich das Bedürfnis, hier aufzuräumen. Das war schnell erledigt. Jetzt wurde allerdings mein Magen langsam ungeduldig.
Die Küche sah noch genauso aus wie beim letzten Mal, nur wirkte sie ohne Kerzen nicht halb so romantisch. Eigentlich war sie recht klein und schmal. Trotzdem hatte sie alles, was man brauchte.
Ich fand schnell einen Wasserkocher und eine Tasse. Jetzt musste ich nur noch Tee finden. Tatsächlich gab es drei Sorten Tee. Nur konnte ich sie nicht so richtig definieren, da alles auf Italienisch war. Dann musste ich es wohl einfach ausprobieren. Ich brühte mir einen Tee auf und während er zog, besah ich mir den Inhalt des Kühlschranks.
Verteilt über die ganze Küche fand ich alle Zutaten, die ich für Pancakes brauchte. Außerdem stand ein Obstkorb auf der Anrichte, gefüllt mit allem, was das Herz begehrte. Dem Obst widmete ich mich zuerst. Ich schnitt einige Äpfel, etwas Kiwi, Banane, Ananas, Mango und Erdbeeren in kleine Stücke, die ich in eine Schüssel füllte. Mit etwas Zitronensaft und ein klein wenig Traubenzucker abgeschmeckt ergab das einen wunderbaren Obstsalat.
Gerade brutzelten die ersten Pancakes in einer Pfanne, als ich Geräusche aus dem Flur vernahm. Nur Sekunden später rief Lucas Stimme meinen Namen. „In der Küche.", rief ich zurück und kümmerte mich um die restlichen Pancakes.
Plötzlich tauchte Luca hinter mir auf. Ganz vorsichtig legte er mir seine Hände auf die Hüften und ließ sein Kinn sanft auf meine Schulter sinken. Er roch unglaublich gut. Sein Duft hüllte mich ein. Ich konnte nicht richtig definieren, was es war.
„Was machst du denn da?", fragte er mit leiser Stimme und vergrub sein Gesicht an meinem Hals. Ich keuchte. Das Kribbeln, das von seiner Berührung ausging, breitete sich kontinuierlich in meinem Körper aus.
„Frühstück.", hauchte ich. Sein warmer Atem jagte mir einen Schauer nach dem anderen den Rücken hinunter. Ich musste mich an der Anrichte festhalten. Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf, doch ich bekam keinen einzigen zu fassen. Mit rauer Stimme seufzte Luca in mein Ohr: „Daran könnte ich mich gewöhnen." Okay, spätestens jetzt war es vorbei mit meinem Denkvermögen. Mein Kopf fiel automatisch zur Seite, damit Luca meinen Hals besser erreichen konnte.
Es war Balda, der mich in die Realität zurückholte und die Pancakes vor dem Verbrennen rettete. „Woah, was auch immer ihr da tut, macht es bitte da, wo ich es mir nicht ansehen muss.", scherzte er, als er den Raum von seiner Seite des Trucks aus betrat.
Luca wich augenblicklich zurück. Ich war immer noch etwas außer Atem, als ich ihm antwortete: „Ich habe Frühstück gemacht. Obstsalat und Pancakes." Luca wirkte ein wenig paralysiert, als er mechanisch Teller und Besteck aus dem Schrank holte und auf den Tisch stellte.
„Das sieht ja echt super aus.", lobte Balda, als er sich an den Tisch setzte. Luca schien immer noch nicht wieder richtig angekommen, denn sein Teamkollege musste ihn dreimal nach dem Orangensaft fragen, bevor er reagierte. Ich schaufelte die letzte Fuhre Pancakes auf den Teller und stellte ihn zusammen mit dem Obstsalat auf den Tisch.
Dann setzte ich mich zu den beiden Forward-Piloten. Balda lud sich ohne zu zögern fünf Pancakes auf den Teller und verteilte großzügig den Obstsalat darauf.
Misstrauisch betrachtete ich sein Werk. Voller Begeisterung stürzte er sich auf das Essen und bemerkte erst nach einigen Momenten, dass ich ihn beäugte. „Was?", schmatzte er mit vollem Mund. „Pancakes mit Obstsalat?", fragte ich nach und Balda nickte eifrig, „Das ist so gut. Probier mal!"
Ich ließ mich überreden und schaufelte mir zurückhaltend ein paar Löffel vom Obstsalat auf die Pancakes. Luca schaute zwar auf das Essen, doch ich war mir nicht sicher, ob er es wirklich sah. Während ich den ersten Bissen Pancake mit Obstsalat probierte, beobachtete ich ihn.
Unter meinem Blick schien er langsam wieder in der Realität anzukommen. Zumindest nahm er sich langsam ein paar Pancakes, bestreut mit Puderzucker und etwas Obstsalat. Er aß es ohne ein einziges Wort.
Balda dagegen schwärmte von meinen Pancake-mit-Obstsalat-Künsten und bat mich darum, öfter das Frühstück zu machen. Ich lachte herzhaft und meinte: „Das hängt ganz davon ab, ob dein Teamkollegen mich noch öfter mitbringt." Damit hatte ich Luca wohl endgültig wieder geweckt, denn plötzlich brachte er sich wieder in das Gespräch ein: „Von mir aus könntest du jeden Tag Frühstück machen."
„Das setzt voraus, dass ich jeden Tag bei dir bin.", erwiderte ich leise und mit gesenktem Blick. Luca murmelte leise etwas auf Italienisch vor sich hin. Balda zog die Stirn in Falten und antwortete ihm ebenfalls auf Italienisch.
Luca zog den Kopf ein und blickte eingeschüchtert auf den Teller vor sich. Was hatte Balda ihm gesagt? Um die peinliche Stille zu überspielen, sprang Balda ein und meinte: „Ich weiß ja nicht, wie es mit euch aussieht, aber ich würde mir gern das Training der Moto3 anschauen. Deswegen sollte ich langsam los." „Wir kommen mit!", rief Luca schneller aus, als ich reagieren konnte.
Doch im nächsten Moment zögerte er schon wieder. „Ist das für dich okay?", fragte er vorsichtig nach. Ich nickte: „Ja, natürlich. Ich will mir das Training auch ansehen." „Sehr gut.", befand er, „Dann lass uns gehen."
„Geht schon mal vor. Ich räum hier eben auf.", lächelte Balda und stand auf. Schlechtes Gewissen überfiel mich. „Wir können dir doch eben helfen.", erwiderte ich, doch Balda lehnte entschieden ab.
Ich gab mich geschlagen und folgte Luca zurück auf seine Seite des Trucks. Wir packten schnell alles zusammen, was wir brauchten und verließen dann das Motorhome. Sorgfältig verschloss Luca die Tür. Hinter seinem Rücken kreischten schon die ersten Fangirls und der Ordner hatte alle Hände voll zu tun damit, sie hinter der Absperrung zu halten.
Luca steuerte zielstrebig auf den Roller zu. Innerlich betete ich, dass das Ding nicht ansprang. Doch das tat er natürlich ohne das geringste Zucken. Ich kletterte hinter Luca auf den Sitz und klammerte mich sofort an ihm fest.
Er gab langsam Gas und rollte auf den Ausgang zu. Dann mussten wir durch eine ordentliche Menschentraube. Ständig hatte ich Plakate, Autogrammkarten und Stifte im Gesicht, während Luca geduldig Autogramme schrieb. Einige der Gesichter, die plötzlich vor mir auftauchten und genauso schnell wieder verschwanden, erkannte ich vom Vortag wieder.
Plötzlich kreischte eine piepsige Frauenstimme: „Luca, ist das deine Freundin?" Ich erstarrte. Das Stimmgewirr um uns herum schien zu verstummen. Doch Luca ignorierte die Frage einfach.
Statt einer Antwort gab er Gas. Der Roller schob sich mit erstaunlich wenig Rücksicht durch die Fans, bis er auch das letzte Fangirl hinter sich gelassen hatte. Bis wir an der Forward-Box ankamen, sprach Luca kein Wort mehr.
„Milena hat heute Morgen schon nach dir gefragt.", sagte er dann auf einmal und absolut beiläufig. Ein wenig ungläubig sah ich ihn an. Das schien ihm aufzufallen, denn er grinste mich an und fügte hinzu: „Ich glaube, sie mag dich." „Zumindest mehr als manch anderer.", murmelte ich vor mich hin. Mein Begleiter seufzte als Antwort, doch er sagte nichts mehr dazu.
Erst als er die Tür zur Box öffnete, kam er noch mal darauf zurück: „Gib ihnen Zeit. Sie werden sich schon einkriegen." Zweifelnd hob ich eine Augenbraue, doch das sah er schon nicht mehr. Seufzend folgte ich ihm ins Innere der Box. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, fuhren die ersten Moto3-Bikes raus auf die Strecke.
In der Box wurde ich mit gemischten Gefühlen empfangen. Während einige Mechaniker rund um Mario mich nur kurz feindselig musterten, riefen mir Milena und Giovanni ein freundliches „Guten Morgen" zu, überraschenderweise beide auf Deutsch. Das entlockte mir doch noch ein Lächeln. Ich erwiderte den Gruß und folgte derweil Luca quer durch die Box bis zum Tor auf der anderen Seite. Durch das gelangten wir in die Boxengasse.
Wir setzten uns in den Kommandostand von Forward Racing. Hier konnten wir ganz unproblematisch die Session verfolgen. Es gab zig Bildschirme, auf denen Zeiten gelistet, Fahrer auf der Strecke getracket und Liveübertragungen von Fernsehbildern gezeigt wurden.
Ich suchte mir recht schnell den hellblauen Punkt heraus, der Fabio repräsentierte. Den hatte ich am Wochenende noch gar nicht gesehen. Ich beschloss, ihn später zu besuchen, wenn Luca fuhr.
Es war ungemein beruhigend, wenn der Punkt von Sektor zu Sektor rutschte und nirgends stehen blieb. So konnten man quasi durchgängig sehen, ob der Fahrer noch sein Motorrad fortbewegte. Das sagte ich auch Luca. Der fand meine Bemerkung mehr als amüsant.
Nach 40 Minuten Training lag Fabio auf Platz 8 und rollte zurück in seine Box.
In der kurzen Pause bis zum Freien Training der MotoGP sprach ich mit Luca über meine Studienpläne. Er wirkte ernsthaft interessiert und fragte mich immer weiter aus. Ich beantwortete geduldig alle seine Fragen, bis die eine kam, die ich mir selbst noch nicht beantwortet hatte: „Und wie sieht's mit dem Motorsport aus? Kannst du denn dann noch regelmäßig an der Strecke sein?"
Tief seufzend blickte ich in die Ferne, ohne wirklich etwas zu sehen. Schulterzuckend antwortete ich: „Ich habe keine Ahnung." „Oh, okay.", wenn mich nicht alles täuschte, klang Luca ein wenig enttäuscht.
Ich wusste nicht, welche Antwort er erwartet hatte. Die einzige Alternative wäre ein ‚Nein' gewesen. In meinem Inneren brodelte eine gewisse Angriffslust, doch beim Blick in seine schönen, blauen Augen, die mich mit einem unverwechselbaren Hundeblick anleuchteten, verflog diese schnell wieder.
Als die MotoGP-Piloten aus ihren Boxen in die Boxengasse und auf die Strecke rollten, beließen wir es einfach dabei. Stattdessen konzentrierten wir uns darauf, Vales Turn zu verfolgen. Am Ende waren wir mit Platz 5 für ihn eigentlich recht zufrieden.
Luca musste sich jetzt beeilen und verschwand schneller, als ich gucken konnte in seiner Box. Es dauerte nicht lang, bis die ersten Crew-Mitglieder sich auf den Weg zum Kommandostand machten.
Da zog ich mich lieber zurück und schlenderte ein wenig durch die Boxengasse. Natürlich stets darauf bedacht nirgends im Weg zu stehen. Irgendwann fand ich Fabio, der gerade seine Haare durchwuschelte und aussah, wie frisch geduscht.
Als er den Kopf wieder hob, fiel sein Blick auf mich und er fing sofort an zu grinsen. Dann winkte er mich zu sich. Seine Gesellschaft war definitiv besser als die in Lucas Box.
„Na, du bist so allein.", begrüßte er mich schmunzelnd. Ich stieg auf sein Spiel ein: „Oh ja, sooo allein. Würdest du mir Gesellschaft leisten?" „Aber sicher doch!", grinste er und hakte sich bei mir unter, „Wollen wir uns Lucas Training an der Boxenmauer ansehen?" Ich nickte. Gerade als wir uns auf den Weg machen wollten, rief eine Stimme aus seiner Box Fabio hinterher: „Sei nach dem Training bitte wieder hier!" „Ja ja, schon klar.", rief Fabio zurück.
Wir fanden einen freien Platz an der Boxenmauer in der Nähe der Yamaha-Box. Kurz nach Beginn des Trainings stieß Valentino zu uns. Er reichte mir ein Sandwich und als ich ihn nur verwirrt ansah, meinte er: „Falls du Hunger kriegen solltest." Ich bedankte mich aufrichtig. Wenn ich hungrig wurde, konnte ich unausstehlich werden.
Luca schlug sich in diesem Training nicht schlecht. Mit Platz 15 am Ende hatte er zumindest einen Grundstein für das Qualifying am Nachmittag gelegt. Doch es war Balda, der mich überraschte. Der zog mit einem unglaublichen Speed in der letzten Runde noch am Deutschen Jonas Folger vorbei und sicherte sich die schnellste Zeit.
Nach dem Training musste sich Fabio verabschieden. Obwohl es erst mal eine Mittagspause gab, musste er sich auf sein Qualifying vorbereiten. Vale zog sich ebenfalls zurück, um mit seinem Team an der Rennabstimmung zu arbeiten.
Fabio erreichte im Qualifying Platz 16, Vale beendete das 4. Freie Training auf Platz 4. Luca war seit der Mittagspause nicht mehr von meiner Seite gewichen. Wir hatten uns jeder einen Stuhl genommen und uns hinter der Box im Paddock in die Sonne gesetzt.
Luca konzentrierte sich zwischenzeitlich auf seinen Streckenplan, was mir die Gelegenheit gab, einfach ein bisschen in der Wärme zu dösen.
Jetzt waren wir aber zurück in der Box. Das Team hatte ihn sehen wollen, um die Abstimmung für das Qualifying noch einmal zu perfektionieren und eine Strategie abzusprechen. Ich hielt mich bewusst im Hintergrund und beobachtete die Szenerie. Draußen lief gerade Q1 der MotoGP. Ich hatte Luca schon gesagt, dass ich mir Q2 anschauen wollte, um zu sehen wie Vale abschnitt.
Möglichst ohne Konfrontation huschte ich aus der Box. An der Boxenmauer ließ ich mir den sanften Wind um die Nase wehen, voll mit Benzingeruch. Luca hatte mir seine Sonnenbrille geliehen, sodass ich unbemerkt die Menschen in der Boxengasse beobachten konnte, bis das Qualifying losging.
Am Ende von 15 Minuten hoffen stand Startplatz 6 für Vale. Nicht sein bestes Ergebnis und das sah man ihm auch an, als er in die Box zurückkehrte. Sein böser Blick auf den Polesetter Marquez ließ mich allerdings schmunzeln. Fast 20 Jahre im Geschäft und immer noch so heiß aufs Gewinnen, als hätte er gerade erst angefangen.
Gegenüber rollten drei Mechaniker gerade Lucas Bike aus der Box. Das hieß, ich verzog mich lieber vom Kommandostand. Auf dem Weg in Richtung eines unbesetzten Fleckens an der Boxenmauer machte ich einen Umweg über Luca, um ihm viel Glück zu wünschen. Das wurde ausnahmsweise mal nur mit bösen Blicken quittiert. Wahrscheinlich weil ich mich direkt danach wieder verzog und das Team in Ruhe auf Luca einreden ließ.
Wenn ich mir sein Qualifying so ansah, war ich mir nicht sicher, ob ihm das wirklich half. Seine Zeiten blieben relativ gleich, sodass er eigentlich die ganze Zeit nur zwischen den Plätzen 15 und 20 rotierte. Am Ende war es der 18. Startplatz für ihn.
Da war es also kein Wunder, dass sein Team ihn sofort nach dem Quali zur Nachbesprechung und Analyse forderte. Bevor er im Besprechungsraum, der sich im Teamtruck direkt hinter der Box befand, verschwand, sprach er allerdings noch mal mit mir und gab mir sogar den Schlüssel für sein Wohnmobil, falls er erst spät zurückkam oder ich mich im Fahrerlager langweilte.
Jetzt ging ich mich hier erst mal umsehen. Ich schlenderte zwischen Trucks und Wohnmobilen hin und her und versuchte mir wieder ins Gedächtnis zu rufen, was Luca mir über die jeweiligen Fahrer erzählt hatte.
Eher zufällig lief ich tatsächlich bekannten Gesichtern über den Weg, also bekannt aus dem Fernsehen. Marcel Schrötter, Sandro Cortese und Jonas Folger saßen gerade gemeinsam vor einem eher unscheinbaren, kleineren Truck und grillten. Es war Folger, der mich schließlich tatsächlich ansprach: „Hey, magst du dich kurz zu uns setzen?" „Ich?", ein wenig ungläubig legte ich den Kopf schief, doch die anderen beiden nickten nur bestätigend.
Wieso eigentlich nicht? Also ging ich rüber und setzte mich dreist, wie ich war einfach mal auf den Getränkekasten neben dem Grill. „Sandro hätte bestimmt noch einen Stuhl für dich gehabt.", warf Schrötter ein, doch ich winkte ab: „Ich bin da absolut unkompliziert." Es tat unglaublich gut, hier im Fahrerlager auch mal Deutsch zu sprechen, und verstanden zu werden.
„Okay, okay. Wie wäre es, wenn wir uns erst mal vorstellen?", ging Jonas dazwischen und streckte mir die Hand hin, „Ich bin Jonas." Ich nahm seine Hand entgegen und antwortete ihm: „Hi, ich bin Vanessa." „Ich hab dich bei den letzten Rennen schon ein paar Mal an der Strecke gesehen. Hast du was mit Forward zu tun?"
„Hey!", rief Schrötter dazwischen und Cortese stimmte ein: „Wir wollen uns auch vorstellen!" „Dann macht das doch.", zuckte ich lachend mit den Schultern.
Also schüttelte ich auch noch deren Hände.
„So, zurück zu meiner Frage.", Jonas wurde ungeduldig. „Nicht direkt.", erklärte ich, „Ich hab mich am Sachsenring mit Luca Marini unterhalten und irgendwie haben wir uns ziemlich gut verstanden. Eigentlich bin ich nur deswegen ständig an der Strecke." „Also seid ihr zusammen?", hakte Sandro nach, während Marcel das Fleisch auf dem Grill wendete.
Für einen Moment verschlug es mir die Sprache. Doch dann rang ich mich zu einem Kopfschütteln durch: „Nein, sind wir nicht." „Aber du wärst es gern?", fragte er noch weiter. Das war jetzt aber ziemlich persönlich. Ich zog die Augenbrauen nach oben und entgegnete: „Äh, was?"
Marcel schritt ein: „Ist ja auch egal, Sandro. Das werden die beiden ja wohl allein klären können. Aber cool, dass du so oft an der Strecke bist. Wie kommt's denn?" „Mein Bruder fährt seit 4 Jahren. Im Moment noch Minibike, aber am Sachsenring hat er einen Gaststart im Junior Cup gemacht.", ich wusste, dass alle drei selbst im ADAC Minibike Cup und im ADAC Junior Cup gefahren waren.
Eine Weile ließ ich mich noch ausfragen, doch dann wurde langsam das Fleisch fertig und ich wollte nicht beim Essen stören. Aus diesem Grund verabschiedete ich mich und setzte meine Tour durch das Fahrerlager fort.
Während ich so umher schlenderte und die Fans auf Autogrammjagd beobachtete, dachte ich über Luca nach. Sobald er die Boxengasse betrat, wirkte er angespannt. Überhaupt nicht so wie ich ihn abends in seinem Wohntruck kennengelernt hatte. Man spürte, dass er mit dem Motorrad aktuell nicht zufrieden war.
Eine Stimme, die meinen Namen rief, riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah mich um und stellte fest, dass ich direkt vor der Yamaha-Hospitality stand. Und es waren einige blau gekleidete Mechaniker, die mir zuwinkten und mich riefen.
Es war ein Teil von Vales Team und offensichtlich hatten sie mich wiedererkannt. Nur leider kriegte ich ihre Namen nicht mehr auf die Reihe. Trotzdem ging ich rüber, um sie zu begrüßen.
„Komm doch kurz mit rein. Dann bist du nicht so allein. Wir wollen eine kurze Pause machen, bevor wir die letzten Änderungen an Vales Motorrad machen.", schlug einer von ihnen vor. „Klar, wieso nicht.", stimmte ich zu und folgte ihnen in die Hospitality.
Drinnen war bereits ein langer Tisch besetzt. Doch wir steuerten einen Tisch am entgegengesetzten Ende des Raumes an.
„Das da drüben ist das Team von Lorenzo.", zischte mir einer erklärend ins Ohr. Jetzt wurde mir so einiges klar. Dass Vale und sein Teamkollege sich nicht sonderlich gut verstanden, war schließlich kein Geheimnis.
Ich hatte wirklich Spaß mit Vales Team. Es war ein sehr familiäres Verhältnis zwischen den Männern. Sie neckten sich gegenseitig, konnten lästern wie Waschweiber und hatten einen wirklich schwarzen Humor. Ich lachte viel und das, obwohl ich selbst nach einer Stunde keinen einzigen Namen auf die Reihe bekam.
Irgendwann waren wir dem Team um Lorenzo wohl etwas zu laut. Jorge Lorenzo höchstpersönlich beschwerte sich nicht nur einmal. Schließlich packte er sogar vor Wut schäumend seine Sache und verzog sich.
Gegen sieben Uhr abends ging ich zurück zu Lucas Motorhome. Ich musste zwar kurz mit dem Security-Menschen diskutieren, doch dann erkannte er mich wieder und ließ mich durch. Hinter meinem Rücken hörte ich die genervten Proteste einiger Fangirls. Die ignorierte ich aber und schloss die Tür des Trucks hinter mir.
Langsam bekam ich Hunger, also sah ich mich in der Küche um. Irgendwas Essbares musste hier ja zu finden sein. Es war tatsächlich nicht so schwer, Zutaten für eine Hackfleisch-Käse-Lauch-Suppe zu finden. Da könnte ich persönlich mich ja reinlegen. Ich hoffte nur, dass Luca die auch mochte.
Die Suppe war schon eine ganze Weile fertig, aber Luca war noch nicht zurück. Ich saß auf der Couch und zappte ein wenig durch die Fernsehprogramme, italienische Fernsehprogramme wohlgemerkt.
Das Geräusch der Tür erweckte meine Aufmerksamkeit. Luca war zurück. „Hey, angioletto.", begrüßte er mich. Er sah wirklich müde aus. Ich stand auf und fragte ihn: „Hey Luca, hast du Hunger?"
Ihm fielen fast die Augen aus, als er mich fragte: „Hast du etwa gekocht?" Ich nickte und er zog mich schwungvoll in seine Arme. „Oh, tigrotta.", hauchte er in meinen Nacken, „Du rettest meinen Tag." Lachend löste ich mich von ihm und führte ihn in die Küche.
Eigentlich hatten wir beschlossen nach dem Essen noch ein wenig fernzusehen. Doch kaum dass Lucas Hintern die Couch berührte, begann er herzhaft zu gähnen. Schmunzelnd stellte ich mich genau vor ihn und meinte: „Ich glaube, wir sollten doch gleich ins Bett." „Ja, vermutlich hast du recht.", seufzte er und stand ebenfalls auf.
Nachdem wir uns beide bettfertig gemacht hatten, kuschelten wir uns unter die Decke. Ich schmiegte mich an seinen schlanken Körper und ließ meinen Kopf auf seiner Schulter ruhen. „Schlaf gut, micina.", flüsterte Luca. Knurrend murmelte ich so was wie eine Zustimmung und rutschte noch einmal zurecht. Ich war schneller eingeschlafen, als ich bis drei zählen konnte.
Ich war mir nicht sicher, was mich geweckt hatte. Nur ganz leicht hob ich den Kopf und stellte fest, dass es schon hell war. Lucas Atem kitzelte in meinem Nacken, als er lautlos lachte. „Guten Morgen, belleza.", wünschte er mir mit rauer Stimme, „Lorri war eben schon hier und hat gefragt, ob wir mit ihm frühstücken."
„Das klingt gut.", meinte ich, bestärkt durch kräftiges Nicken meinerseits. Luca lachte wieder und warf ein: „Ich glaube aber nicht, dass er Pancakes gemacht hat." „Mir reicht eigentlich schon ein Apfel.", ich zuckte mit den Schultern und setzte mich auf.
Lucas Augen folgten meinen Bewegungen ganz genau. Ich spürte seinen Blick auf mir, als ich aufstand und Klamotten aus meiner Tasche suchte. „Wenn's um Essen geht, bist du schnell, oder?", neckte er mich. Ich war die Jeans, die ich gerade herausgefischt hatte, nach ihm. Unbeeindruckt fing er sie in der Luft. Seufzend stieß ich die Luft aus und gab zu: „Leider wahr. Ich liebe gutes Essen einfach." „Dann wirst du Italien auch lieben.", lächelte er mich sanft an. „Das befürchte ich.", erwiderte ich.
Balda hatte tatsächlich keine Pancakes gemacht. Dafür war der Tisch voll beladen mit Obst, Wurst, Käse und Brötchen. Daneben standen noch drei verschiedene Sorten Müsli. „Hey, guten Morgen. Ich wusste nicht, was du magst.", begrüßte er mich, „Was willst du trinken?" „Tee bitte. Wow, das sieht echt gut aus. Danke, Balda.", erwiderte ich und erlaubte es mir, mich zu setzen.
Während ich mein Müsli mit Obst und Naturjoghurt frühstückte, fragte Luca plötzlich: „Willst du heute mit in die Box?" In meinem Inneren rebellierte etwas sofort. „Was wäre denn die Alternative?", fragte ich mehr aus Reflex. Ich bereute es sofort. Schließlich wollte ich nicht, dass Luca dachte, ich wollte nicht bei ihm sein.
Doch er zeigte keine Spur von Enttäuschung, als er erwiderte: „Na ja, mit dem Ticket kommst du auf die VIP-Tribüne. Da könntest du alle Rennen sehen und wirst zusätzlich noch umsorgt. Da wüsste ich auch, dass es dir definitiv gut geht." „Klingt tatsächlich verlockend.", überlegte ich.
„Mach das!", meinte Luca und Balda warf unterstützend ein: „In der Box fühlst du dich eh nicht so wohl. Das wissen wir. Deswegen haben wir darüber gesprochen." „Na gut. Ich werde mir den Spaß heute auf der Tribüne anschauen.", stimmte ich schließlich zu.
Ich wandte meinen Blick zu Luca. Seine Augen hatten wieder dieses stürmische graublau. Er wirkte zwar äußerlich zufrieden mit der Entscheidung, doch wenn man in seine schönen Augen sah, wurde deutlich, dass er mit sich selbst kämpfte.
Balda sprach ihn auf Italienisch an. Luca biss sich auf die Lippen und sah zur Seite. Wieder sagte Balda etwas. Luca sah auf und erwiderte etwas. Er wirkte gefasst und überzeugt von dem, was auch immer er da sagte.
„Ich komme sofort nach meinem Rennen zu dir, okay?", wandte sich Luca plötzlich an mich. Ich nickte und sah auf die Uhr. Es wurde Zeit für die beiden. „Geht ihr rüber in die Box.", wies ich sie an, „Ich räume hier auf und geh dann auf die Tribüne." „Weißt du, wo du hinmusst?", fragte Balda mit gerunzelter Stirn. Ich winkte ab: „Das finde ich schon." „In Ordnung.", nickte Balda, „Dann sollten wir wohl los."
Ich stand mit beiden vom Tisch auf. Balda nahm ich nur kurz in dem Arm, um ihm ein erfolgreiches Rennen zu wünschen. Luca dagegen schloss mich in eine enge Umarmung, die für Freunde deutlich zu lang war. Doch ich genoss seine Nähe. „Viel Glück.", flüsterte ich und drückte ihn noch mal fest an mich.
Dann mussten sich die beiden verabschieden. Ich sah ihnen noch eine Weile nach, obwohl ich sie durch die geschlossene Küchentür schon lange nicht mehr sehen konnte. Schließlich räumte ich den Tisch ab und verstaute alles in den Schränken. Na hoffentlich in den Richtigen.
Anschließend warf ich einen prüfenden Blick in den Spiegel und machte mich tageslichttauglich. Damit war es wohl soweit. Ich sollte langsam los, wenn ich nichts verpassen wollte.
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Italian Dream
Fiksi PenggemarFür sie ändert sich an einem Wochenende das ganze Leben. Für ihn auch, nur weiß sie das nicht und wird es so schnell auch nicht erfahren. Oder doch? Luca Marini ist ein junger, ambitionierter Motorradrennfahrer, gerade frisch in die Weltmeisterschaf...