Lilia hatte recht. Wenn ich wirklich Gewissheit über meine Gefühle bekommen wollte, aber vor allem, wenn ich glücklich werden wollte, dann musste ich wohl oder übel etwas dafür tun.
Ein wenig flau im Magen war mir schon, als ich am Freitagmorgen ins Auto stieg. Mein Kofferraum war voll mit den Sachen, die ich in der letzten Zeit mit bei meinen Eltern gehabt hatte. Meinen Eltern hatte ich gesagt, dass ich direkt zurück nach Gelsenkirchen fuhr. Doch eigentlich war der Plan, einen Umweg über Frankfurt zu machen.
Nachdem mein kleiner BMW vollgetankt war, steuerte ich die Autobahn an. Ich hatte mein Handy über ein AUX-Kabel mit dem Autoradio verbunden und konnte so meine Spotify-Playlist hören.
Auf den Gedanken, dass das vielleicht keine gute Idee war, kam ich erst, als die ersten italienischen Lieder aus den Lautsprechern zu hören waren.
Jawohl, alles richtig gemacht. Jetzt saß ich hier in meinem Auto mitten auf der A4 und heulte mir die Augen aus. Ich ertrug einfach diese Erinnerungen nicht. Mein mühsam zusammen geflicktes Herz begann wieder zu bluten.
Ich konnte wohl doch nicht leugnen, dass ich Luca vermisste. Bloß gut, dass ich allein im Auto saß. So sollte mich niemand sehen. Nur war es vielleicht auch nicht unbedingt die beste Idee, mit komplett verheulten Augen bei Marec aufzulaufen.
Also tippte ich auf meinem Handydisplay solange auf die Weiter-Taste, bis das letzte italienische Lied verklungen war. Stattdessen drehte ich jetzt eine bunte Mischung aus Eminem, Sunrise Avenue und allerlei aktuellen Pop-Songs laut. Ich verwandelte mein Auto in eine fahrende Karaoke-Bar und vertrieb so jeden Gedanken an Luca.
Nach drei Stunden und elf Minuten parkte ich mein Auto auf der Straße vor dem Haus, in dem Marec wohnte. Als ich ausgestiegen war, sah ich mich um. Ich konnte das Auto von Marecs Eltern nicht entdecken. Das wäre ja nur gut für mich. Es war wohl besser, wenn Marec und ich allein waren.
Ich schnappte mir meine Handtasche, in die ich zur Sicherheit schon mal frische Unterwäsche und Schlafsachen gestopft hatte, vom Beifahrersitz. Konnte ja keiner vorhersehen, wie das geplante Gespräch gleich ablaufen würde und ob ich danach noch weit würde fahren können. Zum Glück wohnten Beas Eltern nur etwa eine halbe Stunde Fahrt von Marec entfernt und soweit ich wusste, war sie gerade dort. Im Notfall könnte ich also dort unterkommen.
Als ich die Autotür hinter mir ins Schloss warf, fiel mir das schmale Armband an meinem Handgelenk auf. Ich hatte es bisher noch nicht abnehmen können. Doch vielleicht war jetzt der Moment gekommen. Mit zittrigen Fingern löste ich den Verschluss und nahm das Armband ab. Für eine schmerzhaft lange Sekunde trieb mir dieses Loch in meinem Herzen die Tränen in die Augen. Das Armband packte ich in mein Portemonnaie, dort konnte es nicht so schnell verloren gehen. Dann machte ich mich auf den Weg zu Marec.
Vor der Haustür angekommen zögerte ich. Sollte ich einfach klingeln und hoffen, dass Marec mir öffnete? War er überhaupt zuhause?
Zögerlich holte ich mein Handy aus meiner Hosentasche. Sollte ich ihn anrufen? Aber wir telefonierten so gut wie nie, das wäre schon etwas auffällig. Andererseits stand ich jetzt vor seiner Haustür, das machte ich sonst ja auch nicht. Trotzdem schrieb ich ihm lieber erst mal eine Nachricht.
Hey, bist du zuhause?
Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen, während ich auf eine Antwort wartete. Warum brauchte er eigentlich so lange?
Ja, zocke gerade mit Tino und wollte mich später noch mit Kevin treffen. Wieso?
Ja, wieso? Wie sagte man am besten, dass man vor der Tür stand?
Lässt du mich rein?
Es dauerte eine Weile, bis die Häkchen hinter der Nachricht blau wurden. Und auch danach musste ich auf eine Antwort warten. So langsam kam ich mir doch ein bisschen blöd vor.
Das ist dein Ernst, oder?
Nein, weißt du, ich dachte mir, es wäre ganz lustig, dich mal ohne Grund vor die Tür zu jagen. Siehst du mein Augen-Verdrehen?
Okay, die Antwort klang vielleicht ein bisschen genervt, aber inzwischen wurde ich aus jedem Fenster in der Nachbarschaft beobachtet.
Der Türsummer, der plötzlich neben meinem Kopf losging, jagte mir einen gehörigen Schrecken in die Glieder. Zum Glück hatte ich schon an der Tür gelehnt, sonst hätte ich wohl ganz vergessen, dagegen zu drücken.
Ich ließ mir mehr Zeit als nötig, um die Treppe in die erste Etage nach oben zu steigen. Aus der halb offenen Wohnungstür strahlte kaum Licht ins Treppenhaus. Nur vage konnte ich Marecs Schatten im Türrahmen ausmachen.
Bis er auf die Idee kam, den Lichtschalter zu betätigen. Das unnatürlich weiße Licht der Deckenlampe erhellte Marecs Gesicht. Ich konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht definieren. Doch so, wie er dort stand, ein viel zu weites Shirt und Jogginghosen an, ein Hosenbein nach oben gerutscht, trieb es mir Lächeln auf die Lippen.
Seine dunklen Haare waren so herrlich sexy verwuschelt, nicht wie sonst perfekt gestylt. Und genau durch dieses Durcheinander fuhr er jetzt mit seiner Hand und prompt schossen mir Bilder von Luca durch den Kopf.
Mein Lächeln gefror. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, während ich die letzte Stufe erklomm. Jetzt stand ich also vor ihm. Marecs Mundwinkel zuckten und lachte er kurz ungläubig auf.
„Das ist echt das Letzte, womit ich heute Abend gerechnet hätte.", sagte er schließlich. Tja, damit war er nicht allein. Noch heute Morgen hätte ich kein Geld darauf gesetzt, dass ich es wirklich durchzog.
Und dann endlich löste er die seltsame Anspannung zwischen uns, indem er mich in seine Arme zog. Ich atmete tief ein, wollte möglichst viel von seiner Anwesenheit in mich aufsaugen. Vielleicht gab mir das ja noch ein wenig Mut. Marec war noch mal ein paar Zentimeter größer als Luca, sodass ich das Gesicht wunderbar im Stoff seines T-Shirts vergraben konnte.
„Schön, dass du hier bist.", Marec seufzte leise, „Lass uns reingehen." Dann löste er sich viel zu schnell wieder von mir und trat einen Schritt zurück. Um nicht allzu enttäuscht auszusehen, bückte ich mich nach unten und zog mir die Schuhe aus.
In der Wohnung schlug Marec direkt den Weg nach links in sein Zimmer ein. Ich schloss die Wohnungstür hinter mir und folgte ihm dann. Als ich reinkam, drückte er gerade ein paar Knöpfe auf seinem Controller, kurz darauf wurde der Bildschirm des Fernsehers schwarz. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, griff Marec nach seinem Handy auf dem Schreibtisch.
„Setz dich schon mal.", er nickte in Richtung seines Bettes, „Ich will nur schnell Kevin absagen." Also schob ich mir sein Kissen so zurecht, dass ich mich bequem anlehnen konnte, und setzte mich. Keine Minute später warf Marec das Handy wieder zurück auf den Schreibtisch und kam zu mir.
Eine Weile saßen wir nur stumm nebeneinander. Irgendwie fand ich keinen richtigen Anfang. Vielleicht sollte ich irgendwas Unverfängliches sagen, doch mir wollte einfach nicht das Richtige einfallen.
Zum Glück nahm Marec mir das ab: „Versteh mich nicht falsch, ich freue mich wirklich, dass du hier bist, aber was verschafft mir die Ehre?" Okay, dann fielen wir wohl doch gleich mit der Tür ins Haus. Verlegen suchte ich nach der passenden Antwort. Ich wollte immerhin nicht gleich wieder rausgeschmissen werden.
„Ich dachte, wir sollten mal reden.", sagte ich schließlich vage. Reden war ja schon immer das, was bei Marec am besten funktionierte... nicht.
Doch er überraschte mich immer wieder: „Ich glaube, da hast du recht." Wieder war es eine Weile still. Wir wussten wohl beide immer noch nicht, womit wir anfangen sollten.
„Erinnerst du dich an den Abend am Sachsenring 2014?", fragte Marec unvermittelt. Ich musste nicht lange überlegen. „Dein letztes Minibike-Rennen.", sagte ich mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen. Der Abend, an dem mir klar wurde, dass ich nicht ohne ihn konnte. Der Abend, an dem ich plötzlich all die seltsamen Gefühle der letzten Monate verstanden hatte.
Marec senkte den Blick auf seine Hände. Die spielten nervös mit einer Ecke seiner Decke. Er brauchte einen Moment zum Antworten: „Ich habe oft über diesen Abend nachgedacht. Ich hatte Angst damals und hab uns damit ziemlich viel kaputt gemacht." „Marec, du warst damals 15, ich gerade 17 geworden. Ich glaube nicht, dass wir an diesem Abend irgendwas hätten richtig machen können."
„Vielleicht nicht an diesem Abend.", er seufzte schwer. Ich wusste, worauf er hinaus wollte. In dieser Sommernacht 2015 war ein kleiner Teil meiner heilen Welt für immer zerbrochen. Dieser Moment war jetzt fast zwei Jahre her und trotzdem war die Erinnerung so lebendig wie am ersten Tag.
Ich atmete einmal tief durch. Ja, dieser Abend hatte viel kaputt gemacht. Manchmal bereute ich noch immer, dass ich Marec damals meine Gefühle für ihn gestanden hatte. Vielleicht sollte ich auch jetzt lieber nichts zu ihm sagen. Seine Antwort war noch zu präsent in meinem Kopf: „Mach keinen Scherz. Es passt doch so gut zwischen uns so als Freunde. Willst du das wirklich kaputt machen?" Tja, das hatte ich in dem Moment getan, in dem ich den Mund aufgemacht hatte.
Marecs Stimme zerschnitt rau die Stille: „Wenn ich gewusst hätte, wie beschissen es ist, dich mit einem anderen zu sehen, hätte ich an diesem Abend anders reagiert." „Weißt du, wie beschissen es war, so zu tun, als wäre alles normal?", fragte ich traurig.
„Es war nicht normal.", entgegnete er, „Ich hab angefangen nachzudenken. Das hätte ich vielleicht früher schon mal tun sollen. Aber nach diesem Abend, da warst du ständig in meinem Kopf und als du dann den Marini angeschleppt hast, da ist eine Sicherung durchgebrannt." „Was hätte ich denn tun sollen? Ich konnte ja nicht ewig auf dich warten. Du hattest mir ja deutlich gesagt, dass du das nicht wolltest.", ich konnte nichts für den bissigen Unterton.
Doch Marec ließ sich davon nicht beirren: „Das sollte kein Angriff sein. Eher so was wie ein Rechtfertigungsversuch meinerseits." Ich seufzte tief. Hoffentlich war es das Wert, hier die alten Wunden neu aufzureißen, obwohl die aktuellsten noch nicht mal verheilt waren.
Ich winkelte die Beine an, schlang meine Arme um meine Schienbeine und legte mein Kinn auf meinen Knien ab.
„Es... hat mich verrückt gemacht, zu wissen, dass du ihm quasi durch ganz Europa hinterher reist und ich nix dagegen tun kann. Zu wissen, dass du... ihn küsst, obwohl ich die Chance gehabt hätte. Dass du in seinem Bett liegst und nicht in meinem.", Marecs Stimme brach. Wieder fuhr er sich durch die Haare. Wieder tauchte Luca vor meinem inneren Auge auf.
Marec setzte erneut an: „Ich hab mich dir gegenüber ziemlich scheiße verhalten und hätte damit fast noch den letzten Rest unserer Freundschaft zerstört. Verzeihst du mir?" Ich vertraute meiner Stimme nicht, also beließ ich es bei einem Nicken. Sähe die Situation anders aus, hätte ich nicht vor seiner Tür gestanden.
„Wie geht es jetzt weiter?", die Frage auf den Lippen drehte ich mich zu ihm um und sah ihn an. Heiß und brennend, wie flüssige Lava, fraß sich sein glühender Blick in mein Bewusstsein. Diese braunen Augen mit dem kleinen grünen Fleck waren so anders als Lucas mitreißendes Karibikwasserblau.
Langsam umfloss mich die Wärme, ja schon fast Hitze, die von seinem Blick ausging und hüllte mich wohlig ein. Ich vergaß meine Frage. Mein Kopf war leer, die Sorgen der letzten Stunden verschwunden.
So versunken bemerkte ich die langsame Bewegung kaum, mit der sich Marec mir näherte. Die Luft zwischen uns knisterte vor Anspannung. Automatisch rutschten meine Beine wieder nach unten, als ich meine Arme neben mir abstützte. Zögerlich rutschte Marec näher an mich heran. Der Sicherheitsabstand, den wir bis eben fast schon einvernehmlich eingehalten hatten, um uns nicht zufällig zu berühren, verschwand langsam.
Stattdessen schob Marec sanft seine linke Hand in meinen Nacken, griff vorsichtig in meine Haare. Mein Atem geriet ins Stocken. Unwillkürlich öffnete ich leicht meine Lippen.
Marec unterbrach unseren Blickkontakt, indem er sich näher zu mir beugte. Plötzlich hüllte mich sein seit Jahren so vertrauter Geruch ein und alles wirkte auf einen Schlag ganz leicht. Es war ganz leicht, die Augen zu schließen und mich einfach der Erwartung hinzugeben. Es war ganz leicht, ihm ein wenig meinen Kopf entgegen zu heben. Es war ganz leicht, seinen warmen Atem auf meinen Lippen zu spüren und ihm auf den letzten Zentimetern entgegenzukommen.
Es hatte etwas Unschuldiges, als unsere Lippen aufeinandertrafen. Ein bisschen war es wie der allererste Kuss. Zurückhaltend und zögerlich und vielleicht auch ein bisschen unbeholfen. Ich erwiderte den sanften Druck seiner Lippen genauso weich.
Nur einen Moment später zog er sich schon wieder zurück. Seine Hand verschwand aus meinem Nacken. Verlegen senkte ich den Blick und leckte mir nachdenklich über die Lippen.
„Man will immer das, was man nicht haben kann.", flüsterte ich. „Man oder Mann?", versuchte Marec einen müden Scherz. Ich zuckte mit den Schultern: „Passt beides."
Marec sah mich von der Seite an und fragte vorsichtig: „Und wie sieht es jetzt aus?" „Hm?", ich wusste nicht so richtig, was er meinte. Sein Kuss hatte mich aus dem Konzept gebracht. „Kann ich dich jetzt haben?", fragte er noch mal nach, „Kriege ich einen Versuch?"
Ich musste ein wenig schmunzeln. Warnend hob ich den Zeigefinger: „Aber wirklich nur einen." Marec lachte auf und irgendwie befreit stimmte ich mit ein.
Später am Abend, ja eigentlich schon in der Nacht, lag ich noch immer wach. Marec schlief schon eine ganze Weile neben mir. Nach unserem Gespräch hatte ich mich doch dazu entschieden, zu bleiben. Wenigstens heute Nacht.
Doch ich konnte nicht schlafen. Ich wusste nicht, ob das hier, etwas mit Marec anzufangen, die richtige Entscheidung war. Es fühlte sich anders an als mit Luca. Weniger leidenschaftlich, irgendwie kühler. >Emotionslos<, piepste eine fiese Stimme in meinem Hinterkopf.
Energisch drehte ich mich auf die andere Seite, um diesen Gedanken zu vertreiben. Wir mussten uns eben erst auf dieser Ebene kennenlernen. Da konnte nicht alles auf Anhieb heiß und innig funktionieren.
Schließlich griff ich zu meinem Handy, um mich ein wenig abzulenken. Wenn ich noch eine Weile durch Facebook und Instagram stöberte, wurde ich normalerweise immer müde. Vielleicht sollte ich mich bei Vale melden. Oder bei Fabio.
Hey, ich habe mit Marec gesprochen. Wir wollen es zumindest miteinander probieren.
Ich war nicht wirklich zufrieden mit dem, was ich da getippt hatte. Trotzdem schickte ich den Text an beide ab. Vielleicht verstanden sie mich ja trotzdem.
Hinter mir lag eine Wüste, verbranntes Land. Keine Menschenseele war dort weit und breit zu sehen. Die Hitze hatte einst grüne Äste zu vertrockneten Stöckchen auf dem hellen Sandboden gemacht. Der Wind wirbelte Staub auf und formte daraus willkürliche Figuren in der Luft.
Ich wandte den Blick ab, sah nach vorn. Dort lag das genaue Gegenteil. Ein wilder Fluss schlängelte sich durch die scharfen Kanten des Ufers. Die Umgebung war grün und fruchtbar. Doch auch hier war ich allein.
Eigentlich sollte die Entscheidung für eine Seite doch leicht sein. Hier verbrannte Erde, da fruchtbare Wiesen. Und trotzdem stand ich hier zwischendrin, konnte nicht vor und nicht zurückgehen.
Moment, ich konnte überhaupt nicht gehen! Panisch sah ich nach unten auf meine Füße. Die den Boden nicht mehr berührten!
Erst eine Sekunde später fiel mir auf, dass ich an zwei Seilen hing. Es war nicht erkennbar, wo diese befestigt waren. Sie reichten immer weiter nach oben, bis sie irgendwann aus meinem Sichtfeld verschwanden.
Mit meinen Händen umklammerte ich beide Seile fest. Wollte ich zulassen, dass mich eines der Seile auf eine Seite zog, musste ich eigentlich nur das andere loslassen. Doch ich konnte nicht. Meine Hände machten nicht das, was ich ihnen sagte. Sie ließen mich hier einfach zwischen diesen Seilen hängen.
Ein fieses Piepsen durchschnitt die Stille. Müde hob ich den Kopf ein kleines Stück an. Marec war schon aufgesprungen und zu seinem Schreibtisch gestolpert. Mit dem Handy in der Hand kam er zurück zum Bett und setzte sich wieder.
Entschuldigend lächelte er mich an: „Entschuldige bitte. Meine Eltern kommen in zwei Stunden wieder und ich muss noch ein bisschen Ordnung machen." So langsam wurde ich auch immer wacher. Ich streckte mich, so gut das unter der Decke eben ging. „Ist schon okay.", meinte ich dann, „Ich muss eh weiter." Er sah ein wenig enttäuscht aus, doch er sagte nichts dazu.
Stattdessen ging er zuerst ins Bad, während ich auf meiner Seite des Bettes nach meinem Handy wühlte. Ich fand es schließlich unter meinem Kissen. Schon aus Routine warf ich morgens einen kurzen Blick auf das Display, um zu sehen, was es Neues gab. Doch heute fiel mir das Handy direkt mal wieder aus der Hand. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Glückwunsch. Ich wünsche euch alles Gute. Wobei nein, ich wünsche DIR alles Gute. Ihm wünsche ich eigentlich, dass er aus dem Fenster fällt.
Luca.
Als Marec wieder im Zimmer auftauchte, versteckte ich instinktiv das Handy hinter mir. „Ist alles okay?", fragte er. Ich nickte, sagte aber nichts weiter dazu. Er sollte nicht merken, dass mich diese Nachricht mehr beschäftigte, als sie sollte.
Während Marec die Spuren der letzten Tage alleine zuhause beseitigte, packte ich meine Sachen zusammen und ging ins Bad. Die ganze Zeit über spürte ich mein Handy in meiner Hosentasche. Wollte ich die Nachricht beantworten?
„Ich wäre dann jetzt soweit.", ich zog mir schon mal meine Jacke an. Marec räumte gerade seine benutzten Teller in die Spülmaschine. Er sah auf und nickte dann. „Okay.", seufzte er, „Ich bring dich noch eben runter."
Es wurde eine eher knappe Verabschiedung. Ein kurzer Kuss und eine Umarmung, dann war Marec schon wieder auf dem Weg in die Wohnung. Ich seufzte schwermütig, als ich mich auf den Fahrersitz meines Autos setzte und mich auf den Weg nach Gelsenkirchen machte.
Erst als ich auf die Autobahn auffuhr, fiel mir mein seltsamer Traum der letzten Nacht wieder ein. Und diesem Moment kam es mir vor, als könnte ich die zwei Seile spüren, wie sie an mir zerrten. Das eine, das mich zu Marec zog und wollte, dass ich in Frankfurt blieb und das andere, das mich unmissverständlich dazu aufforderte, endlich den Weg Richtung Italien einzuschlagen.
DU LIEST GERADE
Italian Dream
FanfictionFür sie ändert sich an einem Wochenende das ganze Leben. Für ihn auch, nur weiß sie das nicht und wird es so schnell auch nicht erfahren. Oder doch? Luca Marini ist ein junger, ambitionierter Motorradrennfahrer, gerade frisch in die Weltmeisterschaf...