Überraschung

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Die VIP-Tribüne konnte man als echten Luxustempel direkt an der Start-Ziel-Geraden bezeichnen. Ein Metalltor trennte die überdachte und erhöhte Tribüne vom Fußweg davor. Die Security kontrollierte hier ganz genau, wer durch das Tor gehen durfte.
Eine mit Teppich belegte Treppe führte nach oben zu den Sitzplätzen. Bei denen handelte es sich nicht um zusammenhängende Sitzbänke, sondern tatsächlich um einzelne, gepolsterte Stühle.
Ich hatte einen Platz ganz vorn. Der Blick auf die Gerade war atemberaubend. Auch die Boxengasse konnte man von hier aus ganz gut erkennen. Ich suchte nach der Forward-Box, doch deren Tor war noch geschlossen.
Gegenüber der Tribüne waren zwei Monitore aufgestellt. Auf einem von beiden sah man die Fernsehbilder, auf dem Zweiten wurde ständig die Zeitenliste aktualisiert.
Ich war froh, hier unter dem Dach sitzen zu können. Es schüttete wie aus Kübeln. Bei diesem Mistwetter fuhren alle drei Klassen ihre Warm Ups.
Fabio kämpfte mit der nassen Strecke und fuhr nur auf Platz 30. Dagegen zeigte Luca sich von einer deutlich besseren Seite, als noch am Vortag und als am Sachsenring, wo er mit dem Regen nicht wirklich klargekommen war. Als 9. kehrte er in die Box zurück. Ich konnte sogar von hier die Erleichterung sehen. Nur war das hier eben noch nicht das Rennen. Beim Warm Up der MotoGP ließ der Regen nach. Vales Name stand am Ende trotzdem nur auf Platz 10.
In der Pause zwischen den Warm Ups und den Rennen wurde ich mit Snacks und Tee versorgt. Außerdem bekam ich eine Decke, denn durch den Regen war es heute deutlich kühler als am Vortag. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Glücklicherweise verzogen sich die dunklen Wolken ein wenig und der Regen hörte auf.
So ganz ohne Begleitung war die Pause doch recht langweilig. Ich sah mich auf der Tribüne um und fühlte mich völlig fehl am Platz. Die meisten Plätze waren von Anzugträgern oder Frauen in schicken Kleidern besetzt. Vermutlich schickten die meisten Teams ihre Sponsoren hierher. Dass ich durchaus kritisch beäugt wurde, blieb mir absolut nicht verborgen. Die beiden Plätze neben mir waren zum Glück frei, sodass ich wenigstens entspannt hier sitzen konnte.
Dachte ich zumindest. Ungefähr zwanzig Minuten vor dem Rennstart der Moto3 setzte sich jemand links neben mich. Ich sah stocksteif nach vorn auf den Bildschirm. Neben fremden Leuten zu sitzen war nicht unbedingt meine Lieblingsbeschäftigung.
Na Vanessa.", sprach mich mein Nachbar plötzlich an, „Bereit für die Rennen?" Mein Kopf schoss erschrocken nach oben. Ich sah mich Emanuele gegenüber, einer der wenigen Mechaniker von Luca, die mich anscheinend leiden konnten.
Ein leichtes Lächeln erschien auf meinen Lippen und ich antwortete ihm: „Hey Emanuele. Ja, ich denke schon." „Das Wetter spielt ja nicht unbedingt mit.", meinte er beiläufig und sah nach unten auf die Gerade. Dort sammelten sich langsam die Moto3-Teams um ihre Fahrer für die Startaufstellung. Es hatte sich wieder zugezogen und auch der Regen hatte wieder angefangen.
Einfach übel.", seufzte ich und musterte nachdenklich die Boxengasse, „Aber Luca hat sich doch vorhin ganz gut geschlagen, oder?" „Das schon. Aber vorhin sind auch nicht alle Fahrer auf der Piste gewesen und die, die gefahren sind, haben fast alle langsam gemacht und sich nur die Streckenverhältnisse angeschaut. Das hat also nicht so viel zu sagen.", erklärte er ernst.
Nach einem Moment der Stille fragte Lucas Mechaniker plötzlich nach meiner Familie: „Wie geht's eigentlich deinem Bruder? Das war doch der Rennfahrer, oder?" Ich war etwas überrascht von seiner Frage, deshalb brachte ich zunächst nur eine knappe Antwort heraus: „Äh, ja. Gut."
Emanuele war offensichtlich irritiert von meinen wenigen Worten. Nervös spielte ich mit einer Haarsträhne und räusperte mich: „Also, ja. Mein Bruder ist der Rennfahrer in der Familie. Ich denke, es geht ihm gut. Ich sehe ihn nur selten."
Oh.", machte er, „Warum das denn?" „Ich bin erst vor knapp zwei Monaten von zuhause ausgezogen. Also mehr oder weniger. Im Moment arbeite ich für drei Monate, damit ich mir mein Studium ab September finanzieren kann. Dafür wohne ich in einem Hotel. Danach werde ich wohl ins Studentenwohnheim ziehen. Und das alles ist über 400 Kilometer von zuhause weg.", erklärte ich meine aktuelle Lebenssituation.
Der dunkelhaarige Mann neben mir wirkte beeindruckt. Er blies die Wangen auf und richtete seinen Blick in die Ferne.
Das klingt nicht einfach.", fand er, „So ganz alleine." „Das mag sein, aber ich denke, ich krieg das schon hin.", erwiderte ich lächelnd und beobachtete das Treiben unten in der Startaufstellung.
Emanuele aber war noch nicht fertig mit seiner Fragerunde: „Was willst du studieren?" „Journalismus und PR.", antwortete ich. Unten leerte sich die Strecke und die Motoren gingen an. Dann rollten die Fahrer in ihre Einführungsrunde. Die Zeit nutzte Emanuele für eine weitere Frage: „Hast du darüber schon mit Luca gesprochen?" „Klar hab ich das.", erwiderte ich eifrig nickend.
Dann blieb keine Zeit für weitere Fragen. Das Rennen begann. Von meinem Standpunkt aus sah ich nur die Start-Ziel-Gerade und das, was im Fernsehen gezeigt wurde. Ich konnte also nur beten, dass ich Fabio jede Runde neu zu Gesicht bekam. An der Spitze änderte sich die Konstellation ständig. Durch den Regen stürzten einige Fahrer. Das war der einzige Grund dafür, dass Fabio den Zielstrich als 21. überquerte.
Neben mir sprang Emanuele plötzlich auf. „Oh Mist! Ich muss rüber zu Luca!", rief er aus und stürmte schon Richtung Ausgang. Etwas verwirrt sah ich ihm noch hinterher, doch dann schüttelte ich lachend den Kopf.
Ich war wirklich überrascht von seinem Besuch. Nach meinen letzten Erfahrungen in der Boxengasse hätte ich nicht damit gerechnet, dass sich jemand aus dem Team überhaupt für mich interessierte. Abgesehen von den Fahrern und der Chefetage. Allerdings hätte ich auch durchaus Mario oder Jacopo als Sitznachbar erwischen können. Vermutlich hatte Luca dafür gesorgt, dass Emanuele mir ein wenig Gesellschaft leistete.
Immer noch im strömenden Regen rollten die Moto2-Bikes in die Startaufstellung. Ich musste Luca echt suchen. Er stand mitten im Hauptfeld, wohl einer der gefährlichsten Startplätze. Es war gar nicht so einfach, den Forward-Schirm auszumachen, der ihn vor dem Regen schützen sollte und mal wieder von einer großgewachsenen Blondine gehalten wurde.
In der Einführungsrunde tasteten sich die Fahrer an die Bedingungen auf der Strecke heran. Der Asphalt glänzte nass. Nur die Ideallinie schien fahrbar. Selbst mit Regenreifen war die Strecke glatt. Man musste ganz besonders gefühlvoll fahren, um keinen Sturz zu verursachen.
Lucas Start war gut. Nach der ersten Runde war er schon in den Punkterängen. Er kämpfte sich kontinuierlich nach vorn und erreichte schon bald die Top Ten. Nach fünf Runden war er Achter, doch die Plätze waren eng umkämpft. Mit einigen anderen Fahrern tauschte er die Positionen hin und her.
Als noch zehn Runden zu fahren waren, drehte Sandro Cortese plötzlich auf und setzte ein gewagtes Überholmanöver. In einer Kurve setzte er sich innen neben Luca, berührte ihn leicht jedoch unerheblich und zog anschließend auch noch an Nakagami vorbei. Luca nutzte die Gelegenheit und überholte Nakagami ebenfalls. Damit war der Kampf aber noch nicht vorbei.
Nur kurze Zeit später, Nakagami war wieder vorn und auch Corsi hatte Luca zu diesem Zeitpunkt überholt, rammte Corsi Nakagami von der Strecke.
In dieser Schrecksekunde achtete ich einen Moment lang nicht auf Luca. Und plötzlich tönte die Stimme des Streckensprechers lautstark aus den Lautsprechern: „Crash! Marini's down!" Auf dem Bildschirm wurde die Wiederholung des Sturzes gezeigt.
Nur eine Kurve nach dem Zwischenfall mit Corsi und Nakagami hatte Luca die Kontrolle über sein Vorderrad verloren. Eigentlich rutschte er nur weg, doch es war ein schneller Sturz. Durch die nasse Strecke wurde das rutschende Motorrad nicht gebremst, sodass es durch das Kiesbett pflügte, sich überschlug und schließlich in die Streckenbegrenzung einschlug. Auch für Luca drehte sich die Welt einige Male im Kreis. Er blieb knapp neben seinem Motorrad liegen, setzte sich glücklicherweise aber gleich auf. Trotzdem war das Rennen für ihn beendet.
Ich konnte mich nicht mehr auf die letzten Runden konzentrieren. Nur am Rande bekam ich mit, dass Jonas Folger den Sieg holte. Viel wichtiger war es für mich, zu erfahren, ob es Luca gut ging.
Das Rennen war seit ungefähr zehn Minuten vorbei. Ich starrte auf mein Handydisplay, denn ich hatte Luca geschrieben, und wartete jetzt auf seine Antwort. Auf die Idee Vale oder Fabio zu fragen kam ich nicht.
Brauchte ich allerdings auch gar nicht, denn nur wenig später tauchte eine wohlbekannte Jacke neben mir auf. Luca setzte sich auf den Platz neben mir. Seine Unterarme stützte er leicht nach vorn gebeugt auf seinen Beinen auf. Er sah geknickt aus, lächelte mich aber trotzdem an.
Ist alles okay bei dir?", fragte ich ihn vorsichtig. Luca wiegte den Kopf leicht hin und her, während er nach einer passenden Antwort suchte. „Körperlich ja. Ein paar blaue Flecken werde ich kriegen, aber nix tragisches.", erkläre er schließlich, „Mental nicht so richtig. Das Rennen lief so gut. Ich bin gerade einfach enttäuscht."
Das konnte ich verstehen. Er hatte wirklich unglaublich gut gekämpft. Eine Frage brannte mir allerdings noch unter den Nägeln: „Was ist eigentlich passiert?" „So genau weiß ich das gar nicht. Ich wollte einfach nur anbremsen und in die Kurve gehen und auf einmal war das Vorderrad weg. Wahrscheinlich habe ich einfach zu stark gebremst oder so.", er seufzte tief.
Ich wollte lieber nicht weiter nachfragen. Luca konnte sich wahrscheinlich auch Besseres vorstellen, als mit mir über seinen Sturz zu philosophieren. Doch er überraschte mich: „Das Team schaut sich die Daten an und schraubt die Kiste im Moment wieder zusammen. Sie wollen am liebsten noch heute Nacht den Grund finden. Das heißt, ich werde auch bis sonst wann in der Box sitzen und analysieren."
Klingt nach viel Arbeit.", meinte ich nur. „Schon.", bestätigte Luca, „Aber das gehört dazu, wenn man nach ganz oben will." So wie er das sagte, hatte er definitiv vor, nach ganz oben zu kommen.
Bis zum Rennen der MotoGP gab es eine längere Pause als zwischen den Rennen der Moto3 und der Moto2. Die zig Kamerateams in der Boxengasse belagerten sämtliche MotoGP-Teams und deren Fahrer. Das konnte doch nicht schön sein.
Valentino schien das anders zu sehen. Völlig entspannt winkte er in die Kamera, die gerade in seine Box filmte. Man sah ihm keine Anspannung vor dem Rennen an und das trotz der schwierigen Bedingungen.
Draußen auf der Strecke hatte der Regen aufgehört. Nass war der Asphalt trotzdem noch und das würde sich bei 17 Grad Lufttemperatur auch nicht so schnell ändern.
In der Boxengasse tat sich etwas. Die Teams schickten ihre Fahrer auf die Besichtigungsrunde und in die Startaufstellung. Jetzt dauerte es noch knapp 15 Minuten, bis das Rennen startete. In der Startaufstellung wurden jetzt noch ein paar Interviews geführt. Allerdings waren eher wenige Fahrer bereit, so kurz vor dem Rennen noch Frage und Antwort zu stehen.
Dann war es so weit. Die Teams verschwanden von der Strecke und die Fahrer gingen in die Einführungsrunde. Luca fuhr sich angespannt durch die Haare. Beim Anblick seiner nun völlig zerstörten Frisur musste ich grinsen. Das sah einfach unfassbar heiß aus.
Moment. Hatte ich gerade Luca als heiß bezeichnet? Da war mir wohl der Benzingeruch zu Kopf gestiegen.
Während ich mir noch den Kopf über meine Gedanken zerbrach, rollte unten das Starterfeld wieder auf die Start-Ziel-Gerade. Die Fahrer sortierten sich auf ihren Startplätzen ein. Einige zogen noch die obere Schicht ihres Abreißvisiers ab. Die Ampel ging an. Sämtlich Motoren drehten hoch. Die Ampel ging wieder aus und 20 Motorräder preschten auf die erste Kurve zu.
Vale kam nur schwer in Fahrt. In den ersten Runden fiel er von Platz 6 bis auf den 12. Rang zurück. Luca fluchte und zischte: „Ich hab gesagt, er soll nicht den harten Reifen nehmen!"
Nach ungefähr acht Runden begann die Strecke abzutrocknen. Jetzt begann die Aufholjagd von Vale und die von Cal Crutchlow. Zwei Runden später fuhr der bisher führende Dovizioso in die Box und wechselte völlig unerwartet auf sein zweites Motorrad.
In der 14. Runde hatte Aleix Espargaro mit seiner Suzuki einen Motorschaden. Vale war inzwischen auf Platz 7 angekommen. Crutchlow hatte schon den 2. Rang erreicht.
Eine Runde später fuhr Vales Teamkollege Lorenzo an die Box und wechselte auf Slicks. Man sah deutlich, dass seine Boxencrew nicht begeistert von dieser Entscheidung war. Kurz darauf übernahm Crutchlow die Führung und Vale begann seine Jagd auf das Podest.
Nach zwei Runden mit Slicks entschied sich Lorenzo doch wieder für das Regenbike und wechselte erneut. Eine Runde später war Vale Zweiter.
Diesen Platz behielt er auch bis vier Runden später abgewunken wurde. Was für ein verrücktes Rennen!
Jetzt nach dem Rennen wurde es langsam Zeit für mich. Luca und ich schlenderten beide in unsere eigenen Gedanken versunken zurück ins Fahrerlager. Es herrschte eine drückende und irgendwie schwermütige Spannung zwischen uns. Ich wusste nicht, was ich hätte sagen können, um das Ganze etwas aufzulockern, und auch Luca blieb absolut still.
Eigentlich müsste ich nachher zur Nachbesprechung.", durchbrach Luca schließlich die Stille, „Aber ich werde mich wohl abmelden. Ich würde lieber mit dir zum Flughafen fahren und mich ordentlich verabschieden." „Handle dir mal lieber keinen Ärger ein wegen mir. Sonst kann ich mich demnächst gar nicht mehr in deiner Box blicken lassen.", gab ich zu bedenken.
Teilnahmslos zuckte er mit den Schultern und meinte: „Wenn ich nachher sowieso die ganze Nacht hier sitze, kann ich die Besprechung jetzt auch verpassen." Wenn das so einfach war.
Vor dem Motorhome der beiden Forward-Piloten war immer noch viel los. Luca schrieb fleißig Autogramme und posierte für Selfies. Ich dagegen zog mich schon mal zurück und wartete hinter der Absperrung auf ihn. Die ganzen Fans um mich herum, die drängelten und schubsten, das war nichts für mich.
Nach einigen Minuten hatte Luca sich durch die Menge an Fans gekämpft und tauchte neben mir auf. „Wollen wir?", fragte er, wartete jedoch keine Antwort ab, sondern stieg sofort die Stufen zum Eingang nach oben. Ich folgte ihm und warf von oben noch mal einen Blick zurück auf die Fans unten.
Es war faszinierend, wie geduldig die Menschen hier auf ihre Idole warten konnten. Wie viel Zeit sie damit verbrachten, vor Motorhomes und Hospitalities zu stehen und das nur für ein Foto oder ein Autogramm. So viel Ausdauer hätte ich auch gern. Nur vielleicht an anderer Stelle.
Während ich meine Sachen zusammensuchte und einpackte, sah Luca nach, ob Balda da war. Er wollte ihm Bescheid geben, dass er ihn bei der Besprechung entschuldigte.
Aus dem Badezimmer hatte ich alles, also ging ich jetzt ins Schlafzimmer. Auf Lucas Bett lag ein schwarzes Shirt von ihm. Es lud mich förmlich dazu ein, es einfach in meiner Tasche verschwinden zu lassen.
Eine Stimme in meinem Hinterkopf versuchte, mich davon abzuhalten. Ich konnte doch nicht einfach ein T-Shirt von ihm einstecken. Was sollte er denn von mir denken?
Aber am Ende war sie machtlos gegen das Verlangen. Ich lauschte auf jedes Geräusch, doch Luca schien noch nicht wieder auf dem Rückweg zu sein. Also schnappte ich mir das Shirt und stopfte es schnell in meine Tasche. Darüber stapelte ich noch einige meiner Klamotten, damit man es auf den ersten Blick nicht mehr sehen konnte.
Gerade in dem Moment als ich den Reißverschluss der Tasche schloss, kam Luca ins Zimmer. Er sah sich um, runzelte ein wenig die Stirn und fragte dann: „Sag mal, hast du zufällig ein schwarzes T-Shirt gesehen?" Mist, Mist, Mist! Jetzt bloß nicht verdächtig wirken! Unschuldig sah ich zu ihm auf und zuckte mit den Schultern: „Nö, wieso?" „Ich dachte, ich hätte es hier gelassen. Aber dann liegt es wohl doch in der Box.", seufzte Luca und fuhr sich durch die Haare. Diese Angewohnheit hatte das Potenzial ein echter Killer für meine Lachmuskeln zu werden. Jedes Mal, wenn er das tat, konnte ich nichts dagegen tun. Ich musste einfach grinsen.
Fertig?", fragte er dann und ich nickte. Luca zog sein Handy aus der Hosentasche und tippte darauf herum. Dann hielt er es sich ans Ohr und nach kurzem Klingeln sprach er auf Italienisch mit jemandem.
Es war ein kurzes Gespräch. Nachdem er aufgelegt hatte, sagte er zu mir: „Vale holt uns gleich ab." Ich zog die Augenbrauen nach oben, denn ich hatte nicht mit Vale als Chauffeur gerechnet.
Keine zwanzig Minuten später klopfte es an der Tür. Ich schnappte mir meine Tasche, doch Luca nahm sie mir sofort ab. Er ließ keine Widerworte zu, also akzeptierte ich es einfach. Vale war mit einer dicken Sonnenbrille ausgestattet und bekam das Grinsen nicht aus dem Gesicht. Irgendwie roch er auch nicht, als hätte er nach dem Rennen und der Siegerehrung schon eine Dusche gefunden.
Vale hatte sich ein Auto gemietet. Mit dem brachte er mich zum Flughafen. Luca begleitete uns. Wir beide saßen auf dem Rücksitz und scherzten über Vales interessantes „Parfüm". Schweiß und Champagner war eine wirklich spannende Mischung.
Du solltest ein Eau de Toilette draus machen.", schlug Luca vor und ich ergänzte grinsend: „Aber bitte for Men and Women." Luca kugelte sich vor lachen, so gut es eben auf der Rücksitzbank im angeschnallten Zustand ging.
Vale fuhr völlig unbeeindruckt. Nur einen Kommentar konnte er sich nicht verkneifen: „Es ist gar nicht so schlecht, dass ich dich gleich in ein Flugzeug setzen kann und du dann erst mal wieder weg bist. Luca ist viel ruhiger, wenn du nicht da bist." „Na, das glaub ich nicht.", entgegnete ich und Luca schüttelte den Kopf: „Das stimmt auch nicht."
Leider dauerte die Fahrt nicht ewig und das bedeutete, dass Luca und ich uns zwangsweise irgendwann verabschieden mussten. Ich umarmte aber zuerst Vale und beglückwünschte ihn noch mal zu seinem 2. Platz im Rennen.
Dann wandte ich mich Luca zu. Seine Augen waren schon wieder mehr grau als blau. Wehmütig lächelnd nahm er mich in den Arm und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. „Komm gut nach Hause.", sagte er ernst. Dann löste er sich von mir und sah mir intensiv in die Augen. „Schreib mir, wenn du gelandet bist.", forderte er, „Und... denk mal an mich." „Das mach ich. Beides.", erwiderte ich lächelnd.
Er zog mich ein letztes Mal in eine enge Umarmung. Eine Umarmung, die für einen Moment den Rest der Welt einfach ausknipste. Dann lösten wir uns endgültig voneinander. Ich nahm meine Tasche und ging ein paar Schritte auf den Schalter zu. Doch ich drehte mich noch mal um und winkte den beiden Italienern zu. Sie standen einträchtig nebeneinander und winkten zurück.
In diesem Moment fiel mir zum ersten Mal auf, wie ähnlich sich die beiden sahen.

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