Cameron
Ich war froh, dass mein Vater noch nicht zuhause war, denn es war mitten in der Nacht, unter der Woche und ich betrat erst jetzt das Haus.
Der Spiele-Nachmittag mit meinen Freunden war irgendwie in einen Abend ausgeratet und dann in eine Nacht, aber ich hatte nicht einfach bei Max bleiben können, da mein Vater nicht wollte, dass ich unter der Woche woanders als zuhause schlief, also schlich ich mich jetzt leise ins Haus und direkt in mein Zimmer.
Gerade als ich an der Badtür vorbeilief, knallte ich in jemanden und fiel um.
Mit einem lauten Knallen landete ich auf dem Hintern, bekam eine Schulter in die Fresse und fiel komplett auf den Boden.
Ich hörte ein schmerzerfülltes Zischen, während ich mir ans Kinn fasste, wo mich das Gelenk getroffen hatte und sah an mir herunter.
Noah lag auf mir und rieb sich die Schulter, während er sich alle Mühe gab, schnellstmöglich aufzustehen.
Dass er mir die Hand nicht anbot, um mir aufzuhelfen, nahm ich ihm nicht übel, da er ja Schmerzen hatte, also quälte ich mich selbst wieder hoch und musterte ihn dann.
„Alles okay?", flüsterte ich.
Wir mussten ja nicht unnötig Lärm machen.
Er nickte, obwohl er sich noch die Schulter hielt. Also log er schon wieder. Wie immer eigentlich.
Ich fragte mich, wann dieser Typ mal die Wahrheit sagte. Vermutlich erst dann, wenn man aufhören würde ihn zu fragen, wie es ihm ging.
„Tut mir leid", murmelte er und vermied den Blick in meine Augen.
Ich nicke, was er aber nicht sah. „Schon okay. Ich hätte dich nur nicht für zu stürmisch gehalten" Ich lächelte den letzten Satz und er sah etwas überrascht zu mir hoch, doch er sah nicht mal belustigt aus.
Naja, ein Versuch war es wert...
„Was machst du so spät noch wach?"
Ich sollte lieber mich selbst fragen, warum ich hier stand und mit ihm plauderte, statt mich schnellstmöglich ins Bett zu legen, damit mein Dad, wenn er überprüfte, ob ich echt dort lag, etwas Zufriedenstellendes sah.
Er zuckte mit den Schultern, doch zischte dann nochmal.
„Tut mir echt leid mit deiner Schulter"
Das tat es wirklich. Der Arme hatte schon genügend Probleme und brauchte nicht auch noch körperlichen Schmerz.
Obwohl ich ja gar nichts dafür konnte, weil er in mich reingerannt war, aber naja...
„Tut gar nicht weh", meinte er leise.
Jaja und ich bin hetero.
Ich seufzte. „Willst du mal auf meine Frage antworten?"
Es regte mich ein bisschen auf, dass er zwanghaft den Blickkontakt vermied. Das war einfach nicht er. Früher hatten wir uns immer Blickduelle geliefert, uns gegenseitig fertig gemacht, gedisst und aufgeregt, aber jetzt? Nichts mehr.
Wir hatten uns immer so drei Mal im Jahr gesehen, doch das war schon genug gewesen, um uns nicht ausstehen zu können. Kein Wunder also, dass er wohl keine Lust hatte mit mir zu reden.
Er wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, doch ich hob die Hand, wodurch er verstummte. „Lüg mich nicht an"
Das war das erste Mal in den letzten sechs Monaten, das er mir direkt in die Augen sah.
Braun trag auf blau, seine Augen direkt in meine Seele. So kam es mir zumindest vor.
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Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)
General Fiction-Alles an mir war gelogen. Die Antwort auf jedes „Wie geht es dir?", auf jedes „Alles okay?", auf jedes „Es tut mir leid", die Reaktion auf jeden Versuch, mich zu trösten, auf jede Behauptung, dass man mich verstehen würde. Denn das konnte keiner.- ...